Nun beginnt es wieder, das Schaulaufen der HiFi- und HighEnd-Branche. Zombiegleich pilgern Herrscharen von HighEnd-Süchtigen zu den ausgestellten Audio-Altären der Republik. In hoffnungsvoller Erwartung, dass irgendein Hersteller endlich die HighEnd-Problematik gelöst hat.
Problematik? Was’n für ’ne Problematik? Na, die Sache mit dem Klang. HiFi oder HighEnd darf ja nicht klingen. Und trotzdem redet selbst der Hardcore-HiFi-Typ vom Klang.
Dabei wissen alle, dass es eigentlich nichts Neues geben wird. Der Verstärker verstärkt, der CD-Player tastet mit Laser die eingebrannten Einser und Nuller ab, die Diamantnadel des Plattenspielers die ins Vinyl gepresste Furche und die Schallwandler machen aus Strom eben Schall. Nichts neues. Bis auf das unvermeitliche und zeitgeistige Bling-Bling.
Trotzdem pilgern sie willfährig zu den HiFi-Messen und HighEnd-Ausstellungen. Moment – so willfährig sind längst nicht alle Besucher. So mancher desillusionierter Audio-Freak besucht derartige HiFi-Messen nur um „zu sehen und gesehen zu werden». Andere Messe-Mussbesucher sind die „Schreiberlinge» diverser HiFi-Zeitschriften. Den Daheimgebliebenen versuchen sie mit Worten und schicken Hochglanzbilder weiszumachen, was es – ach so tolles – zu sehen und zu hören gab. Nichts dagegen. Das ist ihr Job.
Manchmal sind die Bilder aber etwas zu unge-schick-t. Beispielsweise, wenn über HiFi-Hotelmessen berichtet wird. Nichts gegen Hotelmessen. Von mir aus. Aber mal ehrlich: Wie will man in einem Hotelzimmer HiFi hören können? Sicher, auch in einem Hotelzimmer kann man hören…
Ein Hotelzimmer ist aber garantiert unter anderen Prämissen er- und eingerichtet worden. Der schwer entflammbare Teppichboden ist nicht nur relativ leicht zu reinigen, er schluckt auch jede Menge Schall. Die Vorhänge und Gardinen am Fenster ebenso. Und – besonders bei grossen Hotelketten – sorgt die Tapete an den Wänden (bzw. die Beschichtung) dafür, dass noch mehr Schall geschluckt wird. Eierkartons machen sich hier ja nicht ganz so gut. Das nächtliche Geschnarche soll schliesslich nicht aus dem Zimmer dringen und vom morgendlichen Getöse des Radioweckers soll der Zimmernachbar auch nichts mitbekommen. Allerdings – das, was in einem Hotel so aussieht wie Holz, ist vielfach nur ein nicht brennbares Imitat oder entsprechend behandelt. Aus akustischer Sicht ist das „Holz» eine Steinfliese. Wenn man es nicht weiss, merkt man das alles nicht. Soll man ja auch nicht.
Grosse Hotelketten haben auch kein Problem, mal eben eine Etage von „überflüssigen» Möbelstücken zu befreien. In Null-Komma-Nix werden Bettkästen, Schreibtische, Sessel und Bilder ausgeräumt. Übrig bleibt meist ein kahler Raum. Nur das Betten-Kopfteil mit den montierten Nachttischchen erinnert daran, dass hier mal ein Bett stand. Meist sind die Kopfteile noch „elektrifiziert», damit Radiowecker, Lampe und das Netzteil für’s Handy an das Stromnetz angeschlossen werden können. Aus technischer Sicht ist das eigentlich nur ein (sehr billiges) Verlängerungskabel. Nichts anderes.
Stellen Sie sich das bitte vor Ihrem geistigen Auge vor. Was jetzt kommt, ist Slapstick und wenn Sie glauben, ich übertreibe – dann bemühen Sie bitte selber die Bilder-Suchmaschine Ihrer Wahl.
Da wird nun im Hotelzimmer 0815 ein HighEnd-Setup installiert und verkabelt. Das Kabelgedöns ist garantiert vom Typ „Unterseekabel». Das viel zu lange Lautsprecherkabel wird 10-fach ringförmig „gekürzt» und hinter die Lautsprecher gelegt. Damit das Kabel besser zu Geltung kommt, werden ein paar Zentimeter – für den Besucher gut sichtbar – vom teppichbewehrten Fussboden entkoppelt. Das ebenfalls sehr monströse Netzkabel des Verstärkers wird auf kürzestem Wege in die nächstbeste Steckdose gesteckt. Äh… Falsch. Das würde der Besucher ja gar nicht sehen. Also muss das Netzkabel, an dessen Ende ein Netzstecker mit den Abmaßen eines Starkstromsteckers montiert wurde, „publikumswirksam» zu genau der Steckdose am Betten-Kopfteil geführt werden.
Aus rein elektrischer Sicht geht das ja in Ordnung. Genau die gleichen HiFi-Dompteure aber, die zur Steigerung der audiophilen Ekstase ein 10 Megawatt Heim-Kraftwerk nebst Statikgefärdetem Netzfilter und ionisiertes Plasmakabel mit Laufrichtungsanzeige vertickern wollen, genau die gleichen Typen präsentieren das zuvor genannte HighEnd-Setup. Hier, im Hotelzimmer, geht das vollkommen in Ordnung. Aber wehe, sie haben zuhause die HighEnd-Anlage genauso aufgebaut und verkabelt. Der Besuch eines „HaiEnd-Optimierers» bzw. „Physik-Exorzisten» ist Ihnen gewiss.
Übrigens: Das die Steckdose nicht aus dem „Holz» des Betten-Kopfteils herausbricht, ist manchmal kein Wunder sondern einkalkuliert. Nicht jeder Gast kann sich benehmen und es gibt leider auch Typen im Putzgeschwader, die den Netzstecker des Staubsaugers aus fünf Meter Entfernung und mit Schmackes herausziehen. Das muss die Steckdose bzw. das „Holz» aushalten.
Wie zuvor beschrieben, gilt für ein Hotelzimmer eher Lärmdämmung. Kommen noch mehr oder weniger viele Besucher hinzu, wird die Zimmerakustik, so sie nicht eh schon mieserabel war, gründlich versaut. Tendenziell wird es dumpf klingen. Mit (versteckten oder digitalen) Klangreglern oder Höhenanhebungsschalter am Lautsprecher kann man dem Höhenverlust etwas entgegen wirken. Noch intelligenter kann man das mit einem Laptop machen, der die musikalische Kost dem HighEnd-Verstärker zuführt. „Natürlich» ist der Laptop mit speziellen HighEnd Audio-Chips ausgestattet. „Natürlich» hat der Megahertz-Takt der CPU und des Datenflusses auch keine Auswirkung auf das Audio-Signal. I wo. Dass man am Laptop dann ganz unbemerkt und ungeniert das Audiosignal aufhübschen raumakustisch optimiert zur Anlage schickt, will der HighEnd-Pilger genauso wenig wahrhaben, wie der gut sichtbare Kabelsalat.
Erwartungsvoll sitzt man nun vor dem alles verheißenden HighEnd-Altar. Die in zwei Meter Entfernung aufgestellten Lautsprecher wirken bedrohlich. Die Unterseekabel, Lautsprecher und der 1000 Watt Verstärer (mit maximaler Leistungsaufnahme von 300 Watt) nötigen den Respekt ab, den sie zu verdienen glauben. Nun beginnt der HighEnd-Dompteur mit salbungsvollen Worten (Dreidimensionalität, Stereobühne, Auflösung, Losgelöst, Luftigkeit, Tiefenstaffelung, Plastizität…) sein gehirnwaschendes Werk und gibt dem Zuhörer den „Gnadenschuss». Dann wendet sich der Seelenverkäufer dem Laptop zu und startet – Klickediklacker – eine Audio-Datei. Öh… Nicht eine Audio-Datei, sondern die Audio-Datei von uns Ulla. Und als die ersten Noten aus dem Lautsprecher tröpfeln, wird man feststellen (sofern man noch alle Gehörnerven beieinander hat), dass…
… die HiFi-Anlage zuhause eigentlich gar nicht so schlecht ist. Vor allem ist es wohnlicher, ruhiger und die Luft sauberer (ich meine das genauso). Zuhause kann man, wenn der Verstärker es hergibt und die Nachbarn gerade nicht da sind, auch mal 20 Watt durch die Luft pusten und nicht nur gerade einmal fünf Watt im Zimmer oder zehn Watt in der Hotelsuite.
Damit wäre ich fast am Ende. Zu jedem guten Slapstick gehört aber eine herumfliegende Torte. Hier ist sie: Genau der gleiche Pilger, der zuhause das audiophiles Auditorium mit 10mm²-Netzkabel spannungsversorgt, bescheinigt der so aufgebauten HighEnd-Anlage „es so nie – so auflösend, so plastisch – gehört zu haben».
Natürlich gibt es auch „seriöse» Aussteller. Solche, die nur die Produkte zeigen. Eine Audio-Vorführung spielt eher eine sekundäre Rolle. Das sind die, aus deren Zimmer Deep Purple schallt. Oder Yello. Oder etwas von den Rolling Stones. Hey, da spielt die Musik. Da muss man hin. Da tobt die Pommes-Gabel. In den anderen Zimmern sieht man nur das: 40% der Zuhörer sitzen mit übereinandergeschlagenen Beinen, 30% mit verschränkten Armen und 29% der Zuhörer sitzen breitbeining in den Stühlen – entweder wie ein nasser Sack, nach vorne geneigt oder verkrampft aufrecht sitzend. In der Summe ernst blickende männliche Ohren. Wehe, es lacht einer. HighEnd ist schliesslich eine ernste Sache.
Das restliche Prozent, übrigens, verteilt sich auf weibliche Begleitung oder Ehefrau bzw. Freundin. Wobei ich die Frauen bewundere. Auch nach fünf Stunden – nahe am Tinnitus, mit wehen Füssen und mit malträtierten Geruchsnerven – wirken sie immer noch freundlich und interessiert. Im Kopf, als Dauerendlosschleife, sülzt Bourani „Es geht vorbei…».
– Friedrich Hunold –
PS: Ich hätte mir ja mal gewünscht, dass Peter Lustig (†) HiFi erklärt. Das wäre es ja mal gewesen. Aber Pusteblume. Jetzt hat er endgültig abgeschaltet.
Mach et jut.