Gridstopper

Die Sache mit dem Gridstopper ist wohl die am häufigsten vorkommende „Fehlerquelle» in einem Röhrenverstärker. Egal ob von der Stange oder beim Selbstbau. Zeit, diesem vernachlässigtem Widerstand ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Und da fängt man am besten vorne an, nämlich bei der ersten Röhrenstufe. Gerade bei der ersten Stufe eines Röhrenverstärkers wird viel „geschludert», was hinterher nicht mehr gerade zu biegen ist.

Der Gridstopper ist zunächst nur ein einfacher Widerstand, der direkt am Steuergitter einer Röhre „hängt». Er ist fast das erste Bauteil, mit dem das NF-Signal in Berührung kommt. So unscheinbar und einfach es auch aussieht, der Widerstand spielt eine wichtige Rolle.

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Und, wenn man sich schon so „latent intensiv» mit diesem Widerstand beschäftigt, dann kommt man um andere Dinge nicht herum. Um nachvollziehen zu können, was da rund um den Gridstopper passiert, geht es leider nicht ohne etwas „Formelkram», wobei ich es bewusst sehr einfach halte. Es werden auch nicht alle Aspekte beleuchtet.

HiFi-Fehler?

Vor allem im HiFi-Bereich scheint es üblich zu sein, den Gridstopper als unnützes Bauteil anzusehen. Oder er wird arg nachlässig behandelt – es wird oftmals einfach irgendein Widerstandswert genommen. „Wird schon passen. Ist ja nur Schwingschutz.» Fertig. Okay, kann man machen. Besser irgendeinen Widerstand, als gar keinen. Oder?

Schaut man als HiFi-Bastler jedoch mal in den „Musikerbereich», dürfte schnell ein Licht aufgehen. Die Musiker, die sich nämlich ihre Gitarrenverstärker selber zusammmen löten oder ein bisschen daran „herumdrehen», wissen um diese Problematik und wissen auch, wie sie das elegant „umschiffen».

Und witzigerweise wird dort das Thema weitaus besser und ausführlicher behandelt, als im Bereich HiFi-Röhrenverstärker. Dabei sind die Probleme auch im HiFi-Bereich nicht wegzudiskutieren. Ja, ich weiss: Ein Gitarrenverstärker ist kein HiFi-Verstärker. Trotzdem…

Begriffserklärung

Der Gridstopper wird im Deutschen (wie üblich) stiefmütterlich behandelt. Es gibt übrigens kein sinnvolles deutsche Wort hierfür. In Analogie zum Schirmgitter-Widerstand könnte man Steuergitter-Widerstand sagen. Tut aber keiner. Also bleibt es beim englischen Begriff Gridstopper.

Das ist vielleicht auch der Zeit geschuldet, weil gerade hierzulande die NF-Röhrentechnik immer schon als „lästiges Übel» behandelt wurde. Die Mess-, Radio- und Fernsehtechnik war ja „interessanter». Vielleicht liegt es daran, weil auch die Datenblätter den Gridstopper nicht zu kennen scheinen. Alle Grundschaltungen kommen ohne diesen Widerstand aus. Das verführt natürlich…

Ganz anders dagegen im englisch-amerikanischen Sprachraum und dort besonders bei den Gitarrenverstärkern (Ja doch, ich weiss…).

Nebenbei: Ich kenne kein (deutsches) „Röhren-Bastlerbuch» welches explizit auf den Gridstopper eingeht. Ich nehme mich und meine Bücher da nicht aus. Quasi als Nachtrag nun dieser Artikel.

Ursache – Wirkung

Was passiert, wenn der Gridstopper fehlt oder einen ungünstigen Wert aufweist? Das kann man nicht vorhersagen. Möglich ist vieles, zB.

– der Röhrenverstärker schwingt oder fängt sich HF ein („Radio Luxemburg» – Senden die noch?)
– der Verstärker klingt „schrill» oder klanglich unausgewogen (in der Mitte klafft ein Klangloch)
– es rauscht
– der Röhrenamp klingt dumpf

Letzteres ist besonders blöd. Alte Verstärkerbastler-Weisheit: „Zuviele Höhen bekommt man leicht weg. Zuviele Tiefen nicht.» Zumindest nicht so ohne Weiteres… Oft ist die Ursache bei einer Impedanz-Fehlanpassung zu suchen…

Das Rauschen kann mehrere Ursachen haben. Im günstigsten Fall Fehlanpassung – wodurch auch immer – oder der Röhrenverstärker ist instabil. Er schwingt also „ein bisschen». Warum auch immer.

Ähnlich verhält es sich, wenn der Verstärker schrill bzw. kreischig klingt oder in der Mitte quasi ein Loch ist. Das kann auch an der Kombi Übertrager – Lautsprecher liegen (wahrscheinlich). Eine Fehlanpassung oder eine leichte Instabilität ist allerdings auch nicht von der Hand zu weisen.

Nur wenn es „schwingt» oder man „Radio Luxemburg» empfängt, scheint der Fall klar zu sein: Gridstopper fehlt.

Hinweis

Was man üblicherweise als „schwingen» oder „instabil» bezeichnet, ist mit „oszillieren» treffender bezeichnet. Auch so harmlose Röhren wie ECC83 oder ECC82 können u.U. zum Oszillator werden. Die Frequenz liegt oft im mittleren bis oberen zweistelligen Kilohertzbereich. Die „Oszillationsstärke» muss dabei noch nicht einmal sehr hoch sein. Ein paar Millivolt reichen.

Muss die Röhrenstufe sehr hoch verstärken, braucht man auf ein „oszillieren» nicht lange warten.

Die Steuergitter-Beschaltung ist also so eine Geschichte. Besonders dann, wenn man Trioden einsetzt.

Gestatten? Miller. John Miller.

Ach, der schon wieder. Ja, der.

Die Entdeckung des Mr Miller, nämlich den nach ihm benannten Effekt bzw. den Kapazitäten besonders bei Trioden, ist untrennbar mit dem Gridstopper verbunden. Die Miller-Kapazitäten spielen übrigens auch in der Halbleitertechnik die eine oder andere Rolle… Wie in dem Millereffekt-Artikel bereits dargelegt, kann man sich die Miller-Kapazitäten auch gut zunutze machen.

Also, nicht bekämpfen – ist eh sinnlos – sondern ausnutzen. Alte, fernöstliche, Kampfsport-Weisheit. Dazu muss man die wirksamen Miller-Kapazitäten aber erst einmal kennen. Und das lässt sich (leider) nur berechnen.

Wie übrigens der unerwünschte Millereffekt zu Tage tritt, lässt sich auch nicht vorhersagen. Manchmal wirkt er genau „anders herum», als es – nach allen Regeln der Theorie – sein müsste.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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