Scheiß Technik

Allzuviel Technik ist nie gut. Generell. Technik kann nämlich auch kaputt gehen. Viel Technik, viel kaputt. Kennen Sie. Manchmal kommt man um viel Technik aber nicht drumherum, wenn man sich nicht gänzlich versagen will. Klar kann man ohne Technikgedöns über die Runden kommen. Macht das aber noch Spass? Ach ja, Spass: Ohne ein Mindestmaß an Technik funktioniert natürlich auch HiFi nicht.

Sie „brauchen» eine neue Stereoanlage. Einfach so. Der Händler zeigt Ihnen mehrere Modelle, die sich eigentlich nur in der verbauten Technik, der Größe und der Optik unterscheiden. Von 5 bis 1000 Watt ist, Verstärkertechnisch, alles dabei. Das absolute Luxusmodell ist die Stereoanlage mit integriertem CD-Player, Bluetooth, Stereo-Dreieck Sensor, automatische Lautsprecherpositionierer mit Neigungswinkelsensor, Müdigkeitserkennung, Fusswippsensor, intelligente Raumakustikkorrektur (wahlweise mit computergesteuertem Absorber oder Diffusor), Klangreglungsautomatik, Kabelkapazitätsausgleicher, Gemütsverfassungserkennung und natürlich Lautsprecher. Als passendes Zubehör gibt es den erdrotationsoptimierten Plattenspieler mit hydrostatischem Druckmesser für die optimierte Auflagekraft des Tonabnehmers.

Nur für’s Musik hören braucht man diesen Technikkram nicht. Das wissen Sie. Das weiss der Händler. Es gibt aber nix anderes. Sie kommen um derartige „Features» nicht drumherum. Selbst die einfachste Anlage (5 Watt) ist mit Sensorik, die mit HiFi (oder Musik hören) nichts zu tun haben, überfrachtet. Die in jedem Verstärkermodell vorhandene Gemütsverfassungserkennung analysiert die gewählte Musik und „optimiert» Klang und Lautstärke. Egal wo Sie sich im Wohnzimmer befinden, der Stereo-Dreieck Sensor sorgt für das „richtige» Stereo hören. Die nächst höhere Watt-Stufe (20 Watt) hat bereits den Pre-Tinitus Assistenzen (abschaltbar) dabei. Auch wenn Sie den gar nicht haben wollen. Ein Röhrenverstärker (sofern er überhaupt noch käuflich zu erwerben ist), ist mit Elektronik vollgestopft – sieht aus wie Röhre, klingt wie Transistor. Der Ausfall des Pre-Tinitus Assistenten hat übrigens zur Folge, dass man gar keine Musik hören kann. Wenn man, laut Handbuch, resettet, dann bleiben von 20 Watt nur 2 Watt übrig.

Hört sich bekloppt an, was? Aber, lasst mal die Entwicklungsabteilung einer Automobilmarke (egal welche) dran. Die machen das schon. Das, was man dann bekommt, das entscheiden nicht Sie, sondern die Marketing-Strategen.

War früher die Motorleistung ein wichtiges Kriterium, so ist es heute die „Innenausstattung». Servolenkung und diverse Elektronik, die den Fahrkomfort erhöhen, sind mittlerweile Standard. Genauso wie Airbags und Klimaautomatik. Früher musste dieser Technikkram explizit dazu bestellt werden. Man konnte früher auch noch aussuchen, ob man dieses oder jenes Feature haben wollte, oder eben nicht. Es gab sogar mal eine Zeit, da wurden die Sicherheitsgurte mit dem Extra „Gurtstraffer» verhökert.

Geht man heute in die Autohäuser, hat man die Qual der Wahl – an Ausstattungspaketen. Pakete, wohlgemerkt. Den selbsttätig abblendenden Innenrückspiegel gibt es nicht einzeln, sondern nur mit Verkehrschilderkennung, Berganfahrassistenten und Kollisionswarnsystem. Die abgetönten Scheiben nur mit Parkassistent, automatisches Licht-An-Aus-System und Regensensor. Die GPS-Standortbestimmung nur mit Müdigkeitserkennungssystem, Follow-me-home-Licht (verzögertes Ausschalten der Scheinwerfer) und DAB+ Radioteil. Und so weiter und so fort. Kurz gesagt, erkauft man sich ein nützliches Feature mit zwei, drei Technik-Krimskrams. Was soll ich, als Flachlandtiroler, mit einem Berganfahrtassi?

Wobei die Rückfahrkamera ein absolutes Muss ist. Die Autos sind so unübersichtlich geworden, dass richtiges Abschätzen auf Abstand oder Entfernung zu einem Lotteriespiel gerät. Auch „mogeln» die Spiegel heutzutage derart, dass man darauf nicht vertrauen darf.

Und, wenn Sie glauben, dass Parkhilfe-Assistent oder Kollisions-Warnsystem doch nützliche Dinge wären, täuschen Sie sich. Jeder Autohersteller sichert sich da nach allen Richtungen ab. Kernaussage: Beide Techniken sind nicht perfekt und man solle sich nicht darauf verlassen. Sie sollen nur „helfen» bzw. „unterstützend» eingreifen. A… ha.

Fragen Sie mich bloss nicht, wie man früher, ohne diesen Schnickschnack, Auto fahren konnte…

– Friedrich Hunold –

PS: Danke für die Nachfragen. Hier ist relativ „alles gut». Wir haben zwar (mal wieder) richtig viel Wasser abbekommen, zumindest bei mir ist noch alles trocken geblieben (Einschränkung deswegen, weil nun das Grundwasser nach oben steigt…). In anderen Teilen des Landes sah bzw. sieht es schlimmer aus. Da das hier aber eine landwirtschaftlich geprägte Gegend ist, stehen hier viele Felder unter Wasser. Die Landwirte kommen nicht aufs Feld, was noch andere Auswirkungen haben wird. Reisfelder, anstatt Getreidefelder.

Zuviel Wasser ist wie zuviel Technik: Scheiße. Und fang mir jetzt bloss nicht an zu weinen.
(† Tschüss Schimi. Lass knacken.)

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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