Netzteil-Getrickse

Pfiffiges

Während man Folienkondensatoren auch mit einer Spannungsfestigkeit von 2000V bekommt, ist bei handelsüblichen Elkos (Elektrolytkondensatoren) bei 550V Schluss. Arbeitet man mit Spannungen darüber, ist man gezwungen, derartige Kapazitäten seriell zu schalten.

In dem Maße, wie sich die Spannungsfestigkeit erhöht, vermindert sich die effektive Kapazität – wobei man nicht vergessen darf, dass die „Einzelkapazitäten» immer noch vorhanden sind.

Ganz streng genommen ist die Parallel- oder Serienschaltung (Kondensatoren, Widerstände) auch ein Getrickse, das aber sehr oft unumgänglich ist. Ausserdem lässt sich das auch noch exakt berechnen.

Nur nebenbei: Etwa 1000V mit nur zwei Kondensatoren „sauber» zu bekommen, geht. Viel besser „geht’s» mit drei oder gar vier seriell geschaltete Kondensatoren.

Natürlich kostet das. Und allein nur deshalb findet man häufig, also zu 95%, nur zwei seriell beschaltete Kondensatoren.

Damit die seriell geschalteten Kondensatoren tatsächlich auch nur „ihren» Spannungsbereich „sehen», müssen (!) diesen Kapazitäten gleich grosse Widerstände parallel geschaltet werden. Üblich sind zB. 100 bis 220kΩ. Diese Widerstände bilden zugleich den Entladewiderstand.

Nicht nur bei kommerziellen Verstärkern werden diese wichtigen Bauteile auch schon mal „vergessen». Das geht dann natürlich irgendwann daneben. So weit, so normal.

„Ladungspumpen» und Simulationsschaltungen (Gyrator – elektronische Drossel, elektronische Kapazität – Kapazitätsmultiplizierer) fallen ebenfalls in diese Rubrik. Der Einsatz derartiger „Simulanten» ist jedoch genau abzuwägen…

Pfusch

Bei der Arbeit an den P88-Monos (auch bei Recherche), bin ich recht oft auf „krummes» Getrickse gestossen.

Scheint neuerdings zum guten Ton zu gehören. Das mag eine zeitlang „irgendwie» funktionieren. Aber „irgendwann» fährt auch das gegen die Wand. Das hier, meine ich

netz1

Sieht harmlos aus, hat’s aber in sich.

Die Kondensatoren sind zunächst völlig korrekt beschaltet. Aus zwei 200µF/500V Kondensatoren entsteht eine Siebkapazität von 100µF/1000V. Die parallel geschalteten Widerstände weisen einen Wert von 220kΩ auf. Die Spannungsfestigkeit ist zwar sehr knapp, spielt aber zunächst keine Rolle…

Ub1 soll also 1000V betragen. Ub2 wäre demnach „Ub1-Halbe». Theoretisch. Praktisch reicht allein der Innenwiderstand des Messgerätes, um Ub2 nur in etwa „Ub1-Halbe» werden zu lassen. Ub2 sackt noch weiter ab, wenn man diesen Abgriff für Verstärkerstufe nutzt.

(In meinem Fall ergab eine Überprüfung, dass „Ub1-Halbe» – selbst im Leerlauf – nicht annährend erreicht wurde. Ein sicheres Zeichen, dass ein Kondensator schon kurz vor’m Auskotzen seines Elektrolyts steht…)

In der Regel ist der Innenwiderstand eines Messgeräte sehr hoch, um kaum eine Belastung darzustellen. Beispielsweise 5MΩ. Der Innenwiderstand einer Verstärkerstufe liegt aber sehr deutlich darunter. Nehmen wir als Beispiel 100kΩ.

Dem unteren Widerstand wird praktisch ein Widerstand parallel geschaltet. Aus den vormals 220kΩ wird beim Messgeräteanschluss 210kΩ, die Verstärkerstufe „produziert» dagegen gerundete 70kΩ.

Fazit

Ub2 ist somit nie und nimmer „Ub1-Halbe», oder nur solange, wie die Verstärkerstufe kalt oder nicht angeschlossen ist. Das liesse sich sogar berechnen. Über den oberen Kondensator fällt nun eine Spannung ab, für die er – bei 500V Spannungsfestigkeit – nicht gemacht ist…

Das Netzteil wird deshalb nie nicht richtig funktionieren.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.