Hifidele Un-Sitten

O tempora, o mores – Oh, was für Zeiten, oh was für Sitten. Die Zeiten müssen schlecht sein, denn sonst wären die folgenden Un-Sitten nicht möglich.

Typenbezeichnungen

Man kennt das ja von der Automobilindustrie. Wenn man ein Modell vom Standardmodell abheben will, klemmt man hinter der Typenbezeichnung ein „GT». Oder ein „GTI». Wobei eigentlich keiner so genau weiss, was dieses „GT» ausdrücken soll. „GT» – Geh Tanken?

Genauso siehts auch im HiFi-Bereich aus. Besonders bei röhrenbestückten Gerätschaften. Neben der eigentlichen Typenbezeichnung wird mal eben ein „MK1«, „MK2« oder „MK3« dahintergeklemmt. Was das „MK» überhaupt bedeuten soll, dass weiss keiner – hört sich aber gut an. Auch was es ausdrücken soll, weiss wahrscheinlich selbst (heute) „Audio Research» nicht (mehr), denn die hatten mit dem „MK»-Mist mal angefangen. Gerüchte besagen jedoch, dass „MK» lediglich eine Abkürzung für das englische Wort „mark» ist. Übersetzt also „Version».

Also zB. „Verstärker XY Version 3«. Wenn man nun etwas neugierig ist, wird man herausfinden, dass die „Version 3« meist keine Vorgängerversion kennt. Man kann die schnöde Versionsnummer noch weiter aufwerten, wenn man die Ziffer in (alt)römischer Schreibweise angibt. Dazu vielleicht noch ein „DeLuxe». Oder „Hoppelpoppel».

Diese „Namenspolitik» treibt in anderen Bereichen noch seltsamere Blüten. Da können selbst die eingefleischten Anhänger einer Marke nicht mehr den Unterschied zwischen „Typ A» und „Typ Ab» erkennen. Die Modellbezeichnungen moderner Fernsehgeräte sind mittlerweile ebenfalls ein „unmerkbarer» und nichtssagender Buchstaben-und Zahlensalat für dessen Entschlüsselung eine Enigma nötig wäre.

Wie war das noch in den 1950’er und 1960’er Jahren?
Da typesierte Opel die Autos mit Namen aus der Seefahrt. Ein Kadett war eben ein Kadett. Und ein Admiral ein Admiral. Als keine Rangbezeichnungen mehr frei waren, griff man auf die Meeresbewohner zurück: Ein Manta ist heute noch ein Manta. Egal ob mit „Coupe» oder ohne.
Dann kammen die Griechen, bzw. der Omega. So ein alter, gut gepflegter Opel Omega, ist – nach Meinung eines Bekannten – heute durchaus ein „Ichwillhaben-Objekt».

Audiophil

Jaja, wir sind alle ein bisschen Bluna und der Hardcore-HiFindiander ist natürlich „audiophil».

Die audiophile Steigerung wird erreicht, wenn man Verstärker A mit armdicken Kabeln und dem (natürlich) audiophilen Vorverstärker verstöpselt. Ganz besonders audiophil ist man natürlich, wenn man in E-Mails statt „Mit freundlichen Grüssen» (was eh schon völliger Blödsinn ist – sagen Sie etwa zum Abschied mehrmals Tschüss?) „Mit audiophilen Grüssen» verwendet.

Man stelle sich mal den Politiker E. vor, der seine E-Mails mit „pädophile Grüsse» abschliesst (was er natürlich nicht tut, weil er’s ja nicht ist). Oder der Sadist: „Mit schlagenden Grüssen». Oder sein Pendant, der Masochist: „Mit gequälten Grüssen». Da ist der Kleingärtner ja noch harmlos: „Mit kuhmistigen Grüssen»…

Also, wenn man Wikipedia glauben darf, dann sind -phile Leute „anders». Irgendwie. Zumindest nicht „normal» – und dann passt es wieder, mit dem „audiophilen».

Die Briefmarkenkunde nennt sich auch Philatelie. Ein Briefmarkenliebhaber wäre, nach Meinung einiger Ehefrauen, also philateliephil. Das ist allerdings zu-phil und deswegen gibt’s dieses Wort auch nicht und es heisst deshalb richtig: Philatelist. Dieser grüsst in seinen Mails mit „klebenden Grüssen». Oder mit „zackigen Grüssen»?

Ich erinnere mich da an einen, der seine Mails „thoriumsmäßig» abschloss. Irgendwann hörte er damit auf… Getrommeltundgepfiffen. Ich gebe es ja zu: Es gab eine Zeit, da schloss ich eine Mail – wirklich ganz ohne Hintergedanken – mit „glühenden Grüssen». Äh…

Smarte Apps

Seit App|le die App|lications (= kleine Zusatzprogramme die die Grundfunktion erweitern) als Abkürzung „App» für ihr Mobile-Phone einführte, ersäuft man in mehr oder minder sinnvollen „Apps». Meist nur „minder». Und längst nicht mehr nur auf mobile Telefone bezogen.

Heute heisst der Fernseher auch nicht mehr Fernseher, sondern „Smart TV». Also ein „cleveres TV». Oder was soll „Smart» sonst heissen? Und was ist daran „clever»? Oder „pfiffig»? Oder gar „intelligent»? Ist das Auswerten des Nutzerverhaltens etwa „clever»? Wenn das „intelligente TV» wirklich intelligent wäre, würde es sich selbst terminieren (wegen des Schwachsinns, der einem da zugemutet werden soll – wenn man sich nicht selbst wehrt). Hybrid-TV wäre doch wesentlich treffender (eine Kreuzung zwischen TV und Computer)…

Ok, das hat nur indirekt etwas mit HiFi zu tun. Lassen wir das… „Mit smarten Grüssen»…

Lust Frusterzeuger

Verstärker, denen es „scheissegal» ist, welche Endröhren (zu 100% Pentoden / Tetroden) sie eingeflanscht bekommen, sind derzeit genauso angesagt wie der Schalter, mit den man die wahllos engesetzten Pentoden in den Triodenmodus ballert. Der Schalter wird am besten dann betätigt, wenn der Verstärker „auf volle Pulle läuft».

Das erzeugt Lust. Man kauft einen EL34-Verstärker und wenn das Taschengeld wieder reicht, rüstet man um, auf KT88. Natürlich nicht die „schnöden» Genalex, (echten) Teslas, oder GEC-Typen, sondern die mit güldener Beschriftung. Lustvoll wartet man dann auf den „Punch», der sich dann einstellen soll – je dicker der Glaskolben, desto mehr „Punch»…

Das aus Lust ganz schnell Frust wird, wird Derjenige ganz schnell feststellen. Er wird dann auch die Verkäufertaktik kennen lernen müssen, wonach er – falls reklamiert wird – er doch tatsächlich gewagt hat, „falsche» KT88 einzuflanschen… Glauben Sie mir, dieser hinrissige Quatsch nimmt und nimmt kein Ende! Wer kommt eigentlich auf diesen Mist?

Da können „die Alten» reden wie sie wollen (es ist leichter, einen Schrank vollzulabern). Die „Jugend» weiss es besser (der Kistenschieber sowieso), was auch deren Vorrecht ist – in gewissen Maßen. Hey, als wir jung waren, war es genauso. Oder? Ein bisschen renitent ist nett, aber total merkbefreit? „Und ich so: Geh wech, Aldder»…

HiFi

Ach Gottchen! Was ist denn HiFi?
Schauen Sie sich mal um. Welcher Händler oder Hersteller redet denn noch wirklich von HiFi? Wenn schon, dann ist es mindestens High-End, wobei High-End nie nicht definiert wurde. HiFi allerdings schon.

Und so mancher Händler / Hersteller vermeidet dann auch HiFi oder High-End wo es nur geht und faselt etwas von Klang. Oder „audiophiler Klang». Wohl wissend, dass die Geräte, die da vertickert werden, mit HiFi nix am Hut haben und nur bessere Gitarrenverstärker sind…

 
Mit resignierenden Grüssen
-Friedrich Hunold-

 

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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