Röhrenverstärker Steampunk-Style

Apropos Kondensatoren

Genauer: PCB-haltige Kondensatoren. Und damit hört’s mit der (guten) Idee des DIY-Steampunk auf…

Die Motor-Kondensatoren waren – entgegen der ersten Befürchtung – nur „normale“ Metallpapier-Kondensatoren. Auch da muss man ja vorsichtig sein, denn bis 1982 wurde auch in solchen Kondensatoren PCB zum Imprägnieren des Papiers verwendet (eine explizite Kennzeichnung war nicht vorgeschrieben). Diese hier hatten den Fertigungsstempel 1984 und 1990.

Aber: Motor-Kondensatoren (ganz genau nennen sich diese Dinger hier Betriebskondensatoren) sind nicht zur Siebung in einem Gleichspannungs-Netzteil entwickelt worden. Sie sollen „nur“ den laufenden Motor (Wechselspannung) „stabil“ halten, also eine gewisse Drehzahl garantieren. Ganz genau sind sie zur Blindleistungskompensation zuständig.

Und es gibt ja noch andere Kondensatoreigenschaften, wie z.B. Innenwiderstand, Brumm- und Leckstrom etc, die bei einem Siebkondensator eine Rolle spielen… Zu guter Letzt: Auch aufgrund des Alters dürften diese Dinger den Status „End-of-Life“ erreicht haben.

Was ein echter „Steampunk(er)“ ist, der hört das natürlich nicht gerne, weil der Kondensator ja noch die richtige Kapazität aufweist. Die Betonung liegt hier aber auf das Wörtchen „noch“, denn es passiert meistens beim Einschalten: Derartige Kondensatoren werden nämlich schlagartig defekt – der Motor läuft dann nicht mehr „rund“. Wenn überhaupt. In vielen Fällen merkt man es eben nur daran, dass der Kondensator defekt ist.

Dass man Motor-Kondensatoren von der Resterampe zur Siebung einsetzte, ist damit zu erklären, weil sie seinerzeit erheblich billiger waren, als „richtiges“ MKP-Material. Okay, manche dichteten noch ein paar Voodoo-Eigenschaften an. Wer allerdings heute noch solche Dinger einsetzt, um ein, zwei Euros zu sparen, ist ein echtes „Sparbrötchen“.

Kurz und gut: Jeder gute MKP ist den alten Motor-Kondensatoren technisch überlegen. Und nun…

Schluss mit Lustig

Tja, ich hatte es hier schon einmal erwähnt: Man holt sich mit alten Öl-Kondensatoren eine extrem gesundheitsgefährdende Gefahrenquelle in’s Haus. Mit PCB oder Quecksilber (bei Quecksilberdampf-Röhren) ist nicht zu spassen. Wer diese Dinger heute noch (meist als ganz feines HiFi-Zeugs deklariert) ohne PCB-Hinweis feil bietet, der frisst auch kleine Kinder.

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Leute, da gibt’s bei mir kein Pardon. Egal, was man dafür bezahlt hat (ist eh zuviel gewesen – Geschenkt ist noch zu teuer). DIY-Steampunk hin oder her – das ist Sondermüll und wandert direkt zur Giftmüll-Abteilung des Wertstoffhofes. Hier also der alte Öltank (sogar PCB-gekennzeichnet mit dem Kürzel CP), den ich so aus den 1940’er Jahren verorte.

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Wenn man denn schon unbedingt Öl-Kondis einsetzen will: Dann nimmt man Neuware. Wenn es unbedingt „Alt“ sein soll, achtet man auf das Herstellungsjahr welches meist mit aufgedruckt ist. Man kann ruhig davon ausgehen, dass alles vor 1980 PCB-haltig ist. Es sei denn, es steht ein „Non PCB“ drauf.

Krumme Finger bekommt man generell, wenn sich kein Herstellungsdatum findet und / oder der Kondensator ungewöhnlich gross und schwer ist. Finden sich allerdings Kürzel wie „CL…“, „CD…“, „CP…“ oder „A30….“ bzw. „A40…“, dann sollte sofort der Fluchtreflex einsetzen.

Das betrifft auch die Drecksdinger mit (meist) kyrillischer Beschriftung aus den 1970’er / 1980’er Jahren. Und diese Aussage nehme ich erst dann zurück, wenn mit einer Laboruntersuchung das „Non PCB“ nachgewiesen wird. Aber da werde ich wohl sehr lange warten müssen. Eher bekommt Zar Wladimir der Kleine den Friedensnobelpreis.

Die Seelenverkäufer

Da können solche Typen versichern was sie wollen („Vollkommen in Ordnung“, „Absolut dicht“, „Das ist Highest-End“ oder – das kommt garantiert: „frihus Märchenstunde„) und beim Augenlicht seiner (längst verstorbenen) Schwiegermutter schwören. Da können die selbsternannten Fachleute, die in gewissen Foren unterwegs sind, behaupten, was sie wollen:

Das. Ist. Des. Teufels. Zeugs. Punkt.

Nicht das wir uns missverstehen: Jeder soll sich seinen Röhrenverstärker mit den Bauteilen aufbauen, die er für richtig hält. Von mir aus auch mit Bauteilen, die nicht nur seine eigene Gesundheit gefährden können, sondern auch die der Familienmitglieder.

Passiert da jedoch etwas (die Frage ist nicht „ob“, sondern „Wann“), wird man viel zu erklären und letztendlich auch viel zu bezahlen haben. So eine Dekontamination kostet nämlich ein paar Taler… Mit „Wisch & Weg“ ist es nicht getan.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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