Ave SRPP!

Seit Hiraga Anzai-San 1969 die SRPP-Schaltung für HiFi entdeckte, hat SRPP andere, auch bessere, Schaltungsarten – ob mit Pentode oder Triode – nahezu komplett aus dem Bastler-Gedächtnis gestrichen. Scha(n)de. SRPP – keine andere Röhrenschaltung wird industriell so oft eingesetzt, so oft kontrovers diskutiert, wie diese Röhrenschaltung. Und bei keiner anderen Schaltung kann man so viel falsch machen.

Dieser Artikel ist die überarbeitete Version aus dem Jahre 2006 meiner alten Website und ist kein Versuch, SRPP „neu zu erfinden». Es ist lediglich eine Erklärung bzw. Zusammenfassung, was SRPP überhaupt ist und was man alles so falsch macht, bei SRPP. Vor allem richtet er sich an die technisch interessierten Laien.

„Damals» waren (weiterführende) Informationen zu diesem Thema noch dünn gesät. Das hat sich mittlerweile enorm gebessert.

Leider sind viele (brauchbare) Artikel aber auch arg technisch verquastet, zu 98% auch noch in Englisch und es kommt immer wieder vor, dass man sich hier im Eifer des Gefechts verhaspelt, was übrigens entschuldbar ist, denn SRPP ist – so einfach diese Schaltung auch aussieht – weit davon entfernt, als „einfach» durchzugehen. Die Berechnungs-Orgie zeigt das eindrucksvoll.

Doch wofür steht SRPP?

SRPP steht für Shunt Regulated Push-Pull. Das kann man relativ einfach und unfallfrei direkt ins Deutsche übersetzen: Widerstandgesteuerter Gegentakt(verstärker). Heisst „übersetzt»: Für die Gleichspannung liegen die Röhrensysteme seriell – das obere Röhrensystem arbeitet quasi als Stromquelle (Shunt Regulated), für Wechselspannung (Signal) jedoch parallel (Push-Pull). Das mit dem Push-Pull ist nicht so einfach ersichtlich. Mit der folgenden Darstellung wird’s vielleicht etwas deutlicher:

srpp_01

SRPP: Timeo danaos et dona ferentes

SRPP ist mit einem niedrigen Ausgangswiderstand behaftet der es einem auch erlaubt, den SRPP-Vorverstärker mit Klingeldraht an die, in 10m entfernte, Endstufe anzuschliessen. Die Verstärkung ist, gemessen am Bauteilaufwand, gewaltig – in etwa vergleichbar einer Pentode (zB EF86). Die röhrenuntypische geringe Ausgangsimpedanz ist zudem in der Lage, problemlos die schwierigste Endstufe korrekt anzusteuern. Selbst an einem niederohmigen Kopfhörer kann die Leistung Tinnitusqualität erreichen (Pegel von über 20 Volt? Kein Problem!).

Zudem ist SRPP für eine Röhrenschaltung sehr klangneutral (fast schon frigide). Nix mit klangfördernde Oberwellen wie k2 oder k3, gemeinhin auch als Klirrfaktor bezeichnet und stellt deshalb dem über allem schwebenden HighEnder das Ideal eines Verstärkers dar: Ein idealer Verstärker soll sich ja nur als ein Stück Draht verhalten. Quasi das Perpetuum mobile in der HiFi-Szene…

Die Bandbreite (Frequenzgang) ist saugeil: Von Infra- bis Ultraschall ist alles drin (lediglich begrenzt durch einen immer irgendwie einzusetzenden Kondensator). Dabei bleibt der Frequenzgang schnurgerade und hebt damit nun endgültig die SRPP in die elitäre HighEnd-Platin-Klasse.

Und – ganz wichtig – SRPP ist an Symmetrie kaum noch zu übertreffen. Das die Schaltung dabei noch kinderleicht und augenscheinlich spottbillig aufzubauen ist, ist das Sahnehäubchen.

Ergo ist SRPP gut. Egal ob als Pre-Pre (Phono-Vorverstärker), Pre (Line-Vorverstärker) oder als Treiber für Leistungsröhren in Endstufen (quasi als Pentodenersatz). Schwierigkeiten gibt es eigentlich nur bei der Beschaffung von induktionsfreien Silberdrahtwiderständen und Kondensatoren mit ionisierten Plasmadielektrikum aus Himalaya-Kugelblitzen, damit es auch wirklich nicht klingt oder rauscht.

So. Damit habe ich nun alle Vorteile aufgezählt, die eine SRPP-Verstärkerschaltung so mit sich bringt. Aus Gründen der Ausgewogenheit, die (auch) aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz resultieren, schiebe ich sofort ein paar Negativmerkmale hinterher.

SRPP ist nichts für den schnellen Einsatz und will erzogen (sprich, auf den jeweiligen Einsatz optimiert) werden. Nur selten stimmen die Schaltungsvarianten mit der bereits vorhandenen Signalquelle- Endverstärker- oder Lautsprecherkombination überein.

Entweder es verstärkt zu hoch – oder zu niedrig. Entweder die Ausgangsimpedanz stimmt – oder nicht. Entweder die Röhre arbeitet im Arbeitspunkt – oder nicht. Und eine klitzekleine Fehlanpassung lässt die highendige SRPP zum Rauschgenerator werden. Nicht zuletzt hat man auch mit einer zwangsläufigen thermischen Drift zu kämpfen.

Und als ob das nicht genug wäre: Irgendwann pfeift die SRPP aus dem letzten Loch und damit auf die guten Eigenschaften. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Also, entweder man ist bekennender SRPP-Freak mit Hang zur Selbstkasteiung – oder nicht.

Mir persönlich sind das ein paar »Optimierungsansätze« zuviel. Bei soviel Entweder-Oder bleibt nur ein Urteil:

SRPP ist Scheisse!

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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