Tube non grata

Blick zurück

Als es die „Tube non grata“ noch gar nicht gab, wusste man durchaus wie man die Funktion der „Verstärkungs-Nachreglung“ realisieren konnte. Ich nennen es mal „MGC“: Manually Gain Control.

Man ging hin, nahm sich eine „empfindliche“ und hochverstärkende Pentode und legte die Verstärkung dann auf „sehr hoch“. So war auch sicher gestellt, dass auch sehr schwache Radiosignale empfangen und verstärkt werden konnten. Das hatte natürlich den Nachteil, dass „starke“ Empfangssignale die Röhre übersteuerten.

Um das zu verhindern änderte man die reelle Verstärkung am Anodenwiderstand und nicht, wie in der NF-Technik, am Steuergitter. Anstatt Festwiderstand setzte man einen regelbaren Anodenwiderstand ein.

ef50-receiver

Achten Sie auf V1. Dass die EF50 auch noch als NF-Stufe eingesetzt wurde, sei „nur“ nebenbei mit einem Augenzwickern erwähnt…

Und für HiFi heisst das nun was?

Um die „Tube non grata“ nun für normale Verstärkertechnik nutzbar zu machen, muss man „nur“ einen Arbeitspunkt finden, bei dem die „Regeleigenschaft“ des Steuergitters nicht oder kaum wirksam wird.

Um es mit Ratheiser zu halten: Das Eingangssignal sollte sich so lange wie möglich am äusseren Teil des Steuergitters „aufhalten“. Fertig.

Nene, soo einfach ist das nicht

Die „AGC“-Funktion geht damit nicht weg, sie tritt nur erst viel später und nahezu unmerklich in Erscheinung.

Wenn die „Sharp Cutoff“-Röhren von jetzt auf gleich in die Sättigung geraten wollen und damit den Dienst quittieren, verzerren sie zuerst. Das darf man als akutes Warnsignal auffassen.

Demgegenüber dreht die „Remote-Cutoff“-Röhre die Verstärkung ganz einfach sanft zurück. Ohne Verzerrungen. Das bekommt man noch nicht einmal richtig mit.

Geschickt ausgelegt passiert das erst bei etwa 70% der maximalen Leistungsabgabe eines Röhrenverstärkers. Beispiel: Wenn eine „normale Sharp Cutoff“-Röhre bei 20V Gitterspannung den Dienst abrupt quittiert, macht’s die „Tube non grata“ noch bis 35V. Das sind aber Werte, die in der normalen HiFi-Technik wohl kaum vorkommen.

Und jetzt mal ernsthaft: Ich habe noch nie einen Röhrenverstärker in den Händen gehabt, wo die vorverstärkende Röhre (zB. ECC83) in die „Sättigung“ fuhr. Verzerrung ja, aber keine „Sättigung“.

Tipp beim Messen: Zeigt das Oszilloskopbild beim Sinus einen grösseren Berg als das Tal, dann ist das „Automatic gain control“ wirksam und die Röhre eigentlich schon übersteuert. Die Beschaltung sollte man dann überdenken, wenn das im unteren Leistungsbereich vorkommt.

Gerade diese „Tubes non grata“ weisen zudem eine Eigenschaft auf, die man bei „normalen“ Röhren fast vergeblich sucht: Da diese Röhren für HF gedacht waren, sind die unerwünschten Eigenschaften von typischen NF-Röhren hier kein grosses Thema: Sie sind Rauscharm und kennen kaum relevanten Klirr.

Und da sind wir wieder im Phono-Bereich. Mit der richtigen „Remote Cutoff“-Röhre kann man einen zweistufigen Vorverstärker mit passiver Entzerrung realisieren, der sogar für MC-Tonabnehmer tauglich ist. Ohne Übertrager. Ohne Vor-Vorverstärkung. Hat sich was mit „Tube non grata“.

Das war’s.
Un-eigentlich.


Update 21.12.2019

„Remote CutOff“- bzw. Regelröhren (die schlimmstene „Tube non gratas“) nicht gleichspannungsmäßig mit einer nachfolgenden Verstärkerstufe verbinden!
Es sein denn, man versprürt das gesteigerte Verlangen nach Problemen, die sich kaum lösen lassen.

Ein Koppelkondensator ist daher Pflicht!

Update 16.03.2024

Es scheint eine enorm wichtige Rolle zu spielen, wie man diese „Tubes non grata“ beheizt: Bei Wechselspannung sollte mit zweimal 47Ω symmetriert werden. Man vermeidet damit obskures Fehlverhalten.

Eine Gleichspannungsheizung bringt nix – ausser evtl. neue Probleme.


Nachtrag:

Um die Preise nicht zu versauen und um keinen „Krach“ mit anderen Bastlern zu bekommen, wurde bewusst auf Hinweise, welche Röhrentypen besonders „lohnenwerte“ HiFi-Kandidaten sind, verzichtet…

Die eingangsseitig erwähnte Floskel „Pfanne am eitern“ gilt in der hiesigen Gegend als höfliche Beschreibung eines unsinnigen Unterfangens welches man dringlichst überdenken sollte.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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