Mit „Sie werden Ihre Freude daran haben» wurde dieser Canor-Röhrenverstärker angekündigt. Alarm! Häufig endet die Sache mit „Freude daran haben» ja genauso, wie mit „Mal eben» oder „Ist bestimmt nichts wildes, keine grosse Sache…». Bis zum Eintreffen, war noch etwas Zeit, sich über diesen bislang unbekannten Röhrenverstärker kundig zu machen. Und dann kam es.
Nämlich ein grosses, unhandliches und schweres Paket. Geschätzt runde 30 Kilogramm. Das „Unhandliche» relativiert sich, wenn der Verstärker aus der Verpackung befreit wird. Eine „wuchtige», anthrazit pulverbeschichtete, metallene Kiste. Kein Chrom, keine Zierleisten, kein Bling-Bling. Nur die schwarze Alu-Front mit ihren dezenten „Ziernähte» rundeten das Bild „schlichte Eleganz» ab. Mehr nicht.
Von Canor hatte ich noch nicht gehört. Von dem TP106 VR+ erst recht nicht. Tja, kleine Bildungslücke. Bei dem „sich kundig machen» wurde aber ein klein wenig gestutzt. Was soll diese nahezu omnipräsente „CFB»-Formulierung? Was soll’s? Auch die Slowaken (also kein China-Verstärker) kochen nur mit Wasser und Marketingsprüche habe ich zur Genüge gesehen und gehört.
Canors Herkunft
Dieser Canor TP106 VR+ kommt – wie kann es auch anders sein – aus dem Gebrauchtgerätepool. Das Alter muss ich anhand von Rezenssionen (das ist der korrekte Begriff, den ein Autor verwendet hatte) schätzen: „Geboren» irgendwann zwischen 2000 und 2010.
Der jetzige Besitzer wollte ja ursprünglich einen anderen Röhrenverstärker. Doch der Erwerb des Zielobjektes scheiterte zum einen an den Preisvorstellungen der Verkäufer, zum anderen an einem (Ach, das ist jetzt aber doof) „Missgeschick». Ärgerlich…
Jetzt also dieser Canor-Verstärker. Made in Slowakei. Europäische Produktion geht also doch noch. Das Gehäuse beherbergt dicke Übertrager im EI-Schnitt, insgesamt gute Bauteile – auffällig die vier Mundorf-Zinnfolien – und ein ordentliches Netzteil mit einem vergossenem Ringkerntrafo (Es sind wohl Zwei. Dazu später).
Tja, soweit also alles in Ordnung. Nur an der Verkabelung störe ich mich ein bisschen: Alle Verbindungen von und zur Platine laufen über Steckkontakte. Keine Verschraubung, sondern tatsächlich simple Steckkontakte. Na, ich weiss nicht…
Etwas Freude kam aber dann doch auf. Weil auf der Platine aufgedruckt ist, in welcher Richtung man die Ruhestromregler zu drehen hat, um den BIAS für die vier 6550 einzustellen. Auffällig war jedoch, dass die Ruhestromregler alle nahezu bis zum Anschlag im „Minus-Bereich» standen. Da hat also jemand den Ruhestrom bereits „zugedreht». Schön. Bloss, wie konnte der Besitzer dann hören…?
Wenn wir schon bei den Ruhestromreglern sind… Sakramentsky! Wo sind die Kathodenwiderstände, um überhaupt einen Messwert für den Ruhestrom aufnehmen zu können?
Stop. Moment…
Zinnfolie?
Auf den Trip war ich auch mal. Mensch, da war doch mal was… Da muss ich aber gewaltig in der Vergangenheit kramen…
Bei einem 6AS7G-Verstärkerprojekt empfahl ich „damals» (auf meiner alten Homepage) ebenfalls Mundorf Zinnfolie. Ich wusste, dass das „nicht ganz» richtig war – und doch… Prompt bekam ich von Mundorf Post: Der Mundorf’sche Grundtenor war, dass Zinnfolie in Röhrenverstärkern nicht anzuraten sei, weil es zu Problemen kommen kann (Kann!). In Röhrenverstärkern möge man bitte bei MKP bleiben.
(Hier ist jetzt eine Kunstpause)
Zwei Dinge noch: Zinnfolie als Koppelkondensator „färbt» den Klang etwas „dunkel» ein. Das, was Zinnfolie ausmachen kann, wirkt nur in der Frequenzweiche. Und nur da. In den neueren Canor-Verstärkern ist von Zinnfolie übrigens nicht mehr die Rede. War also wohl nicht so dolle…
Lassen wir das.
Canors Fehlerchen
Nun ist es ja immer eine gute Idee, ein Gebrauchtgerät mal überprüfen zu lassen. Ob vor dem ersten heimischen Testlauf oder danach – das muss jeder selber wissen. Mit welchen Fehlern steht der Canor nun hier?
Weil der TP106 (das VR+ lasse ich jetzt mal weg) Geräusche macht, die er nicht zu machen hat. Beispielsweise die Soundcollage „vom brutzelnden Bratenfett» (Zitat). So ist das Spratzeln und Krisseln doch recht gut beschrieben.
Das riecht zunächst nach Kontaktproblemen. Mindestens. Angesichts der Staubfäden im Inneren kein Wunder. Und weil sich die Zinnfolien noch in direkter Nachbarschaft der Endröhren befinden, dürften diese mittlerweile – aufgrund der Wärmeabstrahlung der 6550 – auch dicht an der „Kann-Situation» sein. Keine Frage: Die Dinger werden durch MKP ersetzt.