Gegenkoplung a la QUAD
Anders als sonst üblich geht die Gegenkopplung nicht auf die Eingangsröhre, sondern direkt auf die Paraphase-Phasenumkehrstufe und (!) über die Gitterableitwiderstände (680 Kiloohm) an die Steuergitter der Endröhren. Weil die Widerstände hier sehr hoch sind, ist die direkte Auswirkung auf das Signal eher gering. Über den Widerstand R8 (2,7 Kiloohm) gelangt das gegengekoppelte Signal auch an die Nicht-invertierterende Schaltungsstufe der Paraphase (im Schaltplan die untere EF86) und beeinflusst das Signal dort wesentlich stärker (grob formuliert wird das doppelt verstärkte Signal durch die Gegenkopplung etwas abgeschwächt).
Betrachten wir es nun anders herum: Die Gitterableitwiderstände (680kΩ) werden über den Widerstand R11 (Gegenkopplungswiderstand) und der Übertragerwicklung gegen Masse geschaltet und damit können diese Widerstände auch ihre Funktion gerecht werden. Zumindest aus „Sicht» der Gleichspannung. Kommt jedoch die Wechselspannung ins Spiel, wird es ganz, ganz „tricky» (dann wird nämlich der Wicklungswiderstand – die Impedanz – wirksam).
Übrigens: Mit einer Gegenkopplung (egal wie gestaltet) bekommt man das Signal zwar „sauberer», aber man muss auch Leistungseinbußen (Verstärkung) in Kauf nehmen. Mit der hier gewählten Gegenkopplung wird die Verstärkung der Paraphase stark „zurückgenommen». Der gewählte Widerstandswert von R11 ist „gefährlich» nah an einer Mitkopplung (Man kann den Gegenkopplungswiderstand nur bis zu einem bestimmten Punkt mindern. Ab diesem Punkt verkehrt sich die Gegenkopplung um.)
Hinweis: Derartige Schaltungen benötigen eine sehr hohe Treiberleistung (Spannungsamplitude) für die Endröhren (daher auch die Pentoden im Eingangsbereich). Diese soll in etwa die Hälfte der gleichgerichteten Versorgungsspannung betragen. Leistungsmäßig erreicht man kaum die Ausgangsleistung, die eine „normale» Gegentaktschaltung mit diesen Endröhren produzieren könnte. Das Ziel ist hier also nicht Leistung, sondern einen schnurgeraden Frequenzgang ohne röhrentypische Ausreisser (Laststabilität inklusive)!
Normalerweise wäre so ein Verstärker nicht kaum zu gebrauchen. Sowohl die Gegenkopplung, als auch der Übertrager wirken sehr „kontrollierend» auf die Verstärkerschaltung und erlauben keine „Ausreisser». Ketzerisch könnte man sagen, dass Transistoren dies wesentlich effektiver erledigen könnten. Damals gab’s aber solche Halbleiter nicht. 😉
Derartige „Tricksereien» waren für QUAD’s elektrostatische Lautsprecher (vorzugsweise ESL-57) aber unabdingbar. Gerade die elektrostatischen Lautsprecher benötigen einen laststabilen Verstärker. Und mit diesen Lautsprechern funktionierte dieser Verstärker, dem Vernehmen nach, recht gut.
Nachteilig bei elektrostatische Lautsprecher ist aber immer, dass diese einfach keinen Bass können. Besonders die ESL-57 Lautsprecherkonstruktion mochte erstens keine grosse Lautstärke und zweitens keine energiereichen Bassimpulse (sofern man 1950, 1960 von Bässen – so wie man es heute versteht – reden konnte). Die ESL-57 gingen schneller kaputt, als man „Piep» sagen konnte. Es passierte auch nicht so selten, dass der Lautsprecher im „Todeskampf» auch den Verstärker mitriss. Quasi aus Sicherungsgründen besaß der QUAD Übertrager einen „eingebauten», sehr niederohmigen Drahtwiderstand (dieser sollte im Havariefall durchbrennen). Dass dieser ein hundertstel Ohm der Gesamtimpedanz der Kathodenwicklung(en) betrug, kann Zufall sein.
Gegen die Bassarmut halfen passive Subwoofermodule (so würde man heute sagen). Die notwendige Frequenzweiche lieferte QUAD natürlich auch gleich mit. Gegen Aufpreis. Kleine Anekdote: Der Braun LE-1 Lautsprecher ist ein in Lizenz gefertigter ESL-57 von QUAD. Allerdings wurde Braun mit dem LE-1 nicht glücklich…
Mit „normalen» Lautsprechern funktioniert ein Original QUAD II hingegen nicht optimal, weshalb es einige Nach- und vor allem Umbauten gibt, damit dieser Verstärker auch an „normalen» Lautsprechern das tut, was er machen soll. Es gibt heute diverse Nachbauten, die sich am QUAD II orientieren, aber auch mit einer wesentlich höheren Leistung und vor allem einer größeren Bandbreite daherkommen. Bei allen mir bekannten Um- oder Nachbauten wurde zu allererst die Paraphase „eliminiert» bzw. „entschärft». In einer „Extrem-Variante» (mit über 30 Watt) erinnert nur noch die KT66 und der „nachgewickelte» Übertrager an QUAD.
Wie die „neuen» QUAD’s aufgebaut wurden, kann nicht gesagt werden!
Natürlich hatte auch ein QUAD II zwei Pferdefüße: Er litt etwas unter thermischen – hrm – Problemen: 90 Watt Leistungsaufnahme stehen gerade einmal 15 Watt Ausgangsleistung gegenüber. Die Leistung, die nicht effektiv genutzt wird, löst sich ja nicht einfach in Luft auf (eigentlich das gleiche Spiel wie bei den Eintaktverstärkern). Dazu kommt, dass bei grosser Lautstärke, zB. an „normalen» Lautsprechern, die gegengekoppelte Paraphase herumzickt (aus der Gegenkopplung wurde nur allzu leicht eine Mitkopplung).
Das QUAD-Prinzip wurde gerade rund um das Milleniums-Jahrzehnt immer wieder „neu» erfunden. Die Sache mit dem Ausgangsübertrager allerdings wurde meist gründlich missverstanden – die Sache mit den geteilten Lasten (Anoden- und Kathodengekoppelter Übertrager) interpretierte man häufig als „Fifty-Fifty-Last». Da kamen wirklich abenteuerliche Verstärker auf dem Markt. Einen davon überarbeite ich gerade (September 2015).
Aus dieser Zeit stammt, meines Wissens nach, nur ein QUAD-ähnliches Konzept welches auch heute noch mehr wie gut funktioniert: die (mittlerweile ebenso legendären) ACPP-Verstärker von Welter (ACPP ist das firmeneigene Kürzel). Chapeau! Wenn Sie so einen ACPP-Verstärker bekommen können, greifen Sie zu.
Auch wenn die Beschaltung von McIntosh-Übertrager ähnlich aussieht, ist die Technik dahinter eine ganz andere. Anstatt zu schichten, wie bei QUAD, wickelte man bei McIntosh die Wicklung mit mehr als einem Draht gleichzeitig (Unity Coupled – perfekte Kopplung). Das Wirkprinzip bzw. das, was man erreichen wollte, ist jedoch identisch.
Nachtrag: Mit der Gegentakt-Ultralinearschaltung erreicht man nahezu das Gleiche, wie mit dem Prinzip der geteilten Lasten. Vorteil der Ultralineartechnik ist, dass die Leistungsausbeute wesentlich höher ist. Deshalb hat sich das Quad-Prinzip auch nie so richtig durchgesetzt. Verstärker, die nach dem Prinzip der geteilten Lasten arbeiten, waren und sind eher ein „Nischenprodukt».
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