Röhrengleichrichter

Röhrengleichrichter und Röhrenverstärker – das gehört irgendwie zusammen. Was wäre eine 300B oder 2A3 Single-Ended ohne Röhrengleichrichter? Es scheint nicht anders zu gehen. Geht zwar (besser), dann ist man eben auch stigmatisiert.

Im Folgenden wird versucht, es besonders für „Technik-Laien» verständlich zu halten. Ganz „mit ohne» Esoterik.

Wenn in einer Schaltung ein Röhrengleichrichter verwendet wird, handelt es sich in 99% aller Fälle um einen Zweiwegegleichrichter. Ob nun mit Röhre oder Halbleiter: Hier ist ganz gut beschrieben (inkl. „Animation») was da abläuft.

Röhrengleichrichter-Grundschaltungen

Es gibt prinzipiell nur zwei Grundschaltungen: Einmal „Condenser loaded» (nachgeschalteter Kondensator) und „Choke loaded» (nachgeschaltete Drossel).

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Bei vielen Röhrengleichrichtern hat man die Wahl, welche Grundschaltung verwendet werden soll. In der Mehrzahl aller Fälle, wird man aber die Schaltung „Condenser loaded» finden.

Ich benutze den englischen Begriff, weil man das in den Datenblättern findet und es keine sinnvolle deutsche Übersetzung zu geben scheint.

Der Kondensator direkt nach dem Gleichrichter wird Ladekondensator genannt. Danach kommt oft eine Drossel, seltener ein Widerstand und dann abermals ein Kondensator. Das ist der eigentliche Siebkondensator. Auffällig ist, dass dieser Kondensator eine deutlich höhere Kapazität aufweist, als der Ladekondensator. Wenn man nicht gerade übertreibt, ist das auch in Ordnung.

Damals war’s

Früher gab es noch keine hochkapazitiven Kondensatoren. Da waren »popelige« 50µF schon sehr viel. Und sehr teuer. Von 500µF und mehr wagte man noch nicht einmal zu träumen. Spulen bzw. Drosseln dagegen waren wesentlich billiger und – im nachhinein betrachtet – auch effektiver als der reine Kondensatoreinsatz.

Die Kondensator-Bauform »Elko« (Elektrolytkondensator) die erst grosse Kapazitäten mit geringen Ausmaßen ermöglichte, gab es zunächst auch noch nicht. Man könnte die damals üblichen Ölkondensatoren als Vorläufer von modernen Elkos bezeichnen. Die ersten bezahlbaren Elkos kamen übrigens erst ab etwa 1935 auf den Markt. Grosse Kapazitäten wiesen die aber auch noch nicht auf.

Man war also gezwungen, mit geringen Kapazitäten auszukommen. Sicher, die Verstärker haben alle etwas gebrummt. Mit gekonntem Aufbau und „Tricks» konnte man das aber auf ein erträgliches Maß drücken.

Mit Röhrengleichrichter hat dieser Rückblick insofern etwas zu tun, als das man gar nicht auf die Idee gekommen ist, zuviel Kapazitäten einzusetzen. Auf diese (Schnaps-) Idee kam man erst sehr viel später.

Röhre vs. Halbleiter

Zwei Wald-und-Wiese Dioden vom Typ 1N4007 ist den üblichen Röhrengleichrichtern haushoch überlegen. Nahezu alles, was dem Röhrengleichrichter als positive Eigenschaft angedichtet wird, ist mindestens ein bisschen übertrieben…

Wenn man von Röhrengleichrichter für den Einsatz in Verstärker spricht, dann muss man auch das gesamte Netzteil betrachten. Die Gleichrichterröhre isoliert zu betrachten – das funktioniert nicht. Ein »ordentliches« Netzteil fällt hier dadurch auf, dass keine »dicken« Kapazitäten verwendet werden und man meistens noch eine Drossel findet.

Das mit den Kapazitäten ist so eine Sache. Schweifen wir mal etwas ab. Schnöde Physik: In Röhrenverstärkern fliessen hohe Spannungen mit geringen Strömen. Je höher die Spannung, desto geringer der Strom. Und – je niedriger der Strom, desto geringer die Siebkapazitäten, die man einsetzen muss.

In Halbleiterverstärker findet man genau umgekehrte Verhältnisse. Das mag vielleicht der Grund sein, warum man dies in jüngster Vergangenheit auf die Röhrentechnik zu übertragen versucht(e).

„Grosse» Kapazitäten

Ja, sie »stabilisieren« bzw. »sieben« zwar hervorragend, haben aber einen Nachteil: Sie brauchen länger, bis sie aufgeladen sind, um als Energiespeicher dienen zu können. Das macht den Verstärker aber »gefühlt langsam«. »Kleine« Kapazitäten sind zwar schnell aufgeladen, aber eben auch schnell entladen.

Und noch ein winziges Detail: „Grosse» Kapazitäten ziehen beim Ladevorgang ordentlich Strom. Oft ein Vielfaches von dem, was der Verstärker tatsächlich benötigt. Röhrengleichrichter sind da meist schon überfordert, während der Kollege von der Halbleiterfraktion das nahezu spielend bewältigt.

Die Verfügbarkeit von Röhrengleichrichtern die beispielsweise zwei Ampere (oder mehr) hinstellen können, sind dünn gesät. Die wären aber nötig, eine „dicke» Kapazität schnell aufladen zu können.

Die Folge davon: Die Kapazität wird nicht richtig aufgeladen, die Restwelligkeit der Gleichspannung wird daher auch nicht „geglättet». Ergo: Brummen. Das passiert übrigens auch bei der Halbleiterfraktion, wenn man es mit den Kapazitäten übertreibt.

Und da wäre die Sache mit dem „Wirkungsgrad». Der ist nämlich beim Röhrengleichrichter sehr mau. Man muss schon etwas mehr an Spannung hineinstecken, als man hinterher heraus bekommen will.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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