Parallel oder „Einfach» Single-Ended Röhrenverstärker sind Geschmackssache. Und darüber soll man nicht streiten. Genausowenig, wie man die Röhren parallel schalten soll. Da gibt es doch recht oft eine „seltsame» Auffassung von Röhrentechnik. Nicht umsonst haben sich Parallel Single-Ended (PSE) Röhrenverstärker (vornehmlich aus dem esoterischen High-End Bereich) einen zweifelhaften Ruf erworben. Ein Großteil der lötenden HiFi-Hobby-Bastler macht das hingegen, soweit ich das überblicken konnte, richtig.
Auch wenn in der Überschrift „Single-Ended» steht – prinzipiell gilt das Folgende für alle Röhrenschaltungen, in denen Röhren parallel geschaltet werden. Also auch (oder gerade) für Gegentakter (Push-Pull).
Um einen weit verbreiteten Irrtum sofort auszuräumen: Zwei parallel geschaltete 300B, 2A3, EL34 oder KT88 haben mit der ursprünglichen, also einzelnen, Röhre (bis auf den „Namen» und der Glasform) kaum noch etwas gemeinsam. Starker Tobak?
Warum überhaupt Parallel?
Man schaltet vorzugsweise Trioden aus dem Grund parallel, um eine höhere Leistung zu erzielen. Eine 2A3, beispielsweise, schafft unter Aufbringung allergrösster Mühen, vielleicht saubere drei Watt. Das macht selbst an 90dB-Lautsprecher kaum Spass. Mit zwei parallel geschalteten 2A3 wird die Ausgangsleistung nahezu verdoppelt. Viel mehr wird vom Verkäufer oder in den Verstärker-Prospekten nicht hören oder finden. Die höhere Ausgangsleistung ist aber nicht alles…
1+1=1
Auch die Kenndaten der Röhren ändern sich. Natürlich. Das Datenblatt zu den einzelnen Röhren ist, ohne „Neuberechnung», nahezu wertlos. Bei zwei Röhren gleichen Typs gilt: Einige Datenblattangaben verdoppeln, andere Werte halbieren sich (fast). Aus zwei parallel geschalteten 2A3 wird alles, bloss keine 2A3.
In der theoretischen Technik braucht man nur Anode mit Anode, Steuergitter mit Steuergitter und Kathode mit Kathode zu verbinden (bei Pentode noch die beiden Schirmgitter). Voila – Fertig? Denkste. So einfach ist das nicht. Das macht man so selbst bei den Transistoren nicht – und wenn doch, wird das innerhalb von Minuten daneben gehen.
Das direkte Parallelschalten von Trioden sieht man recht häufig bei Vorstufenröhren (Kleinsignal-Röhren), wie beispielsweise ECC81, ECC82 oder ECC83 und funktioniert bei den kleinen Vorstufenröhren auch ganz gut. Riesige Vorteile gibt es vor allem im Hochfrequenzbereich.
Für Audiozwecke bleibt eigentlich nur die höhere Verstärkung und der geringere Innenwiderstand übrig. Das funktioniert hier deshalb so gut, weil sie gleichmäßig (!) aufgeheizt und mechanisch kaum nennenswerte Toleranzen aufweisen.
Bei zwei physikalisch getrennten Röhrensystemen gibt es aber Toleranzen. Vergessen Sie das Ausmessen. Die Toleranzen sind da – quasi „von Geburt an». Dass sich zwei Röhren unterschiedliche Aufheiz-Zeiten genehmigen, weiss jeder versierte Bastler.
Es sollte also einleuchten, dass es von einer Röhre kein 100%-tig identisches Pendant gibt – selbst dann nicht, wenn in einer „grossen» Röhre zwei Systeme stecken. Die 6AS7G (Doppeltriode) ist diesbezüglich berühmt-berüchtigt.
Gerade bei den „grossen» Endröhren (2A3, 300B, 6AS7G, EL34, KT88…) sollte man sich das „harte» Parallelschalten verkneifen. Besonders bei der 6AS7G, die da geradezu verführt! Was die Macher von sog. „ultimativen» High-End Röhrenverstärker machen, sollte man nicht nachäffen. Egal mit welchen Argumenten da herumgeschlagen wird.
Was nämlich anfangs noch funktioniert, fährt irgendwann, mit „Karacho», gegen die Wand. Der Kollateralschaden ist oftmals höher, als der Gegenwert von zwei neuen Röhren.
Gauma (Paralleler GaU mit Ansage)
Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Röhrensysteme altern unterschiedlich. Der (stolze) Besitzer eines solchen PSE-Röhrenverstärkers hilft dabei sogar kräftig mit: Nämlich jedes Mal, wenn er den Verstärker anschaltet.
Bedingt durch die unterschiedlichen Aufheiz-Zeiten kommt die Röhre in einen komplett falschen Arbeitspunkt, die auch zuerst Betriebstemperatur erreicht. Und wenn es nur zehn Sekunden sind. Das summiert sich mit der Zeit und irgendwann ist es eben soweit.
Ist diese Röhre im sterben begriffen, übernimmt die andere, langsamere, Röhre zunehmend diese zusätzliche Last. Die langsamere, noch „gesunde», Röhre kommt nun auch zunehmend in einem Arbeitspunkt, in der sie nur eins kann: ebenfalls zu sterben. Besonders bei direkt geheizten Trioden (2A3, 300B, 845) ist der Heizfaden, in Parallelschaltung, der Schwachpunkt schlechthin.
Kommt dazu die Class-A Betriebsweise (Self-BIAS), werden beide Röhrensysteme permanent hoch belastet. Entsprechend bekommt der Alterungsprozess noch den Turbo eingelegt.
Bei Pentoden, mit ihrer höheren Steilheit, kommt zu alledem noch hinzu, dass das Röhren-Duo gerne anfängt, hochfrequent zu schwingen. Die unterschiedliche Alterung lässt sich leider nicht verhindern, wohl aber die Neigung, hochfrequent zu schwingen.