Eine echter Rock’n’Roll ist simpel, mehr oder weniger schnell – jedoch strikt den Vier-Viertel Takt einhaltend, damit es noch tanzbar war. Die Könige des Rock’n’Roll waren bekanntlich Chuck Berry, Bill Haley, Little Richard oder auch Jerry Lee Lewis. Elvis, natürlich. Den auch. Gegen Ende der 1960’er Jahre war der Tod des urwüchsigen Rock’n’Rolls unüberhörbar.
Die sog. Disco-Welle. Eine Anwandlung des Souls und Funk dominierten die Hitparaden. Hin und wieder mit einem Hauch Rythm’n’Blues (R&B) durchsetzt. Hierzulande avancierte eine stark Hammond-Orgel lastige Melodie zur Erkennungsmelodie von Mal Sondocks sonntäglicher Hitparade, die ab etwa 13:00 Uhr im Radio (WDR 2) ausgestrahlt wurde. Es war „Time is Tight“ von Booker T. & the MG’s.
Wer diese Musik nicht mochte, musste sehen wo er blieb. Der Rock’n’Roll an sich war erledigt. Aus, vorbei. Wer selber Gitarre spielen konnte, entdeckte die Oldies… Alles war eher seicht, etwaige Kanten wurden rund geschliffen. Kernige Typen, denen das Leben Furchen ins Gesicht geschlagen hatte, wurden immer seltener.
Es war 1977. Da schwärmte mir meine damalige Freundin („natürlich“ aus Holland, genauer Amsterdam) von einem Stück vor, dass sie mit „Bombast-Rock’n’Roll“ umschrieb. „Luisteren naar dit“. Dieses „dit“ war „Paradise by the Dashboard light“. Und wirklich – es ging typisch Rock’n’Roll-mäßig los. Dann das Piano welches einen astreinen Boogie rollte… Verdammte Hölle! Was war das? Nach dem unverkennbaren Gitarren-Intro die markante Stimme „Meat Loafs“, die alles auszufüllen schien. Hinter dieser Stimme steckte auch noch richtig „Schmackes“.
Nach etwa einer Minute entpuppte sich das auch noch als Duett mit der ebenfalls stimmgewaltigen Ellen Foley (der Traum aller pubertierende Jungs). Selbst wenn die Englisch-Kenntnisse nur unzureichend waren – man wusste sehr schnell, worum es ging. Jugendfrei war das nicht… Genausowenig wie Donna Summers „Love to love you Baby“ von 1975…
Rock’n’Roll mit Boogie-Piano vom Feinsten. Und dann plötzlich rutschte die Melodie in die Disco-Funk Sparte. Was soweit nicht schlimm war, war man doch quasi als akustischer Voyeur dabei. Und just zu dem Zeitpunkt, wo es richtig losgehen sollte (Sie wissen schon…) noch einmal ein harter Schnitt. Statt sich dem Lover „ordnungsgemäß“ hinzugeben, „zickte“ sie selbstbestimmend herum. Die Musikrichtung kippte nochmals in eine Art Pop-Rock. Quasi vorweggenommener 1980’er Dauerwellen-Rock a la „Final Countdown“ von Europe plus Emanzen-Gehabe.
Wie auch immer. Beide eskalierten sich zum Höhepunkt und Schluss des Liedes. Nach etwa acht Minuten – Puh, geschafft. Wirklich, man hat bis zum Ende mitgefiebert. Kriegen die sich, oder nicht? Nie wieder so etwas gehört. Grosses Kino.
Es waren die niederländischen Fernsehsender, die auch das Video (Youtube-Link) zu diesem Lied zeigten. Formel Eins gab’s noch nicht. Noch war Meat Loaf hierzulande völlig unbekannt. Aber auch der WDR kam irgendwann nicht mehr umhin das „Paradise…“ zu spielen, zumindest die kastrierte Radiofassung (da wo es zur Sache gehen sollte, fehlte). Es war dieses Lied, mit dem Meat Loaf bekannt wurde. Erst danach kam „Bat out of Hell“ und „Hot Summer Nights“. Viele Jahre später mit „Bat out of Hell 2« den Schmachtfetzen „I’d do anything for Love“. Meat Loaf und Schmachtfetzen – Nunja…
Zum Tode von Meat Loaf gibt’s natürlich Nachrufe und ich habe den Eindruck gewonnen, dass da der Eine vom Anderen abschreibt. Die 1970’er oder 1980’er Jahre scheinen nur vom Hören-Sagen zu existieren. Ein Nachruf verstieg sich sogar in die Behauptung, dass die langen Haare Meat Loafs fettig gewesen sein sollen. Naja, wenn man mit diesem Kampfgewicht unter Scheinwerfer steht und alles gibt, sieht man schnell aus wie durch Wasser gezogen…
Es war „Paradise by the Dashboard light“ mit dem Meat Loaf den Rock’n’Roll in’s Gedächtnis zurückhämmerte. Wenn auch mit teils groben Bombast (Jim Steinmann Gitarrenarragments wurden berüchtigt) und fein ziseliertem Piano. Eine ganz normale Liebesgeschichte, in ganz normalen Worten. Keine romantischen Anspielungen, keine Gleichnisse, keine Prosa.
Hart und teilweise sehr direkt – so wie junge Leute eben geredet haben. Was besonders in dem zuvor genanntem Schmachtfetzen deutlich wurde. Statt kopulieren wird da ein anderes Wort verwendet…
Tja, Marvin Lee, ich gebe zu, dass ich Dich später aus den Ohren verloren habe. Dein Klangbombast war nicht Meins. Was aber geblieben ist, ist Dein „Paradise by the Dashboard light“ bzw. den „Bat out of Hell“-Longplayer (habe ich immer noch). Und damit auch viele Erinnerungen…
It felt so good, It felt so right
– Friedrich Hunold –