Röhrengleichrichter

Es ist kompliziert

Jeder Röhrengleichrichter benötigt einen „speziellen» Netztrafo bzw. eine „spezielle» Spannungswicklung am Netztrafo. Gemeint ist der Wicklungswiderstand (in den JJ-Datenblättern findet man die Bezeichnung Rtr). Der eine Gleichrichter will einen Wicklungswiderstand von 100Ω „sehen», der andere Gleichrichter dagegen 200Ω je Anode.

Da braucht man sich nicht sklavisch daran zu halten. Da ist die Röhre ziemlich tolerant. Weicht aber der Wicklungswiderstand zu weit von den Vorgaben ab, macht der Röhrengleichrichter auf kurz oder lang Probleme (Alterung im Zeitraffer).

Beispiel: Steht im Datenblatt, dass Rtr 100Ω pro Anode sein sollte, gehen 80 oder 70 gemessene Ohm noch in Ordnung. Fünfzig Ohm allerdings nicht mehr.

Das lässt sich jedoch mit entsprechenden Festwiderständen ausgleichen, muss dabei aber auch den Spannungsabfall beachten, den diese Widerstände verursachen. In unserem Beispiel wären dann 47Ω je Anode einzusetzen.

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Fast perfekt

Eine andere Variante ist, den Widerstand an der Kathode auszugleichen. Wenn man es (fast) perfekt machen will, bezieht man die Heizung mit ein, die man nötigenfalls mit 100Ω-Widerstände symmetriert.

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Ladekapazität

Weniger kompliziert die Sache mit der Ladekapazität. Man erspart sich viel Ärger, wenn man sich strikt an die Vorgaben im Datenblatt hält. Etwas weniger ist okay, ein Zuviel an µF ist dagegen tabu. Ich habe es mir angewöhnt, maximal etwa 75% von den Datenblattangaben einzusetzen.

Die Maximalangabe in den Datenblättern bezieht sich auf die maximale Auslastung der Röhre. Je weniger der Röhrengleichrichter belastet wird, desto höher darf theoretisch die Ladekapazität werden.

Wirklich nur nackte Theorie!

Das heisst nun nicht, dass man das in der Praxis umsetzen sollte. Bei der beliebten 5U4G, beispielsweise, sind etwa 30µF erlaubt. Wird häufig verwechselt mit der 5U4G-B, die 40µF „verträgt». Meines Wissens ist die russische „Black plate»-Variante eine 5U4-B.

Bei der weniger „hübsch» aussehenden GZ34 darf es maximal 60µF sein. Bei Verwendung gerade dieser Röhre findet man sehr oft „nur» 47µF. Damit ist man auf alle Fälle „save».

Eine 274B darf nur mit max. 4µF belastet werden. Auch wenn diese Röhre kaum belastet wird, sind bereits 10µF ein schleichendes Gift. In den 300B-Verstärkern von L’Audiophile bekommt es die Gleichrichterröhre (5R4WGA) gar mit 100µF (statt 20µF) zu tun. Das ist dann ein gallopierendes Gift an der auch Lucrezia Borgia ihre Freude gehabt hätte.

Nochmals zur 274B oder auch die GZ37: Das sind Röhrengleichrichter, die besser und leistungsfähiger mit „choke loaded» arbeiten. Also direkt mit einer nachgeschalteten Drossel. Erst dann wird die 274B wirklich gut: Auch bei hoher Belastung bleibt die Spannung konstant. Wird dagegen „Condenser Loaded» verwendet, neigt der Röhrengleichrichter bei hoher Belastung zu Kompression.

Es ist gerade dieser Kompressionseffekt, der manchmal ausgenutzt wird. Zum Beispiel in Gitarrenverstärker. Das geht natürlich einher mit erhöhtem Verschleiss.

Auf einigen Websites wird angegeben, dass die 274B eine 5U4G oder GZ34 ersetzen kann. Das ist so nicht richtig und soll wohl nur ein Anreiz zum Kauf sein.

Es ist gerade die Ladekapazität, die Verantwortlich für einen hohen Verschleiss ist. Eine GZ34 macht es problemlos mehrere Jahre (weil die Ladekapazität mit 47µF deutlich unter Maximalwert ist), eine 5U4G macht vielleicht nach zwei Jahren die Grätsche (weil die Ladekapazität mit 47µF zu hoch gewählt wurde).

Röhrengleichrichter und Klang

Heikles Thema. Ein Röhrengleichrichter an sich klingt nicht. Wenn sich der Klang eines Röhrenverstärkers nur durch Austausch bzw. Typwechsel des Gleichrichters ändert, dann liegt eine mehr oder minder starke Fehlanpassung vor.

Wie jede andere Röhre auch, hat auch die Gleichrichterröhre individuelle „Daten» und Anforderungen. Weicht man davon ab, ändert sich das Netzteil, eine „Klangänderung» ist logisch.

Eingangsseitig wurde erwähnt, dass eine „normale» Diode (1N4007) einen Röhrengleichrichter haushoch überlegen ist. Das bezieht sich zunächst auf die Verluste.

Während die Verluste bei einer Diode zu vernachlässigen sind (vielleicht 2V), sieht das bei den Röhrengleichrichtern anders aus.

                max. lieferbarer                   gerundet
                   DC-Strom                       Vdrop pro Anode
  83                   225                        15V
  5AR4 / GZ-34         250                        20V
  5AT4                 800                        30V
  GZ37                 350                        40V
  5U4-G                225                        45V
  5U4-GB               275                        50V
  5R4GYB               250                        65V
  5R4G/GY/GYA          250                        70V

Auch das kann sich klanglich auswirken.

Die 83 ist hier ein Sonderfall: Das ist ein Quecksilberdampf-Gleichrichter. Wie alle „Queckies» besitzen diese einen geringen Innenwiderstand und können wirklich etwas leisten. Wegen des Quecksilbers sind sie nicht ganz unproblematisch in der Handhabung – passiert nämlich ein Glasbruch (selten, ja, ich weiss), darf man das städtische Entgiftungskommando anrufen…

Röhrengleichrichter mal anders

Bei manchen Röhrenverstärker ist es durchaus sinnig, die Versorgungsspannung langsam auf die Anoden zu geben. Das ist nahezu bei allen direkt geheizten Röhren (Glühkathode) der Fall. Also bei 2A3, 300B, 211, 845 usw.

Ein „Softstart» bei einer 845 zu realisieren ist allerdings schon etwas heikel. Mit einem entsprechenden Röhrengleichrichter, beispielsweise GZ34, lässt sich das dagegen schnell und problemlos realisieren.

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Derartiges wird allerdings auch in „billigen» China-Verstärkern verwendet, um etwas vorzugaukeln, was nicht da ist.

Besser als den Röhrengleichrichter zum Deko-Objekt zu degradieren, wäre diese Schaltung. Die „Fifty-Fifty Graetzbrücke» (Vierwege-Gleichrichter).

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Für die Dioden sollten mindestens 2A-Dioden verwendet werden.


Hinweis: Der ursprüngliche Text wurde überarbeitet, ergänzt bzw. verständlicher gestaltet.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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