Da haben sich vor kurzem ein paar Leute über die „Wahnsinnspreise» bei einigen HiFi-Röhrenverstärker echauffiert. Je mehr sich der Preis zum fünfstelligen Bereich hinbewegt, desto lauter die Frage, „wer das denn noch bezahlen soll».
Angesichts der doch sehr preiswerten HiFi-Elektronik aus dem Land der Mitte, sind wir alle doch wohl etwas zu verwöhnt worden. Vom Preis her, meine ich. Ein Röhrenverstärker für über fünftausend Euro? Lächerlich. So die hiesige Einstellung. Witzigerweise läuft es „da drüben» aber genau anders herum. Da hat man selten Vertrauen in die Verarbeitungsqualität von heimischen Produkten. Wer es sich leisten kann, kauft „Made in Germany» oder aber „Made in Japan».
Doch so neu ist das alles ja auch nicht. Max Grundig zeigte sich 1982 auf der Funkausstellung als Visionär und ahnte wohl, was die „Scheiss Japaner» mit ihren billigen, in Massen auf dem Markt geworfenen Gerätschaften, anrichten würden. Heute zeugen nur noch die Namen von ehemaligem HiFi „Made in Germany». Grundig, Dual, Braun, Saba… Alle weg. Teilweise auch selbst verschuldet (ich denke da an das „Desaster» eines Braun CSV60 – ein Röhrenverstärker der zuerst aus Designgründen ohne Lüftungsschlitze ausgeliefert wurde und zudem ein Stammgast in den Werkstätten war). Heute sind es nicht mehr die Japaner, sondern die Chinesen. Ich hörte letztens noch einen Hersteller „Scheiss Chinesen» sagen…
Das erscheint mir alles doch ein bisschen zu einfach. Liegt es nicht eher an die Behäbigkeit, mit der einige Unternehmen hier in Deutschland agieren? Quasi „Atemlos dem Trend hinterher», anstatt eine gradlinige Produktserie zu hegen und zu pflegen, wie es z.B. Octave / MF-Electronic oder Scheu / Langer-Audio machen. Es gibt sicherlich noch ein paar Hersteller mehr, die die Fahne „Made in Germany» hochhalten. Ich habe mir nur ganz exemplarisch diese Hersteller herausgepickt..
Trends hinterher hecheln sieht man besonders deutlich bei Röhrenverstärkern: Sobald eine „neue» Röhre gehypt wird, tauchen wie aus dem Nichts Röhrenverstärker auf, die genau auf diesen Röhrentyp angepasst wurden (wenn überhaupt). Das Ganze dann zu einem Schnäppchenpreis, den Hype-Moment (Umsatz) nutzend. Voll im Trend aber völliger Quatsch ist der häufig anzutreffende Schalter, um eine Pentode im Triodenmodus arbeiten zu lassen. Ein hiesiger Hersteller kann da nur noch Fassung bewahren und darauf Vertrauen, dass die Hype schnell wieder verschwindet und sich irgendwann Qualität durchsetzen wird (ein Asbach-uralter Spruch von Hoffnungslosen).
Das Leben eines deutschen HiFi-Herstellers wird nicht besser, wenn man hinter die Kulissen schaut. Neben der kostenpflichtigen Zwangsmitgliedschaft zu irgendwelchen Verbänden und Vereinen kommt noch die Zwangsmitgliedschaft zum WEEE-Club hinzu. Ohne WEEE-Clubmitgliedschaft hat hier in Deutschland / Europa keiner etwas herzustellen oder gar zu importieren. Allein mit diesem Papierkram ist eine Teilzeitkraft gut ausgelastet. Die Kosten, die allein dadurch entstehen, sind beachtlich. Kosten, die natürlich auf den Verbraucher abgewälzt wird. Oder die nette Geste der Bundesregierung, den Kunden mit einer zweijährigen Gewährleistung (nicht Garantie!) besser stellen zu wollen. Wenn Sie als Kunde denken, dass so etwas nichts kostet, dann irren Sie. Das „After Sales Management» ist ein fetter Brocken in der Kalkulation. Last but not least ist da noch der Steuerberater der allein schon für einen „guten Tag» eine saftige Rechnung schreibt.
Wenn Sie wissen wollen, was eine überaus kreativ-korrekte kaufmännische Kalkulation ist, dann „nieten» Sie mal einen jungen, von der Stadt gepflanzten, Baum um, melden das, als ehrlicher Bürger, der Stadt und warten auf die Rechnung der Stadt für das Anpflanzen eines „Ersatzbaumes». Besorgen Sie sich vorher aber Herztabletten… Wenn Sie pfiffig sind, organisieren Sie sich den gleichen Baum von einer Baumschule, mieten sich einen kleinen Bagger und pflanzen den Baum, auf eigene Kosten, bei Nacht und Nebel, neu. Das ist um Längen billiger!
„Spare in der Zeit, dann hat man in der Not», ist ein Spruch, den jeder gute Unternehmer beherzigt. Rücklagen heisst das im buchhalterischen Jargon. Dazu Löhne und Gehälter sowie ab und an die Kosten für einen Rechtsanwalt, weil’s einen Mitbewerber gibt, dem etwas nicht gefällt (frei nach dem Spruch: „Und kommt die Knete nicht ehrlich in die Tasche, ich dich einfach abmahnen lasse»).
So als technikaffinier Mensch staune ich manchmal auch über die ausgerufenen Preise eines Röhrenverstärkers. Ein WE91-Clone für 10.000 Ocken halte ich, gelinde gesagt, für stark übertrieben. Doch Widerstände, Kondensatoren, Röhren und Übertrager sind ja nicht alles. Die zuvor genannten Zwangsmitgliedschaften, Werbung (im weitesten Sinne), Versicherungen etc etc pp – all‘ das kostet. Und das nicht zu knapp. Zu guter Letzt will der Unternehmer ja auch noch leben wollen. Wenn Sie glauben, da wird zuhause von goldenen Löffeln gegessen, träumen Sie weiter… Trotzdem – 10.000 Ocken sind happig. Das finden Sie allerdings kaum bei hiesigen Herstellern – eher bei Importe. Hauptschuldiger ist da aber kaum der Vertrieb oder der Hersteller – der Zoll langt kräftig zu (auch auf die Versandkosten)!
Manchmal sind die ausgerufenen „Mondpreise» berechtigt. Irgendwie. Manchmal habe ich auch so leise Zweifel. Fest steht jedoch, dass Röhrenverstärker kein Massenprodukt sind. Reinrassige Stereo-Halbleiterverstärker aber auch nicht mehr. Die Zeiten sind vorbei. Und alles was „Special Interest» ist, ist eben teuer. OK, manchmal werden auch preiswerte China-Importe zumindest Marketingmäßig ins hochpreisige Lager gepimpt, um den Kunden vorzugaukeln, man erwibt damit gute Qualität. Erst ein genauer Blick unter der Haube offenbart dann, ob an den Werbeaussagen etwas Wahres dran ist. Das ist natürlich auch nicht das Gelbe vom Ei und schrammt gefährlich nah an Verbrauchertäuschung vorbei.
Früher hiess es, dass, wenn man sich etwas nicht leisten konnte, man darauf zu sparen hat, um sich dann einmal etwas vernünftiges leistet. Das sollte auch – oder gerade in diesem Fall – für HiFi-Röhrenverstärker gelten. Sinngemäß gilt das auch für den Selbstbau von Röhrenverstärkern.
Gute Röhrenverstärker kosten gutes Geld. Auch als Import von den „Scheiss Chinesen» (doch, doch, die können auch gute Röhrenverstärker bauen). Aufgrund der zuvor genannten Kostenstellen hat es ein sonst gleicher Röhrenverstärker „Made in Germany» aber immer schwerer. Dafür hat „Made in Germany» eine ganze Menge angenehme Nebeneffekte zu bieten. Aber das finden Sie selber heraus.
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-Friedrich Hunold-
PS: Noch ein Trend ist die Hatz nach „guter, alter» Retrotechnik aus längst vergangenen Tagen. Aber auch nicht immer billig…
PPS: Nur um mich mal kurz umzuschauen, schaue ich auf Spiegel-Online und was sehe ich da? Diesen Artikel. Toll. Noch eine Kostenstelle mehr, die den deutschen Unternehmen / Händlern aufgebürdet werden soll.
Liebe Hersteller / Händler: schimpft doch nicht auf die falschen Leute…
07.06.2015 Nachtrag: Bezüglich des Braun CSV60 bin ich wohl einer Fehlinformation aufgesessen, die allerdings schon länger auf meiner Homepage existierte. Der alte Artikel zu Braun-Verstärker ist mit Relaunch dieser Website nicht mehr online.