Schluss… Akkord

„Jo is denn heut scho Weihnachten?» Jo… äh… Nunja. Bald. Und dann ist alles vorbei. Schluss. Alles zurück auf Los. Same procedure… Na, Sie wissen schon. Und so Mancher mag beim nahenden Finale an Wilhelm Busch denken, der das unrühmliche Ende zweier Anarchisten mit „Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei – Mit der Übeltäterei!» kommentierte.

Das kann man wohl wirklich auf alle Bereiche beziehen: Politik, Gesellschaft, Natur, Röhrentechnik. Normal war dieses Jahr wohl sehr wenig.

Was die Röhrentechnik (genauer: Röhrenverstärker) betrifft, so war dieses Jahr die reinste Kuriositätenschau. Und das sowohl, als auch. Ein positives Beispiel: Ein völlig unbekannter Consumer-Röhrenverstärker war nur zum niederknien. Defekten Elko austauschen – Schluss. Das war’s. Simple Röhrentechnik, ohne Zierleisten und ohne Gedöns. Ja, wirklich. Denn man kann es fast schon als eine Gesetzmäßigkeit bezeichnen: Je mehr Gedöns und Schnickschnack, desto „interessanter» wird’s.

Erste Anzeichen, dass es interessant werden wird, sind übrigens fehlende Lüftungslöcher. Oben! Ganz besonders interessant war da „zum Schluss» ein Eintakter, den man – aus technischer Sicht – als gelungene Fehlkonstruktion bezeichnen konnte. Aber er sah schon „gefällig» aus. Trotzdem, es gab nichts zu tun. Deckel drauf und zurück.

Alle Jahre wieder?

Nicht ganz. Aber so manche Diskussionsinhalte um die Röhrentechnik sind mit dem Schweinezyklus vergleichbar. Irgendwann kommen sie wieder – die altbekannten Themen.

So zum Beispiel, was man (wieder) mit einem Röhrenverstärker verbindet. Er soll so klingen, wie damals die alten Röhrenradios: Warm, rund, mit Schmelz, gleichzeitig aber auch hochauflösend und Durchzeichnend. Aha. Nur die Wenigsten wissen aber (noch), dass ein derartiger Klang mit heute „verbotener» Technik erreicht wurde. Nämlich mit dem Klangregister – was eigentlich nur ein schaltbarer Equalizer war.

Je nach Schalterstellung („Orchester», „Sprache», „Swing» oder „Jazz») konnte man den Klang „passend machen». Oftmals in Tateinheit mit der „Klangblende» (Höhen- und Tiefenregler, also Klangsteller). Last but not least saß in dem Röhrenradio noch eine, in Eintakt arbeitende, (böse) Pentode (meist EL84). Ohne diese „klangliche Unterstützung» hörte sich auch ein Nordmende Tannhäuser oder Othello eher bescheiden an…

Und was später alles unter der offiziellen HiFi-Flagge segelte (egal ob Röhren- oder Halbleitertechnik) war – aus heutiger Sicht – alles andere als „Hochauflösend». Da wurde ab den 1970’er Jahren der Klang mit der groben Kelle aufgedickt und ab den späten 1980’er Jahren jede Dynamik im Keim erstickt. Was HiFi betrifft – nicht die Stereoanlagen die in den „Jugendzimmern» genutzt wurden. In diesem kleinen „Königreich» galt die Devise: Schluss mit diesen muffigen Klangbrei…

Oder die Sache mit dem Röhrenklang an sich. Also, wie eine bestimmte Röhre klingt – oder besser: angeblich klingen soll. Dazu muss ich sagen, dass diesbezüglich kaum „Aufklärung» betrieben wurde oder wird. Ganz im Gegenteil. Wobei die Sache mit dem Röhren-Kling-Klang ursprünglich die Musikerfraktion zu verantworten hatte. Was das betrifft, da sind die Musiker mittlerweile sowas von harmlos… Fast schon „normal».

Von meiner Seite her, kann ich’s kurz machen: Die Beschaltung der Röhren trägt mehr zum Klang bei, als die Röhre an sich. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Bei einem „blinden Blindtest» wird man eine 300B nicht von einer 845 (in einer „maßgeschneiderten» Schaltung) unterscheiden können. Ja, was denn? Anderes Beispiel hierfür: Pürieren Sie Kartoffeln und Zwiebeln, verbinden die Augen und setzen den Riechkolben ausser Funktion. Sie werden keinen Unterschied schmecken.

Wie zu besten HiFi-Zeiten der 1980’er / 1990’er Jahre scheint sich das (wieder) zu einer Epidemie auszuwachsen. Ganz ehrlich? Derartiges hat es zur Hochzeit der Röhrentechnik nicht gegeben. Das ist alles eine Erfindung der „Neuzeit». So manche Röhre handelte sich auch einen zweifelhaften Ruf ein, nur weil sie in einer vermurksten Schaltung arbeiten musste. Schluss damit.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass viele „Überlebende» des Röhrenmuff-Zeitalters nach einem „lebendigen» Verstärker verlangen, der die Dynamik, die auch auf die Bühne zu hören ist, auch in’s heimische Wohnzimmer darstellt. Meist abseits des Mainstreams (300B, 845, KT88, KT120, KT150 – in dieser Reihenfolge) gibt es da durchaus hörenswerte Kandidaten.

Selbstbau

Die Selbstbauer haben es da relativ leicht und bauen sich ihren „Wunsch-Verstärker» selber auf. Die ganz mutigen Bastler gehen dabei abenteuerliche Wege – sie setzen Röhren ein, die für HiFi eigentlich „verboten» sind. Wobei die „abenteuerlichen Wege» gar nicht so Abenteuerlich sind: Die alte Schaltungstechnik aus den 1940’er Jahren ist mittlerweile nur von Unkraut überwuchert… Trotzdem erzielen sie damit Beachtliches. Nicht nur optisch. Leider auch nicht immer „Consumer-freundlich».

Beachtlich war auch die Engelsgeduld eines (erfahrenen) Bastlers, der bei einem doch recht ambitioniertem Bastlerprojekt eines „Anfängers» virtuell mit Rat und Tat zur Seite stand und somit das Verstärkerprojekt zum Abschluss führen konnte. Auch, wenn das „Störfeuer» so manch anderer „Bastler» (das steht zurecht in Anführungszeichen) die Geduld über Gebühr strapazierte. Ich gebe zu, ich hätte schon viel eher die Segel gestrichen. Respekt.

Kein Respekt – aber scheinbar „normal» in 2018 – verdient die Tatsache, dass man (bewusst) falsch oder aus dem Zusammenhang gerissen, zitiert wird. Und wenn man ein paar wichtige Details nicht nennt, erscheint das Tun und Handeln des Anderen gleich in einem anderen Licht. „Alternative Wahrheiten» nennt sich das ja neuerdings. In alter Zeit nannte man das schlicht Lug und Trug. Kennen Sie übrigens den Film Wag the dog?

So ähnlich ist es vor langer Zeit auch jemanden ergangen – einem berufsmäßigen Röhren-HiFi-Hobby-Bastler. Der hat und hatte auch so seine Schwierigkeiten mit „alternativen Wahrheiten». Seine – bis heute fast schon konsequent duchgezogene – Entscheidung, sich nicht mehr öffentlich zu HiFi- oder Röhren-Themen zu äussern, wurde seinerzeit von „einigen» Bastlern bedauert. Was bleibt vom Hobby, ohne Erfahrungsaustausch, ohne Bezingespräche? Meine damalige Fassungslosigkeit ist Verständnis gewichen.

Jeder hat mal klein angefangen oder man „vehebt» sich beim ersten Verstärker-Selbstbauprojekt. Und jeder Bastler braucht irgendwann mal „Starthilfe», einen Schubser in die richtige Richtung. Und so freue ich mich immer auf die „Bezingespräche» im kleinen, vertrauten, Kreis, auf den einen oder anderen „Schubser» und natürlich auf völlig „durchgeknallte» Verstärker.

An dieser Stelle ein Dankeschön an Diejenigen aus dem kleinen Kreis, die mir – wegen meines Handicaps – bei diversen Projekten geholfen haben. Ohne deren tatkräftige Hilfe, wäre so manches liegen geblieben.

Die „verschwundenen» Bauteile habe ich übrigens immer noch nicht wieder gefunden.

Zum Schluss bleibt mir nur noch, Ihnen eine besinnliche, ruhige, Adventszeit und ein frohes Fest zu wünschen.
Und… Kommen Sie „gut ’rüber». 😉

– Friedrich Hunold –

PS: Wenn Sie immer schon einen Original-Nachbau von L’Audiophile „Le Monstre» (Hiraga) haben wollten, melden Sie sich. Ich leite Ihr ernstgemeintes Begehren unverbindlich weiter…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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