BIAS-Getrickse
Da die 300B in Class-A1 „fährt“, wird die negative Vorspannung mit Hilfe eines sog. Kondensatornetzteils gewonnen, weil der Trafo keine „passende“ Spannung zur Verfügung stellte. Das funktioniert so ähnlich wie bereits hier beschrieben, nur dass jetzt ein separater Spannungsabgriff des Netztrafos genutzt wird. Eine legale Trickschaltung, die u.a. auch bei LED’s für Netzspannungen angewendet wird.
Das, was hier genutzt wird, ist die sog. Blindleistung. Also das, was die Stromlieferanten gar nicht gerne sehen, weil sie mit den alten Stromzählern nur unzureichend erfasst werden. Aber mit den modernen „Smart-Metern“ sehr wohl…
Aaaber – und das ist der Knackpunkt: Für eine stabile Ausgangsspannung setzt so ein Kondensatornetzteil eine definierte, also fixe Last voraus, durch den ein ebenso fester Strom fliessen kann. Dann erst funktioniert das. Das Geheimnis eines solchen Netzteils liegt also bei einer definierten Last – hier also beim Lastwiderstand.
Diese Spannung lässt sich jedoch nicht regeln. Mit einer „normalen“ Spannungs-Reglerbeschaltung, wie sie schon seit Urzeiten in Röhrenverstärkern verwendet wird, kommt man damit also auf keinen grünen Zweig.
Des „Bastlers Lösung“ (DIY-Steampunk at its best)
Man macht den Lastwiderstand regelbar. Hier, ein 330kΩ-Festwiderstand dem ein 470kΩ-Regler parallel geschaltet wurde. Natürlich würde das auch ohne den Festwiderstand funktionieren. Aaaber (zum Zwoten): Der Festwiderstand hat hier auch eine Schutzfunktion. Fällt der Regler aus (warum auch immer), dann soll der Festwiderstand für eine ausreichend hohe negative Gittervorspannung für die 300B sorgen. Ohne diesen Widerstand – und damit ohne Gittervorspanung – würde das sonst zum schnellen Tod der 300B führen.
Man „regelt“ also nicht die Spannung an sich, sondern die ohmsche Belastung der Kondensator-Spannung. Je grösser der Wert des Lastwiderstandes, desto geringer die Belastung, desto höher die negative Spannung, desto geringer der Ruhestrom für die 300B. Je kleiner der Widerstandswert, desto größer die Belastung, desto geringer die Spannung, desto höher der Ruhestrom.
Die Last, die die 300B verursacht, ist zu vernachlässigen. In Class-A bzw. -A1 und -B werden die Endröhren ja (nahezu) leistungslos angesteuert. Das lässt sich im Groben auch berechnen. Hier, zum Beispiel. Als gewünschten Ausgangsstrom gibt man bei Einweggleichrichtung etwa 2mA ein.
Ich bin ja schon etwas länger dabei, aber so ein BIAS-Getrickse habe ich – in Röhrenverstärkern – auch noch nicht gesehen. Funktioniert aber.
Der kleine Haken
Das, was da am Gitter der 300B passiert, sollte man sich nicht am Oszilloskop anschauen. Man sucht sonst nach Fehlern, die nicht da sind. Also: Nicht verrückt machen lassen, denn das ist eigentlich eine „Geistererscheinung“. Am Lautsprecherausgang sieht es so aus, wie man es erwarten kann und auch kennt.
Hinweis: Dass der Kondensator für die anliegende Wechselspannung ausgelegt sein muss, sollte klar sein. Dass man für den oder die Kondensator(en) mindestens einen sehr guten MKP bzw. FKP oder besser X2 nutzen sollte, auch. Ob die hier verwendeten Kondensatoren (zwei parallel geschaltet) dafür geeignet waren, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Diesbezüglich herrschte hier ja der Geist des DIY-Steampunk… Vorsichtshalber sind neue Kapazitäten eingebaut worden – auch weil die Wechselspannung geändert wurde.
Die Schaltung wird dahingehend modifiziert, dass man die 300B richtig schlafen legen kann. Dazu noch ein Schutzwiderstand für den Kondensator nebst Entladewiderstand. Mit einem zusätzlichen Serienwiderstand zum Regler wird ein unzulässiger (und damit für die 300B tödlicher) Ruhestrombereich unterbunden. Mehr wie 90mA wird’s für die 300B nun nicht mehr.