Da sich der 845’er „Music Angel» als schaltungstechnisches Desaster erwies, war kein Customize (Tuning) möglich. Wie denn? Ja, ein paar Effekthaschereien wären möglich gewesen… Für Sondermüll, wie man es oft liest, ist diese 845-Kiste allerdings auch zu schade. Also artet es zu einem konsequenten Selbstbau aus. Ausgeweidet ist er schon.
Also Röhrenverstärker-Selbstbau. Preislicher Vorteil dieses Selbstbau-Projektes ist, dass man das „Teuerste» weiterverwenden kann. Also Chassis, Trafos, Übertrager, die Netzteilplatine, Röhrenfassungen nebst Röhren. Damit sollte nun etwas Brauchbares passieren. Dieser 845-Röhrenverstärker soll quasi wie Phoenix aus der Asche neu auferstehen.
Vorüberlegungen
Es müssen quasi Monoblöcke in ein (zu) kleines Chassis gepackt werden. Heisst besonders: Doppeltes Netzteil für die Röhrenvorstufen. Und zwar ein „normales». Das Ganze soll ohne Kleberei auskommen und last but not least sollen die Ruheströme für die 845 von aussen zu messen und einzustellen sein. Letzteres wurde schnell gelöst:
Da, wo sich die Heizspannungs-Symmetrierregler befanden, sollen Cinchbuchsen montiert werden. Die Ruhestromregler sollen später so platziert werden, dass sie einerseits nicht „stören», andererseits möglichst wenig mit der Abwärme der 845-Trioden „belastet» werden.
Die Netzteilplatine, die neben die Hochspannungserzeugung auch die negative Vorspannung sowie die Einschaltverzögerung beherbert, sollte beibehalten werden. Auch die Art, wie die 845 mit Gleichspannung beheizt werden. Lediglich die Siebkapazität für die 845 wurden angepasst (Kapazität ’runter, Spannungsfestigkeit ’rauf). Dazu noch eine Folienkapazität, die nur als „Snubber» dient, und die Spikes der Spannungsverdopplung ausfiltert.
Es wurde schnell klar, dass auch Kompromisse eingegangen werden mussten… An dicke MKP’s in der Hochspannungskette war, zB., nicht zu denken. Schaltungstechnisch habe ich mich an zwei Vorgaben zu halten: Für die Vorstufe müssen Oktalröhren verwendet werden und mit dem, was die Netztrafos liefern, muss auszukommen sein.
Vor der 845 sollen sich „nur» zwei Verstärkerstufen befinden. Ein Trioden-Schlachtschiff kommt daher nicht in Frage. Und schon gar nicht die SRPP-Behelfskrücke. Da muss eine Pentode / Tetrode ’rein. Vorrangig nur, um die 845 richtig bedienen zu können. Zweitrangig, um ein ausgewogenes Klangbild (Oberwellen k2, k3) zu erzielen.
Soweit kein Problem. Die maximale „Stärke» der Heizspannung (600mA je Vorstufenröhre) dünnt die Röhrenauswahl aber merklich aus.
6V6GT als 845-Treiber
Da ich mich kurz zuvor mit einem EL84-Verstärker beschäftigen musste und weil ich dort den gleichen Mist in der Röhrenheizung vorgefunden habe, wie in diesem „Music Angel», erinnerte ich mich an das amerikanische EL84-Pendant: Die 6V6GT. Diese Beam Power Tetrode soll als 845-Treiber eingesetzt werden. Das passt. Sogar ausgezeichnet.
Die 6V6GT benötigt sogar weniger Heizstrom, als die 6SN7 (6N8). Das entlastet die Netztrafos (weil Mono-Aufbau) um gut 150mA pro Kanal. Trotzdem will das getestet werden, denn so manche Netztrafos aus dem Land der Mitte benehmen sich etwas seltsam, wenn sie nicht so belastet werden, wie vorgesehen…
Spannungsversorgung
Für den Vorstufenbereich standen im Original zwei sekundäre Spannungsabgriffe pro Netztrafo zur Verfügung: Einmal 100V und einmal 200V Wechselspannung, die dann via Spannungsverdoppler gleichgerichtet und aufgepumpt wurden und je eine Röhrenstufe versorgten.
Um das besser und sinniger zu gestalten, braucht man nicht lange zu überlegen: Aus Zwei wird Eins. Brückengleichrichter und eine Siebkapazität machen daraus dann rund 420V im Leerlauf. Unter Last sackt diese Spannung später bei der ersten „Vorverstärker-Version» auf rund 380V ab.
Das ist nur auf den ersten Blick brauchbar. Wenn bereits eine simple Vorstufe die Betriebsspannung um 40V einbrechen lässt, dann stimmt da etwas nicht… Jedes Volt mehr täte hier gut, weil die 845 schon einen – mit Anlauf – sehr kräftigen Tritt ins Steuergitter benötigt.
Die zweite „Vorverstärker-Version» belastete nicht nur die Stromversorgung deutlich weniger, auch die Belastung des Heizkreises wurde – als Nebeneffekt – nochmals deutlich gesenkt. Aus Sicht des Netztrafos „sieht» er bei der Röhrenheizung nur noch eine Vorverstärker-Röhre. Mit diesem Verstärkerzug steht die Versorgungsspannung in diesem Bereich bei rund 400V.
845-Vorstufe(n) in der Theorie
Als Treiber für die 845 soll, wie erwähnt, die 6V6GT dienen. Wie treibe ich aber den Treiber an? Eine halbe 6SL7 (6N9) würde theoretisch ausreichen, um diese Pentode voll auszusteuern. Da ich aber mit der 6SL7 etwas auf Kriegsfuss stehe, sollten die vorhandenen 6SN7 genutzt werden (auch, weil das ein heimlicher Kundenwunsch war). Und damit ein Triodensystem dieser Doppeltriode nicht brach liegt oder in einer unnützen bzw. überflüssigen Schaltungsstufe verbraten wird, sollten die beiden Trioden eben parallel geschaltet werden.
Das sollte eigentlich für die 6V6GT reichen.
Ja, für die 6V6GT mag das reichen. Ist nur eine Röhrenstufe zu kurz gedacht…
Zwischenspiel 6SN7GT
In meinem Verstärker befanden sich zwei Paar Sylvania-Röhren. Einmal 6SN7GT(A) von einem deutschen Händler und einmal ein Paar von einer Auktionsplattform. Letztere offeriert als „6SN7GT Bad Boy». Ja, das gibt’s wirklich. Den Zusatz „Bad Boy» hat sich jemand mal ausgedacht und sollen gaaanz „audiophile» Wunder-Röhren sein.
Ja, das sind Wunder-Röhren. Meine zumindest. Sie funktionierten schlichtweg nicht. Dazu an anderer Stelle mehr…
Abgesehen davon, dass diese 6SN7 keine „Bad Boys» sind, darf man bezweifeln, dass diese Röhren überhaupt von Sylvania kommen…
Schluss mit wundern.
„Bad boys»… Auf Ideen kommen die Leute…
Nebenbei: Warum statt 6SL7 (6N9) die 6SN7 (6N8) eingesetzt wurden, weiss ich nicht.