Audiokabel sind ein notwendiges „Übel», um die Komponenten einer Wiedergabekette zu verbinden. Neben Röhren sind Audiokabel ein ideales Betätigungsfeld für HiFi-Schamanen. In keinem anderen HiFi-Bereich wird soviel Geld verdient, wie mit dem „Kabelklang». Klangschälchen ausgenommen.
Man liest es ja oft: Das eine Kabel „klingt», das andere Kabel nicht. Da ist die Rede von breiterer Stereobühne, seidigen Höhen und das plötzlich irgendwelche Instrumente weiter nach vorne gerückt werden…
Ich will das nicht als sinnbefreiten Quatsch abtun. Ein Fünkchen Wahrheit ist dabei.
Aber die Wahrheit ist eine andere!
Warnung!
Jetzt kommt etwas Physik.
Nackte, unverdünnte, Physik.
Sollten Sie zu Selbstsuggestion neigen oder einen Hang zum Sammeln von „Klingklang-Devotionalien» haben, klicken Sie einfach weg.
Kabelklang physikalisch
Jedes Kabel (wirklich jedes) besitzt ein paar Eigenschaften, die entweder gut oder weniger gut sind. Ob es gut oder weniger gut wird, hängt vom Einsatzgebiet ab. Genauer: Hochfrequenz- oder Niederfrequenz-Bereich. Die Audiotechnik (egal ob Studio, HiFi oder High-End) ist der niederfrequente Bereich. Hier gelten andere Gesetze als in der Hochfrequenz. Oder umgekehrt. Das ist so.
Die Eigenschaften eines Kabel drücken sich in pysikalischen Größen aus, als da wären:
- Der Leitungswiderstand…
… wird in Ohm (Ω) angegeben. Der Leitungswiderstand ist, selbst beim billigsten Audiokabel, mit herkömmlichen Messgeräten, nicht erfassbar. Der Widerstandswert beträgt ganz wenige Milliohm. Dieser Widerstand spielt für die Audiotechnik kaum eine Rolle. Sauerstofffreies Kupfer klingt toll, bringt aber nicht wirklich etwas. Derartiges Kupfer besitzt lediglich ein um ein paar Prozentpunkte niedrigeren Leitungswiderstand als „normales» Kupfer.
- Die Leitungsinduktivität…
… hat nur eine akademische Bedeutung. Gerade in der HiFi-Audiotechnik. Im Bild unten als XL gekennzeichnet.
- Die Leitungsimpedanz…
… heisst eigentlich Wellenwiderstand und wird in Ohm (Ω) angegeben. Die Leitungsimpedanz spielt im Audiobereich eine eher untergeordnete Rolle, wird aber in der Hochfrequenztechnik wichtig. In der Audiotechnik besitzt die alleinige Nennung des Wellenwiderstands bzw. der Leitungsimpedanz nur einen Marketing-Effekt. Im Bild unten als R bezeichnet.
- Die Leitungskapazität…
… ist schon wesentlich interessanter und wird in Pikofarad (pF) angegeben! Die Kabelkapazität ist für alle Frequenzbereiche ein wichtiger Kennwert. In der Praxis entscheidet die Kabelkapazität über den Klang oder „Nicht-Klang». Im Bild unten als XC gekennzeichnet.
Die Kapazität „entsteht», vereinfacht ausgedrückt, durch die „Verbindung» vom isolierten Innenleiter zum Aussenleiter (Masseschirm). Die Isolation „wirkt» als Dielektrikum – prinzipiell hat man mit einem abgeschirmten Kabel immer einen kleinen Kondensator.
Anhand des Ersatzschaltbildes werden diese Zusammenhänge deutlich:
Bildquelle: Singer-Net
Aus technischer Sicht handelt man sich mit der Kabelkapazität und dem Wellenwiderstand immer einen Tiefpass ein. Laienhaft ausgedrückt bedeutet dies, dass hohe Frequenzen umso stärker abgeschwächt werden, je „stärker» der Tiefpass ist. Entscheidend für die „Stärke» des Tiefpasses ist – in der Audiotechnik – eben die Kabelkapazität. Und (fast) nur die. Die Ausgangsimpedanzen des (beispielsweise) CD-Players und die Eingangsimpedanz des Verstärkers spielen natürlich auch noch eine Rolle. Das hat in der heutigen Zeit aber eher einen akademischen Charackter.
Je höher aber der zu übertragende Pegel, desto geringere Auswirkung hat die Kabelkapazität. So mancher CD-Player könnte mit verdrilltem Klingeldraht an einen Verstärker angeschlossen werden, ohne das es zu klanglichen Einbußen kommen würde. Das tut man jedoch nicht, weil man dafür verhauen werden kann.
Gutes Audiokabel ohne HaiEnd-Glitter
Nun könnte man annehmen, dass ein Kabel ohne Kapazität das ideale Kabel wäre. Abgesehen davon, dass es kein ideales Kabel gibt, ist ein gewisses Maß an Kapazität erwünscht und manchmal auch gewollt, zB. im empfindlichen Phono-Bereich.
Ein baumarktübliches Kabel mit dem Wert von etwa 55pF (und 50Ω Impedanz) pro Meter wäre als Audiokabel fast schon ideal. „Nicht ganz so gut» aber immer noch sehr gut brauchbar: knapp 70pF (75Ω) pro Meter. Die Länge von über einem Meter und mehr kommt bei der „Verstöpselung» übrigens schneller zusammen, als gedacht. Der Strassenpreis für das erstgenannte Kabel: etwa 250 Euro. Pro 100 Meter! Offizielle Bezeichnung: RG-59. Rufname: Antennen- bzw. Sat-Kabel oder Koaxkabel (gibt’s auch als Ethernet-Kabel, dann heisst es RG-58). Nachteilig nur, dass so ein Koaxkabel ziemlich unflexibel (4mm Ø) ist und auch nicht so schön aussieht. Dafür aber Preis-Wert.
Ein anderes, ähnliches Kabel mit lediglich 63pF Kapazität (75Ω Impedanz) ist wesentlich dünner (etwa 2,5mm Ø), aber dafür auch flexibler. Hat einen versilberten Innenleiter und „nur» eine einfache (meist versilberte) Schirmung. Das Kabel scheint aber so gut zu sein, dass die Elektrotechniker vom Militär dieses Kabel nahezu in allen Bereichen einsetzen (Normung nach MIL-C 17F). Ein Meter für roundabout „fünef» Euro. Nennt sich RG-179. Kann man auch gut im Röhrenverstärker einsetzen… Nachteil: Es ist, rein optisch gesehen, wirklich nicht der Bringer…
Nachtrag: Die Versilberung der Kupferadern hat für die NF-Technik eigentlich kaum eine Auswirkung! Sie wird, bedingt durch den Skin-Effekt, für die HF-Technik interessant. Skin-Effekt ganz einfach erklärt: Je höher die Frequenz, mit der die Elektronen durch den Leiter „geschossen» werden, desto mehr drängen sie an den äusseren Rand des Leiters. In der Leitungsmitte findet dann so gut wie kein Elektronenfluss statt (deshalb gibt es ja auch spezielle Hohlleiter).
Naja, und da sind die Oszilloskop-Messtrippen. Flexibel, schwarz aber leider für High-End auch zu dünn. Dafür klasse abgeschirmt. Selbst die billigste Strippe mit BNC-Stecker für knapp 10 Euro ist für den Audiobereich besser geeignet, als so manches „audiophile» Kabel mit Glitzereffekt und Laufrichtungsanzeige…
Zum Vergleich die billigen Beipackstrippen und so manches „HighEnd-Kabel»: etwa 40Ω bis 80Ω Wellenwiderstand (Impedanz – Werbewirksam stark hervorgehoben) und eine Kapazität von (teilweise weit) über 120pF. Pro Meter. Was man dann besser verschweigt. Wie war das noch? Was für HF, Video oder Militärkram gut ist, kann für NF eigentlich doch auch sehr gut brauchbar sein, oder?
Natürlich gibt es auch gutes Audio-Kabel. Bei einem kurzen Schnell-Check stellte ich jedoch fest, dass, sobald der dreistellige Euro-Zahlenbereich (!) ausgerufen wird, die Impedanz- und/oder Kapazitätsangaben unterschlagen werden… Bestenfalls wird die Impedanz bzw. der Wellenwiderstand genannt – und dieser Wert (allein) ist nahezu unbrauchbar. Bei dem Schnell-Check fand ich zwei Anbieter (von zehn), die die technischen Daten eines Kabels mitlieferten und die zudem auch noch richtig informierten! Ein Meter inkl. Cinch-Stecker für fünfzig bzw. siebzig Euro. Kapazität beim 50-Euro Kabel: 45pF, beim 70-Euro Kabel 65pF pro Meter.
Hier muss ich die Preisgestaltung relativieren: Fix und fertig konfektionierte Kabel, also mit Cinch (bzw. RCA) „Stöpselmaterial» kosten natürlich. Das Kabel an sich macht den Preis nicht fett, wohl aber das „Stöpselmaterial». Da klappt selbst dem pragmatischen Fachmann die Kinnlade herunter… Mit etwa „fünef» Euro muss man rechnen. Pro Cinch- bzw. RCA-Stecker. Dazu kommt natürlich, dass der Handel bzw. Hersteller kein Wohltätigkeitsverein ist. Aber 300 Euro für ein Kabel mit High-Tech Isolierung?
So manches sauteure Audio-Kabel (ein Premium-Kabel hat garantiert auch einen Premium-Preis) ist nur ein extrem hübsch verkleidetes, schlichtes, Koaxkabel. Das Material der Aussenisolierung liest sich dabei wie aus dem hightech Chemie-Laborbuch. Da ist die Rede von Polymer, Carbonfasern, OFC und was-weiss-ich… Zwangsläufig wird dieses aufgehübschte Kabel dann dicker, was natürlich sofort High-Endiger wirkt und demzufolge auch teuerer sein muss. Das, was aber die elektrischen Signale weiterleitet, ist jedoch genauso dünn geblieben…
Ich kann und werde Sie nicht daran hindern, sich dem 300 Euro 1,5m-Kabel zuzuwenden. Wenn Sie es für die Optik und dem Seelenheil benötigen – bitte. Achten Sie dann aber bitte auch auf die „Laufrichtungsanzeige» – sonst klingt es womöglich nicht… Das ist natürlich Quatsch, die Sache mit der „Laufrichtungsanzeige». Müsste das tatsächlich beachtet werden, wäre das Kabel eine Diode… Das NF-Signal ist Wechselspannung. Um die Wirkung einer Diode zu hören, schalten Sie einfach eine Diode im Signalweg. Polung ist egal. Eine Leuchtdiode tut es auch. Sieht nur hübscher aus. Danach sind Sie garantiert von jedem Laufrichtungs-Gedöns geheilt.
Wenn Sie allerdings ein schlichtes Koaxkabel optisch zu High-End aufwerten wollen, dann hilft schicker, handelsüblicher, Geflechtschlauch. Pro Meter für „zwo» Euro.
OK, lassen wir das. Sie können sich nun auf jedenfall denken, wie ich zuhause verkabele… Zur Markierung des rechten und linken Kanals nutze ich simple Schrumpfschlauchtülle… Ich bin deswegen mal angeraunzt worden: „Wie kann man damit denn Musik hören? Unmöglich!». Ich habe dem verblendeten High-Ender dann mal eine 2m-Strippe zum testen überlassen mit dem Erfolg, dass nach einer Woche die komplette Wiedergabekette mit diesen „unmöglichen» Kabeln ausgestattet werden musste.
02.08.2015: Stellvertretend für die doch beachtliche Anzahl an Mail-Zuschriften
Nun muss auch ich mich mal wieder zu Wort melden. Ich habe Ihren Artikel „Audiokabel» gelesen und kann Ihnen nur zustimmen. Ich habe mich fast geschämt, wenn ich bei Vergleichen keinen Unterschied bzw. keine Verbesserung von dem Einen zum Anderen Kabel hören konnte. Abgesehen davon hatte ich schon Angst um meine Hörfähigkeit, denn alle anderen Anwesenden Mithörer nickten beifällig und attestierten dem neuen Superkabel die abenteuerlichsten Klangverbesserungen in blumigen Worten.
Nur der [Mailschreiber] hat das nicht gehört / nicht so empfunden. Danke für diesen Artikel. Was mich aber noch mehr auf die Palme bringt, sind die wundersamen Klang verbessernden Eigenschaften von diversen Netzkabeln, -steckern, -verteilern und -dosen. Das will mir weder in den Kopf noch ins Ohr.
Ok, ich bin noch dabei wenn für abgeschirmte Netzkabel (aber bitte Normalqualität) geworben wird, weil diese Abschirmung den Antennen Effekt des Kabels gegenüber schädlichen hochfrequenten Einstreuungen entgegen wirken sollen. Auch bei dem „Ausphasen» der Geräte und einem Netzfilter sage ich nicht nein, sind doch meine Kenntnisse auf diesem Gebiet eher rudimentär. Aber was zB. […] da mit seiner […] da so treibt und welche Preise da aufgerufen werden treibt mir dann schon die Schamröte ins Gesicht.
Auch ich verwende nicht die Beipackstrippen – ja auch aus optischen Gründen nicht. Mir gefallen – ich gebe es ja zu – auch die dicken mit Geflechtschlauch ummantelten „Gartenschläuche». Aber ich habe nie mehr als 50,-€/mtr für ein fertiges – mit guten Steckernversehenes Kabel ausgegeben. Mein teuerstes Kabel hat in der 3mtr Version (mit Steckern) 65,-€ gekostet.
[…]