Roland Kraft

Nichts geht über einen schönen Röhrenverstärker. Würden Sie in der „Image-HiFi“ auch einmal Selbstbau-Geräte testen, die Sie selber aufgebaut haben?

Roland Kraft: So etwas hatten wir schon. Und zwar als Ausnahme. Das derzeitige redaktionelle Konzept von Image HiFi erstreckt sich nicht auf den Selbstbaubereich, außer, ein Bausatz wird vom Hersteller oder Vertrieb auf Wunsch auch fertig aufgebaut geliefert. In der Vergangenheit dümpelte der (HiFi)-Selbstbau – im Gegensatz zu den 80er Jahren – in Deutschland etwas vor sich hin. Erst in letzter Zeit registriere ich wieder eine leichte Belebung dieses Marktes, ohne Zweifel auch ausgelöst durch die Röhren-Renaissance. Dennoch besteht für mich – und ich halte die Selbstbau-Fahnen wirklich gerne hoch – noch kein Anlaß zu übertriebenem Optimismus.

Elektronik-Bastelei ist kein verbreitetes Hobby mehr. Die ehemalige Elektronik-Meile in München (Schillerstraße), einst ein Bauteile-Eldorado mit zahlreichen Läden, liegt im Sterben. Die Verkäufer konstatieren, daß niemand mehr einen Lötkolben halten könne, die meisten Kunden nicht einmal mehr wüßten, daß ein Lautsprecherkabel Plus- und Minuspol besitze. Und es ist nicht wegzuleugnen, daß die Miniaturisierung (SMDs) das Spektrum herkömmlicher, für Eigenbauten verwendbarer Bauteile immer weiter eindampft. Daß ich mit meinen fast 50 Lenzen auf GFGF-Treffen als junger Spund durchgehe, sei hier nur am Rande erwähnt. Dennoch ist klar, daß das Interesse am Basteln bei Jüngeren extrem nachgelassen hat, ein Fakt, für welches man sich übrigens auch in der Modellbau-Branche wehmütige Bestätigung holen kann.

Der Redaktionsalltag ist hart. Gibt es Situation, wo Sie nicht diese lockere Schreibe haben?

Roland Kraft: Das kommt bisweilen vor. Image HiFi erscheint zweimonatlich, was natürlich schreiberische Kreativität auf Anforderung und mit Termin bedeutet. Wer glaubt, wir würden unsere Zeit hauptsächlich damit verbringen, quasi mit High-End-HiFi zu »spielen«, der unterschätzt die alltäglichen Arbeiten zur Herstellung des Magazins. Dennoch darf ich mich so unglaublich glücklich schätzen, einen vielleicht 50-prozentigen Spaßanteil zu haben, Hobby und Beruf gehen auch nach so vielen Jahren immer noch Hand in Hand. Wer kann das schon von sich behaupten?

Gab es Geräte, die den strengen „Roland-Kraft-Anforderungen“ nicht genügten?

Roland Kraft: Aber klar. Wir probieren vieles aus, was sich letztlich doch nicht bis ins Heft durchschlägt. Da wir keine Testzeitung im üblichen Sinne sind, können wir es uns freilich ersparen, unsere Kompetenz mit der Präsentation des großen Verlierers untermauern zu müssen.

Was war Ihre lustigste Testsituation?

Roland Kraft: Das ist lange her: ein sogenannter Blindhörtest mit unsichtbaren Lautsprechern hinter einem akustisch transparenten Vorhang. Zehn Juroren kamen in mehreren Durchgängen zu teils völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Der Witz: stets lief nur ein- und derselbe Lautsprecher.

Oder wie wäre es damit: ein Vorverstärker, aufgebockt zwischen zwei Stühlen, die Bodenplatte entfernt. Um das Lautstärkepoti eine Schnur gebunden, daran einen schweren Stein gehängt. Das klänge deutlich besser, so der stolze Besitzer …

Wie schätzen Sie den derzeitigen Markt und das Käuferverhalten bezüglich HiFi und »Geiz-ist-Geil« ein? Wo liegen Ihrer Meinung nach die Chancen für kleinere Hersteller von HiFi-Equipment?

Roland Kraft: Machen wir uns nichts vor: HiFi zählte zum Massenmarkt, zur allgemeinen Unterhaltungselektronik. Und die liegt mittlerweile ziemlich darnieder, steht – in ihrer alten Form – vor dem Aus. 90 Prozent der einst zu High Fidelity gezählten Gerätschaften existieren so nicht mehr, sind in „designorientierten“ Kompakt-Komplett-Anlagen aufgegangen oder wurden funktional durch den Computer oder computerähnliche, software-basierende Geräte ersetzt. Zudem ist Musikwiedergabe nichts Stationäres mehr, bei vielen Nutzern ersetzen winzige, tragbare Komponenten schon längst die früher übliche Heim-Installation. Gehobenes HiFi war womöglich nur ein zeitweises Phänomen, eines, das etwa Mitte der 90er Jahre auszusterben begann. Der heutige Otto Normalverbraucher hat scheinbar nur noch Quantitäts-, aber keine Qualitätsansprüche mehr. Die Videolastigkeit der Medien tat ein Übriges, die multimedialen Fähigkeiten der PCs besorgen den Rest. Und noch etwas: Hämmert man dem Verbraucher jahrzehntelang ein, »Digital« stelle automatisch die höchste Qualitätsstufe dar, dann muß man sich nicht wundern, wenn letztlich krass datenreduzierte Formate und rein auf Kostenersparnis ausgerichtete Übertragungsmethoden als allgemeiner Standard anerkannt werden. Was ich heute von manchen Billig-„HiFi-Anlagen“ oder via UKW höre, entspricht oft nicht einmal mehr dem niedrigsten Klangniveau der 70er Jahre. Was offenkundig niemand stört, der es einfach nicht besser weiß. Gute Wiedergabe muß erlebt werden, um den Eindruck dauerhaft zu verfestigen.

Aber da ist doch Licht am Horizont: Es sieht nämlich so aus, als sei High-End ein von der allgemeinen Entwicklung der Unterhaltungslektronik teilweise völlig abgekoppeltes, seperates Marktsegment, in dem seitens der Zielgruppe ein ganz bemerkenswertes Durchhaltevermögen zu verzeichnen ist. Sagen wir es mal so: Wer einmal „infiziert“ ist, kommt davon offensichtlich nicht mehr los. Newcomer – wenn auch noch in überschaubaren Größenordnungen – werden ebenfalls erfreut registriert. Und daß die Zahl der weltweit angebotenen Röhrenverstärker geradezu sprunghaft zulegt, ist für Kenner der Materie kein Geheimnis.

Mit anderen Worten: Trotz schwieriger Zeiten liegen gerade im Marktsegment High-End klare Chancen für engagierte, vor allem kleinere Hersteller, die außergewöhnliche Produkte kreieren. Genau solche Betriebe und ihre profilierten Entwickler waren es ja, die High-End überhaupt erst entstehen ließen.

PDF-Artikel über die Autorenanlage von Roland Kraft in der Image-HiFi von April 1996. Mit Genehmigung der Image Verlags GmbH.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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