Wenn der Heise-Verlag schon über Kopfhörer berichtet, dann will das was heis(s)en. Ich wette, dass wird nicht der letzte Artikel über einen „schnöden» Kopfhörer bleiben. Oh, Entschuldigung. Nicht irgendeinen, sondern den Kopfhörer. Und von schnöde kann man, angesichts des Preises, ja auch nicht wirklich reden. 50.000 Ocken sind nämlich für Sennheisers Super-Kopfhörer „Orpheus den Zweiten», nebst passenden Röhrenverstärker, fällig. Der Verstärker ist übrigens notwendig, denn ohne den dürfte der Kopfhörer nicht funktionieren. Elektrostatische Lautsprecher bzw. Kopfhörer sind eben immer schon etwas Besonderes gewesen.
Bemerkenswert finde ich übrigens, dass der Orpheus bei Heise „präsentiert» wird. Nicht bei den üblichen Verdächtigen. Die haben nur eine Pressemitteilung „drin». Kann auch sein, dass ich etwas nicht mitbekommen habe…
Update: Es handelte sich um eine Produktvorstellung von Sennheiser zu der man Journalisten geladen hatte. Neben Vertreter des Heise-Verlages waren auch andere Medienvertreter zugegen.
(Bildquelle Sennheiser)
Angeblich hat man dafür den Mann aus dem Ruhestand geholt, der schon für den ersten „Orpheus» verantwortlich zeichnete. Ein Mann, der immun gegen jede HiFi-Esoterik ist – oder war. Ein Mann, der schon zu seiner aktiven Zeit, mehr oder weniger deutlich, gegen Kabelklang und sonstigem Gedöns zu Felde zog. Ein Mann, der in seinen Verstärkern (Röhrenverstärker) ganz unkapriziös Elkos im Signalweg einsetzte. Genau der Mann, der einmal sagte, dass man den HighEnd-Leuten gar nicht sagen dürfe, wie die Studiotechnik aussieht. Genau der Mann, der später in einer Elektronikzeitschrift den Bastlern zu erklären versuchte, wie es um das „Seelenleben» einer Röhre überhaupt bestellt ist.
Ich bin mir sicher, dass das, was der Mann da „verzapft» hat, richtig gut ist. Weniger gut finde ich dagegen das Marketing zu dem Orpheus. Einerseits klingt das Relevante (!) logisch und durchaus nachvollziehbar, andererseits frage ich mich, warum man so ein Bohei (marketingtechnisch und die technische Spielereien) machen muss, um einen hohen Preis zu rechtfertigen. Wenn man sich nämlich den Heise Bericht (und andere Berichte) sehr genau durchliest, vor allem was zwischen den Zeilen steht, dann hat man vor allem am Klang gefeilt. Beziehungsweise an das, was den Klang klingender macht. Ganz gegen jede strenge HiFi-Philosophie. Die Reaktion der millitanten High-End Fraktion steht noch aus.
Da ist nämlich die Rede von „Natürlichkeit». Natur! Das ist das, was die „HighEnd-Taliban» gar nicht verstehen. Kein schnurgerader Frequenzgang, nein. Da darf es „Ausreisser» geben. Ach? Sieh mal an. Nein, keine „natürlichen» Ausreisser wie sie in jedem Verstärker und Lautsprecher entstehen. Nein, es sind exakt durchexerzierte und durchgerechnete „Frequenzverbiegungen». Hifi-deles laissez-faire, quasi. So, wie man es in der Natur – ohne Kopfhörer – auch wohl erwarten kann. So ein Schlag auf die Snare eines Schlagzeugs hört sich im heimischen Wohnzimmer schliesslich auch anders an, als im Biedemeier-Gedächtniszimmer der Großmutter. Hat sich was, mit der idealisierten Verstärkerphilosophie, wonach der Verstärker nur ein Stück Draht zu sein hat. Da redet man, um es mal auf den Punkt zu bringen, von Klang. Beziehungsweise von den Dingen, die den Klang klingender macht. Wortreich wird um die Begriffe Raummoden und Resonanzen ein ganz grosser Bogen gezogen. Genau das emuliert aber der Orpheus, weil ein Kopfhörer mit Raummoden und Körperresonanzen nichts anfangen kann. Salopp könnte man ja sagen, dass man eine Klangmaschine gebaut hat. Das wäre aber zuviel des Guten für die HiFi-Welt.
Aber – warum eigentlich nicht? Prinzipiell macht man es mit Lautsprecher und Raummoden-Optimierer (damit sind keine tibetischen Klangschalen gemeint) nicht anders. Wenn schon der Verstärker den Charme einer Pathologie ausstrahlt, dann müssen die Lautsprecher und Raummoden retten, was noch zu retten ist. Ja, was denn?
Und dann ist noch die Rede davon, dass der Kopfhörer genau das abbildet – abbilden soll, was sich der Toningenieur beim Abmischen vorgestellt hat. Das finde ich besonders interessant, weil ich noch keine CD, keine Schallplatte, gesehen habe, wo man genau das in Textform nachlesen kann. Wie die Musik abgebildet wird, ist nämlich reine Interpretationssache. Und subjektiv. Für den Einen ist die Gitarre zu weit „vorne links», für den Anderen zu „mittig» und ein Dritter hört sie, Tinitus bedingt, gar nicht. Und überhaupt. Nur die eigene Anlage – mit millimetergenau ausgerichteten Lautsprechern – bildet das Musikgeschehen so ab, wie der Toningenieur es sich gedacht haben wird. Natürlich.
Dabei macht der Toningenieur nur das, was sein Job ist. Wenn der Produzent bzw. Musiker einen bestimmten Klangteppich haben will (weil es sich gerade gut verkaufen lässt), dann wird das eben so abgemischt. Da kann sich der Toningenieur auf den Kopf stellen. Bestes Beispiel sind die Aufnahmen von Karajan. Seine Klang-Vorstellungen waren berüchtigt und trieben so manchen Toningenieur an den Rand des Wahnsinns.
Bei Gelegenheit werde ich „Orpheus den Zweiten» mal testen. Die 800 Volt sollten übrigens nicht abschrecken, denn diese Spannung ist extrem schwach (Mikroampere-mäßig) und wird sofort zusammenbrechen, wenn etwas aus dem Ruder läuft.
Mich stört auch nicht der Preis oder die technischen Spielereien. Etwas ganz anderes ist mir aufgefallen, über das keiner ein Wort verloren hat. Wenn der Verstärker tatsächlich von dem Mann entwickelt wurde, der auch den ersten „Orpheus» entwickelt hatte, dann sollte die Design- und Marketingabteilung sich nochmals mit dem Mann unterhalten. Der wird nämlich bestätigen, dass Röhren ganz natürlich auch Wärme produzieren. Und die sollte zuverlässig abgeführt werden können. Wenn ich mir dagegen die Produktbilder des Prototypen so betrachte… Aber da wird man sicher von ganz alleine drauf kommen und „Luftschall» (O-Ton Sennheisers Marketingabteilung) „Luftschall» sein lassen.
Lasset die Klänge natürlich klingen
-Friedrich Hunold-