Segel streichen

„Versuch macht kluch», heisst es. Es gibt Dinge – auch in der Röhrentechnik – denen man sich nur experimentell nähern kann. Weil entweder keiner weiss, wie es gehen könnte oder weil die Erfahrung, die man in dieser Beziehung selber machen konnte, eher als übersichtlich zu bezeichnen ist.

Das Versuchsumfeld ist diesmal ein China-Gegentaktverstärker der neue – aber artfremde – Endröhren (Pentoden) verpasst bekommen sollte. Das kommt davon, wenn man jemanden leichtfertig einen Floh ins Ohr setzt…

Aber erst wollten die Betriebsbedingungen ermittelt werden.

Die Röhrenvorstufe kann eigentlich so bleiben, wie sie ist. Das bisschen, was da sowieso geändert werden muss, ist minimal. Der Rest sieht eigentlich auch ganz gut aus. Eigentlich. Trotzdem war da dieses Magengrummeln…

Trotzdem wird der Versuch gestartet. „Könnte passen…» Per Zufall bekomme ich noch den einen oder anderen Hinweis. Bei dem letzten Hinweis hätte ich den Versuch erst gar nicht starten sollen. Dieser Hinweis ist mit „grenzwertig» treffend umschrieben.

Natürlich habe ich Erfahrung mit den bewussten Röhren – aber eben nicht mit diesen Betriebsbedingungen. Aber wie es so ist: „Was nicht passt, wird passend gemacht». Ein Leitsatz eines jeden Bastlers.

Diesmal klappte das mit dem „passend machen» aber nicht. Trotzdem sich die Bedingungen weitgehenst an den Grenzwerten im Datenblatt orientierten. Umgebaut war schnell. Messtechnisch gab sich der „neue» Verstärker eher unauffällig.

Auf zum Hörtest.
Messgeräte und das menschlich Hörempfinden sind bekanntermaßen zwei paar verschiedene Messinstrumente.

Der Verstärker produzierte zwar einen hübschen Bums, aber auch mit deutlich zuviel Höhenanteil. Das der Verstärker ab etwa 10W Ausgangsleistung (das wird Höllelaut, muss der Verstärker aber abkönnen) anfing zu verzerren, schob ich zunächst auf die fehlende und stabilisierende Gegenkopplung. Trotzdem, das alles war eine Mahnung, dass da was nicht stimmt. Nur was?

Einen Test hatte ich aus Bequemlichkeit (passiert mir auch mal) nicht gemacht: Ich habe einen Messpunkt nicht kontrolliert und bin davon ausgegangen, dass man von einer einigermaßen stabilen Betriebsspannung auf andere stabile Spannungen schliessen darf. Ich baue so etwas ja nicht zum ersten Mal.

Die „andere Spannung» ist die Schirmgitterspannung. Die „neuen» Pentoden sollten nicht in Ultralinear gefahren werden, sondern im waschechten Pentodenmodus.

Lässt man Röhren im Pentodenmodus arbeiten, dann sollte die Schirmgitterspannung aber auch stabil anliegen. Mit Serienwiderstand, Zenerdiode und einem „dicken» Siebelko sollte das zu erledigen sein.

Denkste.

Je höher ausgesteuert wurde, desto instabiler wurde die Schirmgitterspannung, während sich die Betriebsspannung „unauffällig» verhielt.

Zwei Erkenntnisse

Erstens: Die Betriebsspannung war „etwas» zu hoch. Grenzwertig, eben. Im gleichen Maße schaffte der Netztrafo den erhöhten Strombedarf nicht, den die „artfremden» Röhren einforderten. Deshalb holte man aus diesen Verstärkern, mit der ursprünglichen Röhrenbestückung, auch nur maximal 30W pro Kanal. Obwohl die ursprünglichen Röhren für bequeme 60W gut sind.

Zweitens: Preiswerte Verstärker kommen garantiert mit einem preiswerten Netztrafo daher, der nur mit Mühe den theoretischen Anforderungen gewachsen ist. Wenn, wegen eines Kurzschlusses bei der Heizungsverdrahtung (werksseitig „eingebaut» und nur entdeckt, weil ich am Kabel gewackelt habe), sich die 3,15A-Primärsicherung verabschiedet, dann sagt das viel…

Nein, da streiche ich die Segel. Versuch hat kluch gemacht.
Alles zurück auf Anfang…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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