„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“
Autsch. Erwischt. Ist nicht so einfach. In meinem Fall schon mal gar nicht. Wenn’s rockt und rollt, jazzt und swingt – dann ist es HiFi. Glaube ich zumindest. Daran zu glauben ist das einzige, das ich mit Religionen teile. Sollte eigentlich klar sein, dass es sich bei der Gretchenfrage nicht um Religion an sich, sondern um HiFi – High Fidelity – handelt. Oder?
HiFi hat mit Religion aber viel gemeinsam. Da wäre als erstes eben der Glaube an sich. Da HiFi nicht mehr per Dekret definiert ist, besteht Glaubensfreiheit. Ungestraft darf ich behaupten, dass Muttis Küchenradio ein HiFi-Gerät ist. Na klar würde ich dann nicht für voll genommen werden. Aber solange ich daran glaube und dabei glücklich bin, ist es mir egal, was andere denken.
High Fidelity hat mit Religion die Vielfältigkeit gemeinsam. An irgend etwas glaubt jeder Mensch. Der Eine glaubt an den obersten Heilsbringer (der unterschiedliche Namen haben kann), der Andere an die Deutsche Bank (von der M.M. Westerhagen zu berichten wusste, dass diese in „bar auszahlt“). Und andere wiederum glauben, dass sie an „Nichts“ glauben.
HiFi hat mit Religion auch gemeinsam, dass es Glaubensrichtungen gibt, die mehr oder weniger restriktiv sind und per „Dekret“ bestimmen, was der richtige Glaube zu sein hat. Es gibt Gläubige, die das dann auch wortgetreu ausleben. Andere biegen sich die Dinge so zurecht, wie es im alltäglichen Leben hineinpasst. Andere mixen sich aus den besten Glaubensdingen ein neues Stück zusammen und kommen erstaunlicherweise damit gut über die Runden.
Was also ist High Fidelity? Orientiert man sich heute vielleicht doch noch an die ungültig gewordene DIN 45500 HiFi-Norm?
Ich glaube, ja. Bis auf das Watt. Da wird geschummelt, was das Zeug hält. RMS sei Dank. Besagte die DIN-Norm, dass die Auszeichnung „HiFi“ nur Verstärker tragen durften, die in Stereo mindestens zweimal 10 Watt Dauerleistung abgeben konnten, geht heute auch ein sauber aufgebauter 2A3-Eintakter mit seinen angestrengten 3 Watt als HiFi-Verstärker durch. Äh, falsch. Alles was leistungsmäßig unter 10 Watt angesiedelt ist, ist High-End. Da wird selbst das alte Röhrenradio mit Nussbaum-Furnier zu einem „High-End Geschoss“. Alles andere, wie zB. Übersprechdämpfung oder Fremdspanungsabstand (S/N-Ratio), ist grundlegend in der DIN 45500 geregelt. Und an diesen „Mindestens“- und „Maximal“-Vorgaben muss sich heute immer noch ein Röhrenverstärker orientieren. Oder etwa nicht? Na gut, so mancher Röhrenverstärker hat die Orientierung verloren… Trotzdem erfüllen die Messergebnisse (meistens) die 45500-Norm (was sooo schwierig ja nicht ist).
Manche erklären HiFi auch damit, dass die Abhörkette die Konserve so wiederzugeben hat, wie der Komponist oder Toningenieur es sich gedacht haben. Das ist, glaube ich, aber nicht zu Ende gedacht. Die Gemütsverfassung des Toningenieurs spielt zB. eine grössere Rolle als das Lautsprecherkabel zuhause. Alan Parson, als Toningenieur, hatte mit „Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd eher Effekte im Sinn als High Fidelity. Ähnlich verhält es sich auch mit der Filmmusik „Tribute von Panem“. Hier ist ein Oktobass zu hören, der jedoch nicht richtig zu Geltung kommt, denn der CD- oder DVD-Player schneidet gnadenlos alles unter 20 Hertz ab. Was hier vom Oktobass übrig bleibt, ist ein Geschnarre was nur entfernt Ähnlichkeit mit einem Nebelhorn hat. Bach hätte seine Toccata wohl anders komponiert, wenn er gewusst hätte, dass es „später“ mit dem Subcontra-C (16,3Hz) Probleme geben wird. Ebenso Strauss mit seinem „Also sprach Zarathustra“. Den Bösendorfer Imperial Konzertflügel, der auf der äussersten linken Taste 27,5Hz „produziert“, wird auch so nie richtig gehört werden können, weil die meisten Lautsprecher mit dieser Frequenz schon enorme Probleme haben. Richtig zu Ende gedacht, sind diese Beispiele also nur live richtig wahrzunehmen, genauso wie die natürlichen „Geräusche“ eines Gewitters, des Windes oder der Meeresbrandung. Das bekommt man mit einer Stereoanlage weder dynamisch noch frequenzmäßig richtig hin.
Was nützt es, wenn zwar der Mensch durchschnittlich von 20Hz bis 20kHz hören kann (alles unter 20Hz wird eher gefühlt), wenn spätestens die Lautsprecher gar nicht in der Lage sind, die 20Hz „richtig“ wiederzugeben. Klicken Sie den Link ruhig an und hören mal einfach nur hin. Lassen Sie sich überraschen.
Jaja, ich weiss, dass 20Hz ganz schön brutal sind und jeder Toningenieur Freqeuenzen unterhalb 40Hz zu vermeiden versucht. Nicht aus technischen Gründen, sondern aus psychologischen – es wird als „beklemmend“ empfunden. Vierzig Hertz! Genau die gleiche Angabe, die auch in der DIN-45500 als Mindestangabe für die untere Grenzfrequenz genannt wurde. Die obere Grenzfrequenz lag in dem „45500’er-Dekret“ übrigens bei mindestens weit unter 16kHz. Eine Frequenz, die viele Menschen nur noch als leises Fiepen hören dürften und in der Musik so gar nicht vorkommt. Der höchste Ton, den man mit „klassischen Instrumenten“ erzeugen kann, liegt bei „nur“ etwa 4,1kHz. Vier-Komma-Eins Kilohertz. Mit einem Synthesizer geht zwar noch mehr, aber ich kenne kein Musikstück, wo dies tatsächlich realisiert wurde. Vielleicht Michael Garrisons „Region of the sun return“? Dass die obere Grenzfrequenz in der HiFi-DIN-Norm so hoch gelegt wurde, hat übrigens nur technische Gründe (Stichwort: Phasendrehung).
Was also ist für Sie HiFi (High Fidelity)?
Schreiben Sie mir und lassen sich bitte nicht von meiner „Marotte“ beeinflussen. Ich bin gespannt.
Nachtrag 15.10.2015
Das hatte ich nicht erwartet. Weder resonanzmäßig, noch inhaltlich. Nicht so. Zeit für ein Fazit. Die nahezu einhellige Meinung war / ist:
Es muss nur klingen.
Peng.
Einfach so.
Das Musikhören muss einfach Spass machen und darf nicht nerven. Ob nun mit Klangregler, oder ohne. Auch hatte ich den Eindruck gewonnen, als ob man dem ganzen „Kabel-Brimborium“ ziemlich abhold gegenüber steht – interessante Thematik, ja. Aber daraus machte kaum einer eine Religion (aus „unerfindlichen“ Gründen werden neuerdings Koax-Kabel benutzt…). Auch hat man es nicht so mit diversen „Zaubermittelchen“. „Raummoden-Optimierer“ also Absorber, Diffusor oder dicke Vorhänge, ja. Aber Schälchen, Klötzchen oder Luftionisierungs-Apparate? Sorry. Eine „dicke“ Netzsteckerleiste (häufig Marke Eigenbau) oder Netzfilter, ja. „Hifi-optimierte“ Sicherungen? Hrm…
Auch ist die „Hardware“ meistens ziemlich „banal“ und in vielen Fällen einfach ein Gebrauchsgegenstand. „Eintausend Euro für einen CD-Player? Meine Frau würde mir gewaltig was husten“ oder „Auch wenn mein Plattenspieler ein Relikt aus der HiFi-Steinzeit ist, die neumodischen ’Dinger‘ will ich nicht haben„. Und so geht es munter weiter.
Aus den Zuschriften konnte man übrigens erkennen, dass man handwerklich nicht ganz unbedarft ist. Zumindest konnte man „einen Nagel gerade in die Wand hauen„. Treue Leser diverser Zeitschriften waren / sind sie alle angeblich nicht. HiFi – als Lebenssinn, als Religion – Fehlanzeige. Es muss nur klingen (s.o.) Man zeigt zwar Interesse, testet auch mal, liebäugelt mit diversen anderen Geräten und das war es auch schon. Ein Musikzimmer? Also, wenn der Bastlerkeller (in dem gerade das Fahrrad des Filius auf Vordermann gebracht wird) oder das Wohnzimmer als Musikzimmer durchgeht, ja.
Randnotiz(en): Geschätzte 80% der E-Mails stammen von Familienvätern bzw. von „verwaisten“ Vätern (daher auch das Handwerkliche). „Wenn man diesen ’Status‘ einmal erreicht hat, dann lernt man das ’Einfache‘ zu schätzen„, so ein frisch „Verwaister“ und weiter „Vielleicht fange ich mit dem ’Selbstbau‘ jetzt so richtig an. Im Jugendzimmer, unter’m ’Dach-Juchhe‘, ist viel Platz frei geworden…“.
HiFi-Technik, oder das, was man dafür hält, ist zudem „Männersache“. Die Damenwelt ist für die HiFi-Optik zuständig (mit allen bekannten Nebenwirkungen – Technik und Optik bedeutet: Kollisionsgefahr). Auch wenn es HiFi nach DIN 45500 nicht mehr gibt – in der „Rollenverteilung“ hat sich, seit damals, nichts geändert.
Auch das ist interessant: Wie der selbstgebaute Röhrenverstärker aussieht, ist fast egal. Das bekommt man nahezu immer „durch“. Aber wehe man riskiert eine ähnliche Optik fix und fertig käuflich zu erwerben…
Das Feedback war / ist interessant. Danke.