Pfusch!

Es gibt zwei Arten von Pfusch. Das Trickreiche und das Gewissenlose. Letzteres ist gefährlich. „Kannste pfuschen, kannste anfangen», heisst es oft im Handwerk, wobei die Betonung auf „kann» liegt. Jeder Handwerker weiss beim „tricksen», wie es richtig geht und aus irgendwelchen Gründen bleibt einem manchmal nichts anderes übrig, als gekonnt (!) zu pfuschen… äh… zu tricksen. Und mal ehrlich jetzt: Wer hat das noch nicht gemacht?

Ich hätte diesen Artikel auch unter „Abgeraucht» stellen können. Ich habe das aus einem Grund nicht getan: Themen in „Abgeraucht» sind mindestens irgendwie lustig – das Folgende ist es nicht! Und deshalb folgt jetzt eine Warnung:

Dieser Artikel ist keine Satire, sondern traurige Wirklichkeit. Und beim Anblick der Bilder können sensible und verantwortungsvolle Bastler eine seelische Unwucht erleiden. Lesen und Bilder gucken auf eigene Gefahr.

Zur Sache

Hier trudeln nun zwei über zehn Jahre alte Monoblöcke zwecks Überprüfung ein. Natürlich Second-Hand. Dazu der Hinweis vom jetzigen Besitzer, dass ich mich nicht erschrecken soll, wenn ich in einem Monoblock den nicht angeschlossenen Schutzleiter „vorfinde». Oha!

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Dann wollen wir mal.
Ein Verstärker wird auf die Werkbank gestellt und die Bodenplatte abgeschraubt. Zufällig ist das der Verstärker „mit ohne» Schutzleiter. Okay, auf den Pfusch hatte man mich vorbereitet. Worauf man mich nicht vorbereitet hatte, sind die verklebten Bauteile, genauer: die verklebten Becherelkos.

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Natürlich wurden die Elkos an der Sollbruchstelle an das Chassis gepappt. Na super! Wieviel Pfusch auf einmal verträgt ein Mensch eigentlich? Es sollte noch schlimmer kommen, spielt für diesen Artikel aber keine Rolle. Hier geht’s um gefährlichen Pfusch.

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Spielen wir mal durch, was irgendwann passieren wird. Zunächst der…

…Elko als sterbender Schwan

Wird nämlich ein Elko müde (das kann nicht – das wird irgendwann passieren), wölbt sich die obere Stelle so lange, bis es sich genau da öffnet, wo es soll und der Elko mit einem „Pschscht» das Elektrolytleben aushaucht. Exitus! Der dadurch entstehende Fast-Kurzschluss (Elkos sind dann sehr niederohmig) lässt entweder die Schmelzsicherung ansprechen, einen Siebwiderstand abrauchen oder es brummt brutal im Lautsprecher.

Ist diese Stelle jedoch verklebt, idealerweise noch mit „Atomkleber», dann randaliert der Elko beim Sterben. Dann ist Stimmung auf dem Totenbett. Das macht nicht mehr „Pschscht», sondern „Peng!» a la China-Böller zu Silvester. Und, wenn es „Peng!» gemacht hat, dürften die Kollataralschäden viel grösser sein, als der Gegenwert eines simplen Elkos.

Sind auch noch zwei Elkos, zwecks Erhöhung der Spannungsfestigkeit, in Reihe geschaltet, liegt das zweite „Peng!» durchaus im Bereich des Möglichen. Die hier eingesetzten Spannungsteiler, bestehend aus Kohleschicht-Widerstände (1W-Typen), können da nicht gegensteuern. Wie denn auch? Kurz vor dem explodieren ist der Elko so niederohmig, dass der Spannungsteiler nichts mehr zu teilen hat. Der dahinter geschaltete Elko bekommt deshalb die volle Betriebsspannung ab, für die er gar nicht ausgelegt ist. Markenelkos können eine Überspannung von 30 – 40 Volt für ein paar Sekunden ganz gut ab, aber auch die kapitulieren bei 100V und mehr.

Wenn der erste Elko dann endlich explodiert und damit den Stromkreislauf unterbricht, ist es für den zweiten Elko zu spät. Ergebnis also: „Peng!» zum zweiten. Das war jetzt Slow Motion. In Wirklichkeit geht das schneller, als Sie nach dem ersten „Peng!» zum Netzschalter hechten können.

Das hat mit „tricksen» nichts zu tun. Das ist stümperhaftes Pfusch. Ich frage mich, wozu es Befestigungsschellen gibt. Oder eine Konstruktion mit Kabelbinder. Ach ja, das wird dann etwas teuerer und überhaupt: Sicherheit und High-End verträgt sich nicht…

Jeder erfahrene Bastler weiss das alles. Und jeder, der schon einmal einen explodierenden Becherelko miterlebt hat, will das – ohne den Schutzbunker aufzusuchen – kein zweites Mal erleben.

Man lästert ja gerne über die billigen China-Verstärker (Mea culpa, tue ich auch), aber selbst das ist denen zu heikel. Womit jetzt geklärt ist, dass das kein China-Verstärker war/ist.

Sitzt vor den Siebelkos noch ein 3W-Metallwiderstand (warum auch immer), wird das mit ziemlicher Sicherheit ein heisser Ritt. Der hier verwendete Röhrengleichrichter verpackt die Belastung eine Weile. Dafür wurde der Röhrengleichrichter auch mal gebaut (ursprünglicher Arbeitsplatz war ein B52-Bomber). Den heissen Ritt darf man also wörtlich nehmen.

Das folgende Bild zeigt eine Tür-Öffnungselektronik. Das, was da gekokelt hat, war bzw. sind Metallwiderstände. Ob Sie es glauben oder nicht – alle gekokelten Widerstände weisen einen Widerstand auf. Und die Schmelzsicherung ist auch noch funktionsfähig.

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Zurück zu dem Verstärker.
Wäre der Widerstand ein Kohleschicht- oder ein Drahtwiderstand gewesen, hätte ich das durchgehen lassen. Von Pfusch will ich hier deshalb nicht reden. Ich hatte, wie gesagt, nur erst einmal einen Monoblock geöffnet. Sie ahnen, was kommt?

Die Sache mit dem Widerstand ist bis jetzt also nur ein „grausames» Orakel gewesen. Nach einer Woche kam dann der zweite Monoblock an die Reihe. Hier stand der zuvor orakelte Albtraum kurz davor, Wirklichkeit zu werden.

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Anderes Szenario…

Der Kleber macht schlapp

Ich gebe ja zu, dass ich auch gerne klebe. Jede Verklebung ist aber „nur» unterstützend (meist als Sicherung) und keinesfalls die Hauptbefestigung an der sprichwörtlich mein Leben hängt. Weil nämlich irgendwann jeder Kleber schlapp macht.

Die verklebten Bauteile mussten in diesem Verstärker wirklich mit sanfter Gewalt herausgebrochen werden. Mal ging das recht einfach (!), mal musste etwas mehr Kraft aufgewendet werden. Der Restkleber, der sich noch im Chassis befand, liess sich dagegen ganz leicht abziehen!

Macht der Kleber aber endgültig schlapp, fallen die Bauteile, wie in diesem Fall, nach unten. Physikalisches Gesetz. Levitation gibt es nicht. Zumindest nicht hier auf dieser, unserer, Erde. Und, wenn die Bauteile herunter fallen, passiert das natürlich dann, wenn der Verstärker unter Dampf steht. Und natürlich hat Mr Murphy seine Pfoten im Spiel und es bildet sich irgendwie ein Kurzschluss. Das, was derartige Becherelkos dann an Energie freisetzen können, wollen Sie gar nicht miterleben. Also? Pfusch!

Wenn schon, denn schon

Ist das Gerät zudem nicht geerdet oder die Erdung läuft über das NF-Massekabel zum Vorverstärker und dort dann zu dem anderen geerdeten Monoblock… Tja… Muss ich noch weiterreden?

Das hat mit HiFi oder gar High-End nichts mehr zu tun.
Das alles ist und bleibt Pfusch erster Kajüte.
Gewissenloser und damit lebensgefährlicher Pfusch.

Falls Sie solche oder ähnliche Geräte betreiben, prophezeihe ich Ihnen den Stinkefinger, den Ihre Versicherung Ihnen gegenüber zeigt, wenn es „gepengt!» hat. Falls Sie wahnsinniges Glück gehabt haben und Sie noch unter den Lebenden weilen…

Herstellerhaftung? Haha, vergessen Sie’s. Der Hersteller agiert sicher vor der deutschen Gerichtsbarkeit. Und auf der Homepage gibt es wohlweislich kein Impressum, sondern nur eine Telefonnummer eines „Seelenverkäufers».

Wer so etwas macht, der macht noch ganz andere Dinge…

Update 21.01.2018:
Die eu-Internetseite ist zufällig deaktiviert. „Comming soon» steht da nur… Komisch.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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