Welchen Röhrenverstärker…

„…können Sie mir empfehlen?» oder „Taugt der Röhrenverstärker von ’Dingsbums‘ etwas?» Noch besser: „Auf ’iBa‘ gibts einen 50W-Verstärker für 400 Ocken. Kann ich den kaufen?»

Solche und ähnliche Fragen soll ich regelmäßig beantworten, obwohl ich eigentlich nicht beraten will bzw. kann. Trotzdem tue ich es manchmal und dann ist der Ratsuchende verwundert, weil ich keinen speziellen Verstärker direkt „empfehle». Das hat weniger „wettbewerbsrechtliche» Gründe (bitte die Anführungszeichen beachten), sondern liegt meist an den monetären Mitteln, die der Ratsuchende gedenkt auszugeben und ob wenigstens etwas „Kenne» in der Röhrentechnik vorliegt. Nein, Sie müssen für den Betrieb von Röhrenverstärker kein Techniker sein – so etwas verlangt gar keiner. Aber etwas „Kenne» von der Materie täte gut. Wenn Sie ein Auto kaufen wollen, dann informieren Sie sich ja auch vorher, oder?

Augen auf, beim Röhrenverstärkerkauf!

Teure Röhrenverstärkers sind nicht immer per se gut. Wobei teuer relativ ist. Für den einen sind 500 Euro schon viel (zu viel), bei dem anderen liegt die Schmerzgrenze bei 3000 Euro. Ob der Preis gerechtfertigt ist, weiss man leider erst hinterher. Aber ein paar Tipps können helfen, nicht sofort auf Blender hereinzufallen.

Tätowieren Sie sich den Spruch Wer billig kauft, kauft zweimal hinter die Ohren. Obwohl der Spruch auf eine Bartwickelmaschine gehört: Da ist was wahres dran und ist aktueller denn je.

Auch wenn die Röhrentechnik ein ganz alter Hut ist – das bedeutet nicht, dass diese Technik billig zu sein hat. „iBa-Schnäppchen» (vorzugsweise dort), deutlich unter 1000 Euro, für einen neuen Verstärker sind immer mit Vorsicht zu geniessen. Pendelt sich der Preis um oder unter 500 Euro (inklusive Versand und Zoll) ein, wird man, trotz Warnung, meistens unvorsichtig. „Klar kannste den Verstärker kaufen», antworte ich immer, wenn ich auf so etwas angesprochen werde, „…Du brauchst lediglich eine Vertragsverlängerung mit deinem Schutzengel…». Nein, leider kein Scherz.

Ich hatte in den letzten Jahren durchaus ein paar Verstärker zum „tunen» hier, bei denen ich mich geweigert habe, diese anfangs überhaupt einzuschalten, um zu hören, wo es hapert. Da haben sich die „Hersteller» selber nicht mehr getraut, ein CE-Zeichen anzubringen. Bestimmte Verstärkermodelle fasse ich deshalb nicht mehr an. Also, „superschöne» Röhrenverstärker ohne CE-Zeichen heisst zunächst: Giftig! Finger weg! Einen südamerikanischen Pfeilgiftfrosch wollen Sie schliesslich auch nicht wirklich anfassen…

Fundsachen u.a.: Ein Niedervolt-Drehschalter aus Metall der als Netzschalter umgefrickelt war – keine Isolierung, nichts… hauchdünnes Kabelzeugs… „deaktivierter» Schutzleiteranschluss… blanke, an Hochspannung liegende Drähte…

Das CE-Zeichen ist aber kein Garant! Nichts ist leichter, als mal eben das CE-Zeichen auf’s Gehäuse zu pappen und das Gerät ins ferne Europa zu exportieren. Einigen Händlern in Hongkong interessiert Ihre Gesundheit einen feuchten Kehricht! Der TüV reagiert da leider etwas „behäbig» und in diesen Fällen nur auf Zuruf. Ich kenne Verstärker, wo ich mich frage, wie so etwas überhaupt ins Land kommen kann. Lichterketten, ohne deutsche Bedienungsanleitung, werden schneller aus dem Verkehr gezogen.

Seit der weltweiten Wirtschaftskrise versucht man beim Verstärkerbau zu sparen, wo es nur geht (da ist man wirklich sehr kreativ). Wenn man bei einem Bauteil zwei Cent einsparen kann, dann kommt bei einer Losgröße von 10.000 ein hübsches Sümmchen zusammen. Nur für ein Bauteil. Im kleinen kennt das jeder „Röhrenbastler» auch: Hat man vor ein paar Jahren für ein Bauteil 1 Euro bezahlt, muss man heute, für das gleiche Bauteil in der gleichen Qualität, 5 Euro bezahlen. Es gab während des Finanzdebakels eine Zeit, da hätte man z.B. für Kondensatoren „Tagespreise» ausrufen können.

Überhaupt: Serienkonstanz, gerade bei Importmodellen, gibt es kaum bis gar nicht. Manchmal habe ich den Verdacht, dass Überproduktionen „beseitigt» werden sollen. Das gleiche Verstärkermodell, zwei Jahre später, kann schon mal mit komplett anderen Bauteilen bestückt sein. Den Verstärkerherstellern trifft da nicht immer die Schuld – manchmal werden Bauteile auch abgekündigt.

Das Gewicht (richtig gelesen) ist auch so eine Sache. Ein 40 oder gar 50 Watt Stereo-Röhrenverstärker, der noch nicht einmal 15 Kilo auf die Waage bringt, kann nichts sein. Egal wie WAF-kompatibel der Verstärker aussieht. Auf den schönen Bildern sehen Sie nämlich eins nicht: Übertrager. Die Gewichtsreduzierung kann man nämlich nur erreichen, wenn man Übertrager einsetzt, die man früher in Röhrenradios verbaute. 20 oder 30 Watt bei knapp 10 Kilo? Da stimmt was nicht.

Tests & Beratung

Die Artikel in diversen „Fachzeitschriften» sind (meiner Meinung nach) wenig hilfreich. Da ist die Quintessens nämlich: Alles gut. Man findet kaum ein ehrliches Wort und wenn doch, dann ist das so verschwurbelt, dass man eigentlich „Wahrheitstags» setzen müsste, um das zu erkennen. Und um Diagramme bzw. Frequenzverläufe richtig interpretieren zu können, muss man „Kenne» haben. Etwas, was der technische Laie nämlich nicht hat. Mir sagen z.B, die „Wasserfall-Diagramme» bei Lautsprechern gar nichts. Bei manchen Verstärkern frage ich mich, ob der Verstärker wirklich jemals in den Redaktionsräumen eingeschaltet wurde.

Es gibt Redakteure, die über technisches Know-How verfügen, einen Widerstand von einen Kondensator unterscheiden können. Die könnten auf den ersten Blick sehen, ob da was nicht ganz koscher ist. Nur schreiben dürfen die es nicht. Manchmal schreibt man auch besser nichts. Das wiederum hilft den Ratsuchenden aber auch nicht weiter und fällt vielleicht auf einen Blender herein. (Memo an mich: Den Audioromy-Artikel einstellen!)

Als „Ausgleich» findet sich in diversen Foren oftmals ein Bericht, der näher an die Wahrheit dran ist. Leider sehr subjektiv bis hin zu schlichter Schmähung. Man findet allerdings auch „nackte Jubelberichte», was zu besonderer Skepsis führen sollte. Klappern gehört zum Handwerk, vollkommen Ok. Je lauter aber das Geklapper, desto vorsichtiger sollte man sein.

Probehören? Das ist so eine Sache. Wie will man „Schaltungsfehler» oder „Unzulänglichkeiten» hören können? Wenn Sie einen Röhrenverstärker kaufen wollen, müssten Sie eigentlich, so meine persönliche Einschätzung, ein paar Messgeräte mit herumschleppen. Alternativ einen Techniker der sich den Verstärker vor Ort einmal genauer anschaut.

Auch wenn Sie ein Liebhaber der eher leisen Töne sind – ob ein Röhrenverstärker (Verstärker im allgemeinen) leistungsmäßig etwas taugt, finden Sie mit simpler Lautstärke heraus! Stecken Sie sich Ohropax in den Ohren und drehen Sie im Laden den Verstärker ruhig mal bis zum Anschlag auf und jagen die Kodo-Trommler durchs Vakuum. Das muss der Verstärker abkönnen. Haben Sie das Gefühl, dass der Verstärker einen eingebauten „Tempomat» hat (anstatt Bums plöppt’s), die annoncierten 40 Watt sich wie 20 Watt anhören, oder Rauch aufsteigt, dann haben Sie einen Verstärker vor sich, den Sie nicht kaufen wollen. Hören Sie ruhig mal mit einem Halbleiterverstärker gegen. Es gibt durchaus Verstärker, die Watt ab Werk nur theoretisch bringen können. Hierfür kann es nur zwei Gründe geben: Man verbaut das falsche aber billigere Bauteil, oder der Hersteller hat keinen Plan.

Das Verkaufspersonal (manchmal auch Berater genannt) von einigen HiFi-Läden hat oftmals von Röhrentechnik keine Ahnung. Denen geht es nur um Umsatz. Verkaufen ist eine Sache, den Kunden aber richtig zu beraten, eine ganz andere. Ich erlebe es sehr oft, dass Besitzer von Gegentaktern gar nicht wissen, dass man bei einem Röhrenverstärker ein Auge auf den Ruhestrom zu werfen hat. Und es kommt viel zu häufig vor, dass dem Kunden einfach ein Gerät aufgeschwatzt wird, ohne zumindest bei Übergabe die Ruhestromwerte zu kontrollieren und evtl. nachzustellen. Theoretisch müsste ein guter Verkäufer dem Kunden zu (fast) jedem Röhrenverstärker ein simples Messgerät dazugeben. Das kann die Marge vertragen. Wenn der Verkäufer dann noch dem Kunden erklärt, was es da misst und wo er was einzustellen hat – perfekt. Habe ich allerdings so noch nicht erlebt. Da ist so mancher (hiesiger) Direktvertrieb ehrlicher.

Noch einmal: Bevor gekauft wird, lassen Sie sich beraten, hören Sie sich um. Eine objektive Zweit- oder Drittmeinung wäre nicht schlecht. Wenn Sie das alles beachten, dann stehen die Chancen gut, nicht auf einen Blender hereinzufallen. Ach? Sie wollen einen Röhrenverstärker selber zusammenbauen? Na dann…

… gilt prinzipiell das Gleiche. Es gibt keinen vernünftigen Röhrenbausatz für knapp 500 Euro. Und ein Röhrenverstärker ist – auch wenn Platine benutzt wird – nicht „mal eben» in zwei Stunden aufgebaut.


Update 27.01.2015
Das mit dem Audioromy-Artikel lasse ich sein. Kein CE-Zeichen, keine Mülltonne – nichts. Das „Gerät» läuft bei mir unter „No risk, no fun». Ich fasse das Teil nicht mehr an.

Bezüglich weitergehende Infos zu einem anderen Röhrenverstärker (für 500 Euro bei einem deutschen Händler geschossen) setzte ich mich mit dem Vertrieb / Händler in Verbindung und bekam prompt ein Déjà-vu serviert. Nun bin ich erst recht stutzig.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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