(Not only) For Beginners: Kondensatoren (1)

Elkos

Den Elkos, also Elektrolytkondensatoren, will ich ein gesondertes Kapitel widmen. Die werden eh immer stiefmütterlich behandelt.

Zunächst: Wie auch bei Koppelkondensatoren, scheint es auch bei den Elkos eine Namens-Hype zu geben. Naja…

Elkos sind (egal ob gepolt oder ungepolt), konstruktionstechnisch bedingt, kleiner als Folienkondensatoren. Die gepolte Ausführung (also mit Plus- und Minusanschluss) findet man hauptsächlich im Netzteil als Siebkondensator. Die ungepolten Elkos findet man hauptsächlich in Frequenzweichen – sterben aber langsam aus…

Für Bastler folgender Hinweis:
Elkos (Becherelkos) besitzen eine Sollbruchstelle bzw. ein Ventil. Das muss frei bleiben und dient nicht als Klebefläche! Sonst macht der Elko irgendwann anstatt ein leises „Pschscht“ wirklich ein lautes „Peng“. Elkos gehören in die Kategorie „Verschleissbauteil“, denn irgendwann trocknet jeder Elko aus. Ausserdem mag kein Elko übermäßige Wärme…

Elkos direkt im Signalweg sind in etwa genauso „Pfui-bah“ wie eine Roux an Spargel. Es gibt aber durchaus Anwendungen, da macht ein Elko (und hier bitteschön ein für diese Zwecke entwickelter Elko) durchaus Sinn. Und solange der Nutzer nicht weiss das ein Elko im Signalweg liegt, ist auch alles in Ordnung. Aber wehe, das kommt heraus – dann ist auf einmal alles falsch.

Und dabei wollen wir es belassen. Es gibt durchaus „audiotaugliche“ Elkos, diese sind aber wesentlich teuerer und ab einer bestimmten Grössenordnung (sowohl kapazitätsmässig als auch von den Ausmaßen) kommt man um eben diese Elkos nicht drumherum. Ich persönlich setze diese Dinger ganz gerne ein – erspare ich mir damit das leidige „Bypassen“ mit anderen Kondensatoren-Dielektrika.

100µF sind 100µF. Oder?

Und jetzt kommt etwas, was viele Bastler gar nicht auf dem „Schirm“ haben: Die Elkos werden seit ein paar Jahren immer kleiner. Ein 100µF/450V Elko ist heute wesentlich kleiner als noch vor etwa zehn Jahren. Technischer Fortschritt? Denkste! Die Industrie trickst hierbei gewaltig – und zwar bei dem Dielektrikum – dem eigentlichen Elektrolyt.

Das „neue“ Elektrolyt wird lediglich wegen der verringerten Kosten eingesetzt, nicht mehr und nicht weniger. Leider schlägt sich das nicht im Verkaufspreis nieder… Kapazitätsmäßig gibts also keinen Unterschied, wohl aber bei den „sekundären“ Eigenschaften (besonders ESR und Impedanz).

Dies betrifft vor allem die Bauform mit „radialem Anschluss“. Die Elkos mit axialen Anschlussdrähten sind davon noch nicht betroffen. Wann immer es geht, sollten Elkos mit axialen Anschlussdrähten verwendet werden.

Elkos im Netzteil

Höchst seltsam mutet es an, wenn zwar Wert auf teure Koppelkondensatoren gelegt wird, aber den Elkos im Netzteil keine Beachtung geschenkt wird. Dabei steht und fällt ein Verstärker (auch oder gerade ein Röhrenverstärker) mit dem Netzteil.

Da die Auswahl an Hochspannungs-Elkos immer kleiner wird, ist es mittlerweile Usus, dass Elkos seriell beschaltet werden, um eine bestimmte Spannungsfestigkeit zu erreichen. Manchmal ist das sogar unumgänglich, wenn eine Spannungsfestigkeit von beispielsweise 800V erzielt werden muss. Das ist alles legitim, wenn bei einer seriellen Beschaltung Symmetrierwiderstände eingesetzt werden, damit jeder Elko auch wirklich innerhalb seiner Spezifikation arbeiten darf.

Fehlen diese Widerstände, knallt das auf Dauer.

Und dann sind da natürlich die Kosten! Zwei seriell zu schaltende 1000µF/250V Elkos (ergeben 500µF/500V) sind, mitsamt Symmetrierwiderstände, immer noch billiger als ein einzelner 470µF/500V Elko. Die „fehlenden“ 30µF spielen bei dieser Größenordnung übrigens keine Geige mehr…

Nun hat das serielle Beschalten von Elkos auch ein paar handfeste Nachteile! Wenn (üblicherweise) zwei Elkos seriell beschaltet werden, um eine doppelte Spannungsfestigkeit zu erzielen, verringert sich auch (leider) die Kapazität um die Hälfte. Um also eine bestimmte Kapazität zu erhalten, muss man also die Einzelkapazitäten nahezu verdoppeln. Und da ist sie wieder, die „blöde Zeitkonstante“: Je grösser die Kapazität, desto „langsamer“ wird der Elko (er muss ja auch Zeit haben, sich aufladen können). Doch nicht nur das, auch die unumgänglichen, negativen Eigenschaften verdoppeln sich nahezu!

Um diese negativen „Begleiterscheinungen“ möglichst niedrig zu halten, sollte daher Wert auf Kondensatoren gelegt werden, die möglichst geringe „Negativmerkmale“ aufweisen (vor allem ESR, Impedanz, Restbrummfaktor…). Deshalb sollte man eine „dicke“ Kapazität aus mehreren, parallel geschalteten, Kondensatoren zusammensetzen. Sie dürfen mir glauben – das geht ins Geld. Von den beachtlichen voluminösen Ausmaßen der Elkobatterie nicht zu reden (besonders dann, wenn durch Reihenschaltung noch eine gewisse Spannungsfestigkeit erreicht werden muss…).

Beispiel: Es muss mit 220µF gesiebt werden. „Der Elko“ wird besser, wenn sich diese Kapazität aus 2x 100µF zusammengesetzt wird (Parallelschaltung). Wenn Sie (unbegründete) Bauchschmerzen wegen den fehlenden 20µF bekommen, dann schalten Sie eben noch einen 22µF parallel. Noch besser wird es mit 5x 47µF. Sie können natürlich auch 22x 10µF einsetzen… Sie sehen, ab einem gewissen Punkt sollte man Fünfe gerade sein lassen.

Es hat sich daher bewährt (um eben eine Elkobatterie zu vermeiden), dass den „dicken“ Siebelkos ein „anständiger“ MKP parallel geschaltet wird. Rein subjektiv betrachtet, macht ein MKP die Elkos „schneller“. Elkos können wirklich sowas von träge sein… Auch hier muss man das Verhältnis beachten! MKP-Kapazitäten, die weit innerhalb einer Elko-Kapazität liegen (meist 20% Toleranz) nützen kaum bis nichts. Gerade bei Siebelkos muss wirklich schon etwas „spürbares“ vorhanden sein! Alles andere ist lediglich „Gewissensberuhigung“.

Die klanglichen Eigenschaften (Achtung! Jetzt kommt es!) eines Röhrenverstärkers ändern sich merklich, sobald ein MKP im Netzteil verbaut wurde (in einem Halbleiterverstärker kann auch ein MKT eingesetzt werden – ein entsprechender MKP dürfte zu grosse Ausmaße haben) und wenn Siebkapazitäten mit „Augenmaß“ eingesetzt werden.

Besonders bei Eintaktverstärker und bei Verwendung eines Röhrengleichrichters hat es sich bewährt, die Siebkapazitäten mindestens zu 50% aus Folienkondensatoren zu bilden. Dort machen sich die „langsamen Elkos“ besonders stark bemerkbar.

Ein oft gemachter Fehler ist, es mit den Kapazitäten im Netzteil zu übertreiben. Die Berechnung des Siebfaktors ist zwar hilfreich, kann sich aber auch als Trugbild herausstellen, denn ein guter Siebfaktor kann in der Praxis zu einem sehr langsamen Verstärker führen. Es ist gerade hier Augenmaß (schönerer Ausdruck für „Erfahrung“) gefragt. Folgende Übersicht gibt eine Richtlinie:

Röhrenverstärker Sinusleistung          Siebkapazität / Kanal
       bis etwa 10W                             50µF             Eintakt   m. Drossel
       bis etwa 20W                            100µF             Gegentakt m. Drossel
       bis etwa 35W                            250µF             Gegentakt o. Drossel
       bis etwa 70W                            500µF             Gegentakt o. Drossel

Die Siebkapazität sind hier wirklich nur grobe Richtwerte. Je nach Anwendung (!) und Röhrentyp (!) liegt man auf jedenfall richtig, wenn man noch etwa 50% aufschlägt (einige, für NF nicht gedachte Röhren benötigen sogar noch mehr). Eine Kontrollrechnung nach Siebfaktor ergäbe zwar ein „grauenhaftes“ Ergebnis – aber einen gut klingenden, schnellen, Röhrenverstärker.

Tja, und was mathematisch absolut nicht begründet werden kann, ist die Tatsache, dass ein 10µF MKP in etwa das leistet, was ein 20µF Elko zu leisten vermag (das ist stark vereinfacht). Da versagt die Mathematik, weil hier lediglich Kapazitäten berücksichtigt werden – nicht aber, wie sich diese Kapazitäten zusammensetzen. Oder anders ausgedrückt: Die „einfachen“ Formelsammlungen berücksichtigen nicht die Eigenarten (positive und negativen Merkmale) eines jeden Kondensators.

Und das ist keine HiFi-Esoterik, sondern Physik.


Update 21.02.2019
Nach nunmehr über vier Jahren, den dieser Artikel online steht, sorgt besonders der letzte Absatz jetzt für „Stimmung“, weil anscheinend doch missverständlich.

Zunächst einmal ist der Kapazitätswert beispielhaft. Im Nachhinein betrachtet ein ziemlich schlechtes Beispiel.

Die genannte Kapazität wird natürlich nicht durch Einsatz eines anderen Dielektrikums (hier MKP) verdoppelt oder verdreifacht.

Lediglich die „Wirkung“ kann zu einem besseren Ergebnis führen. Bei der genannten Beispielkapazität dürfte eine „Verbesserung“ allerdings sehr schwer nachzuvollziehen sein.

Ob ein Elko durch einen MKP (bzw. FKP), oder ob die nötige Kapazität durch Kombination beider Dielektrika (Beispiel: Halb/Halb) ersetzt werden kann, ist auszuprobieren.

Das Ersetzen einer „dicken“ Elko-Kapazität durch Parallelschaltung mehrerer kleiner Elko-Kapazitäten, um den ESR zu senken, hängt stark vom Kosten- / Nutzenfaktor ab. Irgendwann stösst man an die Grenzen. Ein einzelner LOW-ESR Elko mit gleichem Kapazitätswert ist da mit Sicherheit preiswerter.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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