Das gute, alte Radio. Nein, kein spezielles, sondern Radio im allgemeinen. Also auch die Dudelkiste in der Küche. Das akustische Tor zur Welt, wenn man heute das sog. Internet-Radio mit einbezieht. Nahezu aus aller Herren Länder lassen sich dann, mehr oder weniger professionell aufgezogene, Radio-Stationen „empfangen». Da ist, abseits des Dudel-Funks (beschönigend als Mainstream bezeichnet), wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.
Ob nun Polka-, Country-, Salsa- Lounge- oder Bollywood-Mucke (mit B ist korrekt). Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Auf Wunsch sogar 24/7.
Das Tor zur Welt hiess vor der Internet-Zeit Kurz- oder Mittelwelle. Damit habe ich mit einem Röhrenradio auch herumgespielt. Da tummelten sich auf Kurzwelle, besonders abends und in der Nacht, allerlei Volk. Legendär die (meist) weibliche Stimme, die ein paar Zahlenkolonnen aufsagte – die sog. Zahlensender, von denen man seinerzeit nur vermutete, dass da ein James Bond Befehle übermittelt bekam.
Irgendwann war „Radio Luxemburg» das angesagte Hörfunkprogramm. Die waren nur auf Mittelwelle zu empfangen. Und das ging tatsächlich in annehmbarer Qualität entweder mit einem Röhrenradio oder mit einem vergleichsweise (zum Taschengeld oder Lehrlingslohn) teueren Weltempfänger. Ein klein wenig später war der niederländische Piratensender „Radio Veronica» auch kein Geheimtipp mehr („Radio Caroline» sowieso nicht). Dafür brauchte man hier aber schon einen etwas besseren MW-Empfänger.
Mit „normalen» Kofferradios kämpfte man oft mit weglaufende Sender und allerlei Störungen. Dafür bekam man aber auch rechtzeitig eine doch recht zuverlässige „Gewitterwarnung» – bedingt durch die atmosphärischen Störungen, die ein Blitz verursacht (das Geräusch lernte man damals recht schnell zu deuten). Am Baggersee in der Pampa durchaus von Vorteil…
Später war nur noch UKW angesagt. Und da speziell „den Holländer». Bei schlechten Empfangsbedingungen musste man zuerst den britischen Soldatensender BFBS suchen, um dann mit etwas Fingerspitzengefühl den daneben liegenden „Holländer» zu erwischen. „Der Holländer» war hier, in Grenznähe, allgegenwärtig.
„Der Holländer», das war Hilversum 3. Anders, als hier in Deutschland, teilten bzw. teilen sich mehrere Radiostationen die Hilversum-Sendefrequenz für ein paar Stunden. Beliebt war „AVRO» (Top of the Pops) und, wenn ich mich nicht ganz täusche, das mittlerweile legale „Radio Veronica». Für vielleicht 5 Stunden gab’s Pop und Rock quer Beet und am laufenden Band. Nur unterbrochen von Kurznachrichten, Werbung (logisch) und die typischen, omnipräsenten Jingels (die teilweise noch heute gespielt werden).
Ohne Hilversum hätte ich wahrscheinlich die Musik von „Status Quo» (die 3-Noten Rocker) oder Golden Earrings „Radar Love» nie oder erst viel später gehört. Deren Songs liefen damals ’rauf und ’runter. Von denen eine Single zu kaufen lohnte sich übrigens nicht. Radio auf Hilversum 3 einstellen, etwas warten und dann den Lautstärkeregler auf Zehn…
Golden Earring haben in den Niederlanden übrigens Kultstatus. Ihre erste Single „Please Go» kannte ich bereits aus Mittelwellen-Zeiten. Später kamen hinzu „Buddy Joe» und kurz danach eben „Radar Love» welches sich auch recht lange in den deutschen Charts (als kastriertes Radio-Edit) platzieren konnte. „Bombay» oder „Sleepwalking» waren dagegen nur noch „beim Holländer» zu hören…
Eins hatte ich aber schon recht früh erkannt: Die angesagte Musik „des Holländers» war den „deutschen Charts» um Wochen oder Monate voraus. Viel später ist mir das wieder bei Gerry Raffertys „Baker Street» aufgefallen. Das wurde in den Niederlanden nämlich deutlich früher gespielt als bei uns in Deutschland. Das später aufkommende Punk und New Wave war auch so ein Ding… „Sparks» (Beat a clock) und später „Fisher Z» gab’s eine Zeit lang auch nur von Hilversum 3.
Das Radio hören ist bis heute geblieben. Allerdings nur noch als dezente Hintergrundbeschallung. Hier läuft fast täglich ein niederländischer Radiosender als Stream aus dem Internet oder, während der Autofahrt dann natürlich UKW. Das DAB-Empfangsteil ist hier, auf dem platten Land, zu nix zu gebrauchen, weil die digitale niederländische Äther-Welt auf deutscher Seite, keine 10Km von der Grenze, schlichtweg nicht existiert.
Wären wir nur auf deutsche Sender angewiesen, so hätten wir bis heute wohl nicht erfahren, dass es „The War on Drugs» gibt (genauso übrigens wie „Arcade Fire»). Und wir hätten nicht erfahren, dass „The War on Drugs» ein neues Album herausgebracht haben (Kam aber bereits September 2022 heraus). Mit diesem Album hat sich diese Band aber etwas einfallen lassen: Es gibt vom normalen Album (nebst diversen „Spielarten»), noch eine Sonderedition, mit einer zusätzlichen Single und (aus meiner Sicht) überflüssigem Schnickschnack. Das ganze Set natürlich sauteuer. Nur etwas für echte Fans. So „echt» bin ich nun auch wieder nicht – also wird’s halt nicht gekauft.
Das Hinterfotzige ist jetzt aber, dass die Leute von Hilversum (NPO 3FM) genau diese Single in’s Radioprogramm genommen haben. „Ocean of Darkness» heisst das Stück welches derzeit am Tag mindestens einmal zu hören ist. „The War on Drugs» ist übrigens nichts für Leisehörer. Das muss schon etwas knallen… Sollten Sie übrigens diese Single besitzen und mit dem Gedanken spielen sie zu entsorgen: Die amtliche Entsorgungsstelle für „Ocean of Darkness» steht hier im Impressum.