Im Jahre 2006 „knöpfte» ich mir Dieter Burmester vor. Mit Röhren-HiFi hat Burmester zwar nichts zu schaffen aber mit Design und professioneller Technik. Deshalb titelte ich damals: Profi-HighEnd meets DIY. Bis heute hat sich daran nichts geändert.
Burmester – mit diesem Namen verbindet man hochwertige, unbezahlbare HiFi- oder HighEnd-Geräte die man zudem nur in geweihten Hallen von ausgesuchten HiFi-Händlern bekommen kann. Grund genug, sich einmal nicht (nur) mit den Burmestern-Objekten sondern auch mit dem Namensgeber zu beschäftigen: Dieter Burmester – Musiker und Musikliebhaber mit Anspruchsdenken.
Update August 2015: Am 15.08.2015 ist Dieter Burmester verstorben. Ich werde die Telefongespräche in sehr guter Erinnerung behalten.
Herr Burmester, mit Ihrem Namen verbindet zunächst jeder die hochwertigen HiFi-Geräte und Lautsprecher. Auf Ihrer Internetpräsenz präsentieren Sie sich auch als Musiker. Was sind Sie: Musiker oder musikbegeisteter Techniker? Am besten Sie stellen sich selbst einmal vor.
Burmester: Ich bin beides. Die Musik zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben.
Auf der einen Seite bin ich in meiner Freizeit aktiver Musiker und spiele in einer Band, auf der anderen Seite bin ich kreativer Ingenieur der technische Systeme kreiert die Emotionen übertragen.
Sie geben sich (scheinbar) unnahbar. Eine Burmester-Werksbesichtigung in Berlin ist so nicht so einfach möglich. Hat das Gründe?
Burmester: Wir geben uns überhaupt nicht unnahbar. Es vergeht kaum eine Woche in der wir nicht Führungen der Demonstrationen abhalten. Wir müssen uns jedoch dabei auf die Presse und unsere in- und ausländische Vertriebspartner mit ihren jeweiligen Kunden beschränken, denn sonst würden wir nicht mehr zum Arbeiten kommen.
Welche Musik spielen Sie und welche hören Sie am liebsten?
Burmester: Ich spiele als Bassist am liebsten Rock- und Bluesmusik. In meinem Studio zuhause spiele ich mehr auf normalen Gitarren alle möglichen Stücke und komponiere oft Balladen oder Bluesrock.
Natürlich habe ich auch eine Referenz-Anlage von mir zuhause im Musikzimmer stehen über die ich dann meinen sehr breit gefächerten Musikgeschmack höre. Ich höre alles, was mein Bewusstsein erweitert oder mir positive Emotionen bringt. Bei Klassik bevorzuge ich alte Barockmusik mit ihren klaren Strukturen. Darüber hinaus natürlich auch jede Art von klassischer Musik, wenn sie gut gemacht ist und nicht wie »Dienst nach Vorschrift« klingt. Natürlich höre ich auch Rock, Pop oder Jazz.
Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: Ich liebe Hörspiele!
Burmester und Röhrentechnik vertragen sich anscheinend nicht, denn Sie setzen bei Ihren Geräten vorzugsweise auf moderne Halbleitertechnik. Woher kommt das?
Burmester: Stimmt nicht! Meine ersten Verstärker habe ich vor 45 Jahren in Röhrentechnik aufgebaut weil es Transistoren praktisch noch gar nicht gab. Ich habe eine fundierte Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker genossen und könnte noch heute ausgefeilte HighEnd-Röhrenverstärker aus dem Kopf zeichnen.
Wenn ich heute Halbleiter-Technik bei unseren Systemen verwende, dann tue ich es deshalb, weil ich gute Halbleiter-Technologie für absolut überlegen halten. Im übrigen: Als Gitarrist spiele ich über Röhrenverstärker um einen Sound zu kreieren. Als Bassist spiele ich über einen Halbleiterverstärker weil nur diese mit ihrem hohen Dämpfungsfaktor einen druckvollen und konturierten Baß übertragen können. Übrigens: 90% aller bekannten Bands und Solisten halten das übrigens genauso.
Was zeichnet, Ihrer Meinung nach, ein HiFi-Verstärker der Marke „Burmester» aus? Das Design oder die Technik?
Burmester: Was zählt ist allein der Klang. Damit der Klang jedoch über einen langen Zeitraum erhalten bleibt und alle Geräte gleich klingen, egal ob sie in einer Testumgebung oder bei einem Kunden laufen, ist eine sehr hochwertige Technik unabdingbar.
Wenn dann schon diese hochwertige Technik, die natürlich ihren Preis hat, eingebaut ist, soll das Gerät über einen Zeitraum von einigen 10-Jahren seinen Besitzern auch optische Freude bieten.
Jeder hat so seine Vorstellung über seinen Traumverstärker und seinen Traumlautsprecher. Wie sollte Ihre Kombination aussehen?
Burmester: Meine Träume sind ja wahr geworden und ich habe heute die Anlage zuhause, von der ich früher nur geträumt habe. Prinzipiell gilt: so wenig Komponenten wie möglich – die aber in bester Qualität.
Wie definieren Sie selber HiFi und HighEnd?
Burmester: Mit HiFi kann eine Leidenschaft für Musik oder Hörspiele beginnen. Man sammelt Erfahrungen, lernt zu hören, steigert seine Anforderungen an das Medium und landet irgendwann bei HighEnd.
Glauben Sie nicht, dass die Röhrenverstärker-Technik teilweise zu stark mystifiziert wird?
Burmester: Ich wünsche allen Musikliebhabern, dass sie in den Genuss von Emotionen kommen – egal mit welcher Technik, denn mit beiden Techniken ist das möglich.
Für mich hat die Röhrentechnologie absolut nichts mystisches. Alle Schaltungstechniken sind seit mindestens 40 Jahren bekannt und werden nur partiell verändert. Bahnbrechende Neuerungen gibt es nicht.
Haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, dass viele HighEnd-Firmen auf Kritik viel zu dünnhäutig reagieren und einer fachlichen Diskussion lieber ausweichen und stattdessen auf Lobhuddelei setzen?
Burmester Wenn jemand wirklich etwas zu sagen hat, braucht er keine Diskussion aus dem Weg zu gehen. Nur – was soll einer sagen, der eigentlich nichts zu sagen hat?
Wenn man gegenüber einem altgedienten Radio- und Fernsehtechniker den Begriff HighEnd erwähnt, muss man damit rechnen, dass an dem Geisteszustand gezweifelt wird. Was meinen Sie, woher kommt das?
Burmester: Das gibt es doch in allen Branchen, wenn ganz spezielles know-how erworben worden ist. Wer in dieser Branche nicht so tief eingetaucht ist, kann sich die Erfahrung anderer nicht vorstellen und stellt sie in Frage.
Dabei ist es völlig egal, ob es ums „Fliegenfischen», „Rotwein trinken», „Saiten aufziehen» oder aber um „verschieden klingende Kabelverbindungen» geht.
Von Rolls-Royce behauptet man, dass dieser niemals kaputt geht. Selbst unter extremsten Bedingungen nicht. Gehen Burmester-Geräte kaputt?
Burmester: Natürlich gehen auch mal Geräte von uns kaputt. Genauso wie auch mal ein Rolls-Royce stehenbleibt. Der Grund dafür sind die Lebenszyklen einiger Bauteile wie z.B. Motoren oder Laserdioden.
Tatsache bei uns ist jedoch, dass Kunden ihre bis zu 27 Jahre alten Geräte zur Überprüfung einreichen, wir diese ggf. modifizieren und sie mit einer neuen Garantie versehen. Dann laufen sie wieder wie am ersten Tag.
Darauf hat die Welt noch gewartet: Können Sie sich vorstellen einen Verstärker als Selbstbausatz anzubieten?
Burmester: Nein! Das passt überhaupt nicht zu unserer Philosophie. Denn kein Kunde wüsste nach einem Zusammenbau, ob er die maximal mögliche Performance hat, denn er hat ja nicht unsere Ohren, unsere Erfahrung und unsere Messsysteme.
In unserem Vorgespräch äusserten Sie sich erfrischend offen und ehrlich über Voodoo-HiFi bzw. HighEnd. Wie stehen Sie zu der karibischen Zaubertechnik im HiFi-Sektor?
Burmester: Da wird sehr vielen Leuten sehr viel Geld aus den Taschen gezogen. Das die meisten Wundermittel nicht das halten, was sie versprechen, erkennt man daran, dass die Mittel selber oder aber der Vertrieb nach kurzer Zeit nicht mehr am Markt auftreten.
Ihre Verstärker braucht man nicht zu verstecken. Wie wichtig ist bei Ihnen das Design?
Burmester: Bei unseren Geräten soll man auf den ersten Blick erkennen, dass sie bis auf die letzte Schraube sorgfältig konstruiert worden sind.
Unsere Geräte sollen einfach zu bedienen sein. Das setzt eine übersichtliche und für sich selbst sprechende Bedienoberflächen voraus. Richtig gemachte Technik sieht meistens gut aus.
Wir stehen mit unseren Geräten Im Wohnzimmer der Kunden. Unsere Geräte sollen das Ambiente des Wohnraumes erhalten und ihn nicht zerstören.Unsere Geräte soll man mit Stolz zeigen können, wie eine Skulptur die den technischen Standard unserer Zeit repräsentiert und das man nicht hinter einem Vorhang verstecken muss.
Gibt es bei Burmester Verstärker- oder Lautsprecherentwicklungen, die nie vermarktet werden, weil sie den Anforderungen nicht genügen?
Burmester: Natürlich. Irgendwann haben wir z.B. aufgegeben, einen gut klingenden Endverstärker mit Feldeffekt-Transistoren (FET) in den Leistungsstufen zu entwickeln, ein Digitaltuner-Projekt wurde eingestellt oder Lautsprecher-Prototypen verschwanden im Regal.
Ihr lustigstes Erlebnis (bei Gerätetests, bei Kunden, bei Vorführungen usw.)?
Burmester: Eigentlich haben wir viel Freude bei der Arbeit, aber ein besonderer Fall dazu fällt mir gerade nicht ein.
Blindtests sind immer gefährlich. Kann es doch passieren, dass das gesamte technische Weltbild ins Wanken gerät. Ist Ihr Weltbild dabei schon einmal ins Wanken geraten?
Burmester: Nein. Alle Hörtests waren technisch nachvollziehbar. Weil vergleichende Hörtests eine sehr anstrengende Tätigkeit ist, bereiten wir sie sehr sorgfältig vor.
Voodoo-Verfahren oder -Gerätschaften haben keine Chance, wenn man nicht nur A-B oder B-A Vergleiche macht. Es ist erstaunlich, was man alles hören kann und wie schwierig es ist, diese Unterschiede technisch zu beschreiben.
Auch ein Dieter Burmester kocht nur mit Wasser. Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres Erfolges?
Burmester: Ganz einfach: Selbstkritik und Fleiß!
Wie schätzen Sie den derzeitigen Markt und das Käuferverhalten bezüglich HiFi und „Geiz-ist-geil» ein? Wo liegen Ihrer Meinung nach die Chancen für kleinere Hersteller von HiFi-Verstärker?
Burmester: Für alle Dinge des täglichen Lebens gilt doch: Einmal richtig gekauft ist preiswerter als jedes Jahr neuen Schrott.
Dann hätte man mehr Chancen für das „teure» Made in Germany, bräuchte aber keine Elektroschrott-Verordnung für Geräte aus Asien. Werden unsere Euroland-Politiker das verstehen?
Herr Burmester, ich danke Ihnen für dieses Interview.