Denn sie wissen nicht, was sie tun „2.0“

In „Ermangelung» eigener Fehler, will ich mal über’n Tellerand schauen und gucken, was anderswo so passiert. Und stosse da prompt auf dicke Böcke. Und was für welche… Ich dachte, meine Fehler sind schon einsame Spitze…

Gegeben ist ein Eintakter mit Ruhestromreglung. Als Endröhre eine direkt geheizte Triode. Der, mit Gleichspannung, durchflossene Heizfaden wird mit zwei Widerständen symmetriert (Symmetrierpoti macht hier ja kaum einen Sinn) und bilden dann die künstliche Kathode. Diese Kathode wird über einen Widerstand (aka Kathodenwiderstand) mit der Schaltungsmasse verbunden. Soweit so gut.

Wer misst, misst Mist

Es stellt sich heraus, dass der Besitzer ein technischer Laie (positiv ausgedrückt) ist, dem man noch helfen muss, den Regler zur Ruhestromreglung zu finden. So weit auch noch in Ordnung. Dann die Frage, wie man den Ruhestrom der direkt beheizten Triode ermittelt. Es gab genau zwei falsche Antworten. Die eine war, das man ein Amperemessgerät parallel zum Ausgangsübertrager anschliessen sollte und es gab den grössten Bullshit aller Zeiten. Letzteres als Skizze:

So wird jetzt bei direkt geheizten Trioden das BIAS gemessen

So wird jetzt bei direkt geheizten Trioden das BIAS gemessen

Es wurde dann tatsächlich nach der skizzierten Methode der Ruhestrom ermittelt. Hoffentlich dreht sich Marconi nicht im Grab um…
Die Symmetrierwiderstände liegen hier nicht parallel, sondern in Serie mit dem Widerstand des Heizfadens. Die Formel ist zwar richtig, der Widerstandswert jedoch falsch. Das Messergebnis ist also schlichtweg… Mist.

In der Eile des Gefechts passiert mir auch so mancher Lapsus oder auch „grober Unfug», aber warum das nicht widersprochen wurde, weiss ich nicht. Ich vermeide ja immer die „Lehrbuchkeule» herausholen, aber in diesem Fall war es schon eine Versuchung…

Röhrentausch. Aaargh! Nicht schon wieder!

Der Schwachsinn nimmt kein Ende. Neuerdings werde ich sogar per Mail gefragt, ob man bei einem bestimmten Verstärker (chinesischen Ursprungs) statt der EL34 oder KT88 nicht auch noch eine KT120 oder eine KT150 einsetzen kann. Na klar kann man. Mit Gewalt geht auch noch eine 300B in den Oktalsockel. Wirklich, Röhrendatenblätter werden total überbewertet.
Kopf meets Tischplatte.

Oder das (ebenfalls via Mail): Über einem gut beleumundeten EL34-Röhrenverstärker deutscher Herkunft würde in Foren (spätestens hier war ich soweit, die Mail zu löschen) gesagt, dass man hier auch KT88 einsetzen kann. Das hätte angeblich der Hersteller mal erwähnt. Konnte ich mir nicht vorstellen und habe dann mal beim Hersteller nachgefragt, ob die tatsächlich den Röhrentausch irgendwie erwähnt haben… Die Antwort umgangssprachlich übersetzt und extrem gekürzt: „Nein. Sind die bescheuert?»

Und dann gibt es noch Anfragen, bei denen ich mich suchend umschaue, um die versteckte Kamera zu entdecken.

Merke erstens: Mit „internet-ten» Tipps immer schön vorsichtig sein.

Fragwürdige Empfehlungen

Empfehlungen betrachte ich immer so als Richtungsweiser und nehme sie nicht als Datum. Meine „Empfehlungen» strotzen daher vor „könnte», „kann», „muss nicht». Nur ganz selten will ich das als Faktum verstanden wissen. Es ist nun keine zwei Tage her, da wollte mich jemand als „Berater» für einen Röhrenverstärkerkauf „anheuern». Also, für einen „Zug durch die Gemeinde» hätte ich mich evtl. bereit erklärt, aber „Hörsessions»? Nä…

Dann dieser Fall: Angeblich erkundigt sich ein unsicherer Verstärker-Kunde bei einem Redakteuer (!) einer Fachzeitschrift nach Röhrenverstärker. Der Redakteur soll ihm dann just den Verstärker empfohlen haben, den er in einem Testbericht für gut befunden hat. Angeblich.

Das wurde mir tatsächlich ganz freimütig genauso erzählt. Ich will ich mir das allerdings nicht vorstellen, weil der Redakteur sich da auf ein ganz gefährliches Terrain begeben würde und er wäre ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn er das tatsächlich machen würde. So doof kann keiner sein.

In einem anderen Fall besteht ein öffentlich dokumentiertes „Abhängigkeitsverhältnis» zwischen „Empfehler» und einem „Verstärkervertrieb». Der „Empfehler» empfiehlt natürlich die Verstärker eines ganz bestimmten Vertriebs, weil nur dieser Verstärker zur Verfügung steht. Andere Verstärker finden sich nicht! Kann man akzeptieren, sollte man aber nicht.

Und da fasse ich mich mal selber an die eigene Nase!
Bei Empfehlungen Hinweisen bin ich allerdings auch (nicht mehr) neutral. Von fünf möglichen Verstärker-Kandidaten „vergesse» ich neuerdings – aus bestimmten Gründen – regelmäßig einen Namen. Bleiben nur noch vier… 😉

Merke zweitens: Bei Empfehlungen immer darauf achten, inwieweit diese neutral sind.


 
Nein, ich will nicht mehr über den Tellerand schauen. Das tut weh und verdirbt die gute Laune.
Und damit wieder zurück zu meinen Fehlern…
Update, the day after: Das war ja klar! Da moniere ich die fehlerhafte Art und Weise beim Ermitteln des Ruhestroms und was mache ich? Lassen Sie sich überraschen…
Update 07.05.2014: Es ist wieder ruhiger und ehrlicher geworden. Sehr schön. Mit den ±Reaktionen auf diesem Artikel kann ich gut leben. Den Rest verkneife ich mir. 😉

 

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.