Ongaku Röhrenverstärker

J.C. Morrison

Ein Amerikaner mit einem Faible für „ausgefallene“ Schaltungskonzepte. Seine Lieblings-Doppeltriode scheint die 6SN7GT gewesen zu sein. Die Uchidas gehen zB. auf seine Schaltung von 1993 zurück. Dazu kam, dass ihm scheinbar alles zuwider war, was an Röhren nicht in einer Oktalfassung passte. Nun gut, irgendeinen „Spleen“ hat ja jeder…

Etwa Mitte der 1990’er Jahre knöpfte er sich den Ongaku-Verstärker vor. Hier (Seitenende) der Sprung in die Vergangenheit. Der zugehörige Schaltplan lässt sich mit Datum 14. Februar 2006 aufrufen.

Also der hier:

ongaku-morrison

Achtzehn Watt sollte die Morrison-Variante schaffen. Das entspricht ziemlich exakt das theoretische Maximum in „richtiges“ Class-A(1), also Anodenverlustleistung (75W) dividiert durch vier.

Zwei Besonderheiten:

Das Netzteil ist eine typische „Bastlerlösung“. Ich würd’s so nicht nachbauen. Und es ist zu bezweifeln, ob in der Treiberschaltung wirklich eine einfache 6SN7GT eingesetzt wurde. Mit lediglich 2,5W Anodenverlustleistung pro Triode ist sie da „etwas“ zu schwach bzw. wird grenzwertig betrieben. Also ganz weit von der 5687 entfernt.

Eine 6SN7GT-A oder -B kommt pro Triode mit 5W Anodenverlustleistung daher. Das wäre dann schlüssig. Es war und ist nicht unüblich, dass man solche Details „vergass bzw. vergisst“. Auch in der Literatur wird manchmal das A oder B „vergessen“.

Der Unterschied zwischen A und B ist eigentlich nur, dass die 6SN7GT-B „kontrollierter“ aufheizt. Das war für ihr ursprüngliches Einsatzgebiet (Serienheizung in amerikanischen Fernsehgeräten) erforderlich.

Gegenüber dem Original gibt’s bei Morrison noch ein paar kleine, aber feine Unterschiede: Ruhestromregelung, interne Gegenkopplung und die etwas geringere Versorgungsspannung für die 211. In der Treiberschaltung – zumindest lt. Schaltplan – unterdimensionierte Widerstände. Und da wäre noch die geringere Primärimpedanz der Übertrager…

Die Wechselspannungs-Heizung für die Vorstufenröhren ist beim Ongaku-Original „hochgelegt“, also definiertes Uf/k-Potenzial. Bei Morrison hingegen werden die Röhren mit Gleichspannung beheizt und zusätzlich „symmetriert“.

Die Morrison-SRPP ist schaltungstechnisch eine „echte“ SRPP. Diese Schaltung dürfte sogar wie SRPP funktionieren… Und – sollte tatsächliche eine „normale“ 6SN7 verbaut gewesen sein – dann ist die „geringe“ Ausgangsleistung logisch.

Bei Class-A2 gilt ja: Was von „vorne“ nicht kommt, kann „hinten“ auch nicht herauskommen.

Poor man Ongaku

So bleibt’s eben bei den 18W. Morrisons Schalte kratzt an A2, nicht mehr. Vergleichbar in etwa mit Class-AB Verstärker: Im unteren Leistungsbereich Class-A und je mehr Leistung angefordert wird, zu Class-B hin gleitend. Statt B hier natürlich A2. Class-A1/A2, quasi. Etwa 8W bis 9W in Class-A1, alles was darüber hinausgeht dann zu A2 gleitend.

Morrisons Schaltung stiess nicht unbedingt auf grosse Gegenliebe. Besonders die A2-Fans monierten da die 6SN7, mit der eben kein richtiges A2 möglich sei. Die Morrison-Schaltung hat eigentlich mit Ongaku wenig zu tun. Die entscheidende Zutat fehlt. Und das ist eben die 5687-Triode. Wie so viele Schaltungen aus dieser Zeit, blieb auch dieses Konzept nur eine Randerscheinung. Morrison hat sich scheinbar nicht weiter dazu geäussert.

Und nun?

Warum das Ganze? Weil da zwei China-Monos auf der Werkbank abgestellt wurden. Und weil mir der dazugehörige Schaltplan bekannt vorkam, wollte das recherchiert werden.

Diese China-Monos lehnen sich sehr stark an die Morrison-Schaltung an. Zwar mit Detailänderungen, aber unverkennbar „ein Morrison“. Selbst die interne Gegenkopplung ist (wenn auch falsch) vorhanden. Die Beschaltung der SRPP ist ebenfalls exakt „like Morrison“. Das kenne ich von diesem Hersteller so nicht.

ongaku-morrison-spark

War Morrisons Schaltung schon eher eine „Poor man“-Ongaku, steht auf der Werkbank nun eine „Very poor man“-Ongaku.

Ach ja: Die Monos nennen sich 9021D, kamen aus dem Hause Spark (Cayin) und wurden um das Jahr 2000 auf den Markt geschmissen. Ein Verstärker, dem kein langes Leben beschieden war. Wenn meine Informationen stimmen, waren die 9021 zwei Jahre später bereits weg vom Fenster.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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