Telefunken S600

Bekanntlich dreht hier der Telefunken S600 seine Runden. Naja, eigentlich zwei. Einmal das „Erbstück“ mit seinen nunmehr 25 Dienstjahren und einmal ein Ersatz-Plattenspieler. Mein geerbeter S600’er ist übrigens das dienstälteste Gerät meines „HiFi-Setups“. Natürlich habe ich den S600 mal wegen der CD arg vernachlässigt. Nur um ihn dann reumütig und neu gefettet wieder als offiziellen Rillenkratzer in Dienst zu stellen.

Natürlich bin ich auch mal fremdgegangen. Irgendwas japanisches. Wirklich, nur einmal. Ein Ausrutscher. Nach einer Woche war die Affaire vorbei. Wer sonst soll meine Schallplatten (Schallplatten bitte, nicht Vinyl!) so abspielen können, wie „mein“ Telefunken S600? Auch wenn das verdammte Ding oft um Aufmerksamkeit bittet.

Die Sache mit dem „Erbstück“ ist ganz einfach erklärt: Den Plattenspieler wollte damals kein anderer haben, weil „irgendwie“ kaputt. Auch war der Name „Telefunken“ damals alles andere als populär. Saba, Dual oder Grundig erging es da übrigens nicht viel anders. Propheten im eigenen Land… Sie wissen schon.

Gut, es mag bessere Plattenspieler geben. Mir reicht aber mein S600. Auch wegen der „Lightshow“, die ihn so unverwechselbar macht (mit den damals populären Farben orange und grün). Dazu kommt, dass er eigentlich ziemlich robust ist. Der Tonarm hat sogar neugierige Kinderhände überlebt. Nicht so wie die anderen „modernen“ Plattenspieler, in deren Nähe nicht gehustet werden darf. Bevor sich heute die Nadel in die Rille senkt, müssen die „Neo-Vinylisten“ zuvor eine Emil Berliner Gedächtnisminute zelebrieren. Not my cup of tea. Platte druff. Nadel druff. Hören.

S500 / S600

Zu diesen Plattenspielern ist schon viel geschrieben worden, besonders wie man die kaputt gestandenen Geräte (Dachboden- oder Kellerfund) zumindest mechanisch wieder flott bekommt. Um das im Netz zu finden reicht eine einfache Suchanfrage und viel Zeit, um das alles zu lesen. Der erste Anlaufpunkt sollte aber VinylEngine gelten. Dort gibt es nach Anmeldung die kompletten Serviceunterlagen. Ein anderer wichtiger Link über den man früher oder später stolpern wird, ist die Seite von Charles Westermann.

Aus den Service-Unterlagen ist u.a. auch zu entnehmen, wo und mit welchem Fett gearbeitet wurde. Hierbei ist das Spezialfett Losoid 4019 wirklich sehr speziell, weil nämlich so nicht im regulären Handel erhältlich. Zur Info: Die dynamische Viskosität liegt bei Losoid 4019 in etwa bei 70.000 mPas und ist in der NLGI-Klasse 2 eingeordnet.

Dieser Artikel ist keine Reparaturanleitung! Es ist eher die „Geschichte einer Ehe“. Weil ich auch in der letzten Zeit des öfteren als „Eheberater“ tätig war, ein paar Tipps und Hinweise – speziell zur Elektronik, auf die sonst nicht, oder kaum, eingegangen wird.

Fehler ab Werk

Diese Telefunken-Plattenspieler (also der S500 und S600) sind, konstruktionstechnisch gesehen, doch etwas „verunfallt“. Sie sind (waren) empfänglich für Trittschall, die Scharniere des Staubschutzdeckels repariert man nach dem ersten Defekt am besten gar nicht, die Wackelpudding-Konstruktion (Subchassis) ist eine Sache für sich und bei den allerersten Modellen machte sich auch gerne der Riemen selbstständig.

Das Riemenproblem behob Telefunken zunächst sehr kreativ: Man lötete eine runde Blechscheibe auf den Rotor. Spätere Modelle besaßen einen anderen Rotor, der den Riemen am Platz hielt. Und dann ist da noch die „sagenumworbene“ Elektronik zur Motorsteuerung…

Irgendwann passiert(e) „es“ und dann, spätestens nach der zweiten vollständig durchgelaufenen LP-Seite (LP = Longplayer also Langspielplatte. Nicht Vinyl!), legte der Riemenantriebler den Turbo ein und beschleunigt die Plattentellermasse auf geschätzte 100rpm. Und das gefühlt nur in Stellung „33« – was aber nicht stimmte. Man musste einfach nur etwas warten, dann ging es auch bei „45« rund.

Nach „Studium“ des Schaltplans wurde der Fehler zunächst auf das Spannungsregler-IC geschoben. Der TBA325 bzw. L036 sah und sieht nach mehr aus, als er leisten konnte bzw. kann. Im S600 läuft er am Limit (er „kann“ nur 500mA) und wurde zudem gut warm. Irgendwie, irgendwann mutierte er scheinbar zum Zombie. Nicht tot und nicht lebendig. Ein µA7812 (1A-Regler) brachte zunächst Abhilfe. Den montierte ich dann „mal eben“ an die hintere Wand der Plastikzarge.

Meine damalige „Ersatzschaltung“ funktionierte zwar, war aber doch sehr „Kreativität“ gestaltet. Erst vor kurzem wollte ich das mit einem neuen 7812 „in Schön“ machen… Und wurde prompt mit einem Deja vu belohnt. Diesmal reichten fünf Minuten bevor der Turbo zugeschaltet wurde. Ganz wie früher… Mit sonst der gleichen Elektronik, wohlgemerkt. Wie war das noch? Never touch a running system.

Plattenspieler kaufen?

Wenn Sie so einen „gut gepflegten“ S600-Plattenspieler erstehen wollen, gibt es zwei Möglichkeiten:

Die „Nummer-Sicher“ Variante: Kaufen Sie nur von jemanden, der erstens einen aufbereiteten Plattenspieler offeriert (die sind dann entsprechend auch etwas teuerer) und zweitens der weiss, wie man Plattenspieler (besonders diesen) auf den Versandweg bringt. Seriöse Verkäufer heben das explizit hervor!

Optimal wäre es, wenn die Elektronik und evtl. die Verkabelung auf Vordermann gebracht wurde. Das ist allerdings nicht ganz so oft der Fall. Früher oder später muss man da aber heran.

Die Risiko-Variante: Zustand natürlich „gut gepflegt“ und dem Verkäufer muss man erst erklären, wie er das Teil verpacken muss (was er dann trotzdem nicht macht). Man achte auf diese oder ähnliche Formulierung: „Nach Kauf, Versand auf eigene Gefahr“. Das ist ein Versprechen für ankommenden Schrott.

Wenn man trotzdem hereingefallen ist, kann man das hinnehmen. Sollte man aber nicht. Den Verpackungs-Pfuschern sollte man wirklich die rote Karte zeigen. Wenn er sich nicht einsichtig zeigte – was wohl die Regel sein dürfte – sollte man professionell an die Sache herangehen und es dem Fachmann regeln lassen. Ich bin auch mal an so einen staatlich anerkannten Verpackungs-Kretin geraten. Mit Ersatzteilen bin ich gut versorgt.

Egal welche Variante man gewählt hat: Steht der Neuerwerb dann ausgepackt auf den Tisch, prüft man zuerst die Elektronik: Der Teller hat sich stundenlang bei 33 Umdrehungen zu drehen (das Stroboskop-Lämpchen leuchtet idealerweise). Wird der Motor nach etwa einer halben Stunde schneller, „darf“ man sich zuerst mit der Elektronik beschäftigen, bevor man sich evtl. an die Mechanik des „gut gepflegten“ Plattenspielers macht.

Warum der Turbomodus zunächst nur bei 33 Umdrehungen auftritt, ist ein ungelöstes Rätsel. Die Nadel im Heuhaufen ist leichter zu finden.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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