Röhren mit diesem ominösen „varibalen µ“ sind Teufelszeugs und deshalb „Tube non grata“. Mit solchen Röhren baut man keine Verstärker. Derjenige, der es trotzdem macht, hat die „Pfanne am eitern“. Pentoden und HiFi ist zwar schon grenzwertig, wird aber gemeinhin noch akzeptiert. Aber Röhren, noch dazu Pentoden mit „variablen µ“? Geht’s noch?
Vielleicht liegen die „Tubes non grata“ deshalb wie Blei in den Regalen – natürlich mit den monetären… Nunja… Vorteilen.
Die Wenigsten wissen dabei genau, was es mit diesem „variablen µ“ auf sich hat und wofür es genutzt wird. Ja, das wird immer noch genutzt. Halbleiter können das heute noch besser, als es mit Röhren damals möglich war.
Also, Thema „variables µ“. Wie erkläre ich es?
Natürlich habe ich erst einmal nachgeschaut, was Andere aus diesem Thema gemacht haben. Das Ergebnis ist ernüchternd. Quasi als Selbstversuch ist dieser Artikel zu verstehen: Geht das wirklich nicht einfach und für jedermann einigermaßen verständlich zu erklären?
Ohne Formeln?
Ohne Haarspaltereien?
Als Resumee kann ich jetzt schon ziehen, dass es nicht ganz so einfach verständlich geworden ist. Dafür ist es – streng nach Barkhausen – ungenau. Ich denke, es dürfte aber reichen. Wenn man nicht bei Adam und Eva anfangen will, muss etwas „Kenne“ von der Materie vorhanden sein.
Zunächst eine Einführung für die technisch nicht ganz so versierten Bastler und interessierte Vollblut-Laien.
Verstärkungsfaktor µ
Die Angabe zum Verstärkungsfaktor (eigentlich Leerlauf-Verstärkungsfaktor) steht oftmals in den Datenblättern und ist eine dimensionslose Konstante. Die Hersteller waren meist so freundlich und haben das „µ“ für uns schon ermittelt. Anhand dieses Wertes kann ein erfahrener Bastler abschätzen, ob die Röhre für diesen oder jenen Verwendungszweck geeignet ist, oder nicht.
Man könnte dieses „µ“ auch als Wirkungsgrad bezeichnen. Wenn es dem Verständnis dient, bitte. Nichts dagegen. Nur bitte aufpassen, denn in der Röhrentechnik ist der Wirkungsgrad nicht alles…
Beispiel: Die ECC82 (12AU7) kommt mit einem „µ“ von etwa 17 daher. Die ECC83 (12AX7) hingegen mit einem Wert von 100. Einen Phono-Vorverstärker mit der ECC82 zu konstruieren, dürfte demnach keine so gute Idee sein. Die ECC82 ist nämlich gar nicht in der Lage, so hoch zu verstärken, um aus 5mV beispielsweise das einhundertfache (500mV) davon zu zaubern. Ganz anders eben die ECC83 mit ihrem „Wirkungsgrad“ von 100. Die Zahl 100 oder die einhundertfache Verstärkung ist willkürlich gewählt.
Den Leerlauf-Verstärkungsfaktor (µ) darf man zunächst ruhigen Gewissens als einen theoretischen Wert ansehen. In der Praxis sieht die Verstärkung ganz anders aus und hängt sehr stark von der Beschaltung der Röhre ab. Bei Trioden kommt man an den genannten Wert nie heran, wenn es noch funktionieren soll und bei Pentoden kommt man in eine ganz andere Welt.
Achtung: Die Hersteller waren sich damals nicht einig, wie sie diesen Verstärkungsfaktor nennen sollen. Da ist manchmal, typisch Deutsch, vom Durchgriff (D) die Rede. Das ist nur der Kehrwert vom „µ“. Manchmal taucht auch der Begriff Transductance, µmhos oder gm auf. Dann bleibt einem nichts anderes übrig, als „umzudenken“.
Weitere Kenndaten
Neben dem Verstärkungsfaktor sind zwei weitere Kenndaten wichtiger: Die Steilheit (S in mA/V) und der Röhren-Innenwiderstand (Ri). Nach dem „µ“ schaut der Bastler mit dem zweiten Blick auf eben diese Daten.
Der Verstärkungsfaktor ergibt sich rechnerisch aus diesen beiden Kenndaten. Zusammen mit dem verbauten Anodenwiderstand (Arbeitswiderstand) lässt sich dann die „reelle“ Verstärkung ermitteln. Wie hoch die nun tatsächlich ausfällt, hängt noch wieder von anderen Dingen ab, soll hier aber nicht interessieren.
Manchmal waren die Hersteller mit den Daten etwas geizig und „vergaßen“ die eine oder andere Kennzahl. Dann musste man eben mit den vorhandenen Daten arbeiten, um auf eine „fehlende“ Kennzahl zu kommen. Oder man organisiert(e) sich ein anderes Datenblatt. Damals wie heute war bzw. ist die Röhrentechnik eine verflixte Herumrechnerei. Früher mit Rechenschieber, heute läuft alles quasi automatisch mit einer Tabellenkalkulation. Oder man simuliert, sofern man die entsprechenden Modelle besitzt.
Übrigens: Alle Röhren mit einem „festen µ“ bezeichnet man im englischen auch als „Sharp Cutoff“. Dieser Begriff trifft es ziemlich genau…
Und was ist, wenn weder „µ“ noch „S“ und im schlimmstenfall kein Ri genannt werden? Dann wird es schwierig mit rechnen und simulieren, denn dann hat man es zu 99% mit einer „Tube non grata“ zu tun. Garantiert.
Also Röhren mit einem…