Marmor, Stahl und Eisen bricht
Nicht nur mit simplen, selbstverständlichen Eigenschaften wird „gespielt». Auch mit dem Eisen kann man wunderbar Religion betreiben.
Wie aus Getreide Cerealien werden
Bei dem Eisen an sich handelt es sich vielfach um stinknormales Dynamoblech IV. Auch bekannt als Transformatorenblech oder Elektroblech. Besonders in der Röhren-HiFi Szene noch besser bekannt als Siliziumeisen.
Verschiedene Namen für ein de-facto Standardmaterial in der Transformatorentechnik (früher wurden damit auch Übertrager gewickelt) und war bereits schon vor dem zweiten Weltkrieg bekannt. Die Eigenschaft von Siliziumeisen ist, dass es nur dann magnetisch wird, wenn es von Wechselstromfelder umgeben wird. Fehlt dieses Wechselstromfeld, geht das Eisen in den nicht-magnetischen Zustand zurück.
Neben dem Dynamoblech (Transformatoren- oder Elektroblech) gibt es noch andere Kernmaterialien, mit anderen Eigenschaften, die es z.B. ermöglichen, kleinere Übertrager herzustellen. Bleiben wir aber bei unserem Dynamoblech welches sich werbetechnisch gar nicht so gut anhört.
Klingt irgendwie billig, oder? Aufgewertet nennt man das eben Transformatoren- oder Elektroblech. Ganz „edel» klingt es, wenn man nur die Legierung nennt: Silizium-Eisen. So wird aus simples Getreide hochwertige Cerealien.
Eisen ist nicht gleich Eisen
Hier kommt es auch auf die Legierung des Dynamoblechs an sich an. Zwischen 2,5% bis 4% Siliziumgehalt sind üblich und natürlich die Eisenart.
Sie glauben gar nicht, was Kohlenstoffatome so alles bewirken können.
Vom Dynamoblech gibt es zwei Hauptsorten: Ein Nicht-Kornorientiertes und eben ein Kornorientiertes Blech. Das, was uns interessiert, ist das kornorientierte Blech nach DIN EN 10107 (Ein Halbzeug aus Stahl, Kornorientiertes Elektroblech […] im schlussgeglühten Zustand).
Anstatt schlussgeglüht wird häufig auch ganz werbewirksam das nachgeglüht gesondert hervorgehoben. Das, wie gesagt, braucht’s gar nicht, weil Selbstverständlich, uralt.
Fast jeder Übertrager besitzt ein Dynamoblech (Silizium-Eisen) nach DIN EN 10107 (die besonders „preiswerten» Übertrager noch nicht einmal das). Dazu natürlich Kornorientiert und bei etwa 800°C nach schlussgeglüht. Warum man das explizit erwähnen muss, weiss ich nicht…
Mindestens ebenso wichtig wie das Blechmaterial an sich sind die Einzelbleche, aus denen sich ein Übertrager zusammensetzt (die Blechlamellen). Diese Bleche sind beispielweise 0,50mm oder sogar 0,35mm dick.
Bleche mit 0,50mm sind Standard in der Transformatorentechnik, mit 0,35mm aber erhält man einen sehr viel besseren Trafo (sowohl Netztrafo als auch Übertrager), der zudem wesentlich bessere Eigenschaften aufweist, leider aber auch teuerer ist.
Seit dieser Artikel veröffentlich wurde, haben einige Anbieter „plötzlich» auf 0,35mm Blech umgerüstet – allerdings ohne die Blechsorte zu wechseln…
Für einen Netztrafo geht Dynamoblech in Ordnung. Nicht aber, wenn man einen wirklich guten Übertrager erhalten will. Richtig gute Übertrager verwenden statt des Dynamoblechs (z.B. die gängige M111-Sorte, heute als M165 bezeichnet) spezielles Übertragerblech (VM111.
Auch hier haben einige Anbieter „plötzlich», so mir nichts – dir nichts, auf VM111 gewechselt. Obwohl diese Blechsorte relativ teuer ist, wurden die Preise der Übertrager nicht angepasst…
Übertrager mit „richtigen» VM111-Blechen haben ihren Preis. Noch besser ist der Preis, wenn „TrafoPerm»-Bleche benutzt werden.
Messungen haben ergeben, dass Übertrager mit 0,5’er Übertragerblech immer noch weitaus besser als Übertrager mit 0,35mm Dynamoblech sind. Natürlich kann man sich seinen Trafo und Übertrager auch mit 0,35mm Übertragerblech wickeln lassen – das kostet dann halt etwas mehr, dann hat man auch ganz was Schickes.
Ist ein Übertrager auf einen 50W Kern (z.B. M102B) gewickelt und wird dieser nur mit maximal 30 Watt ausgefahren, dann „produzieren» selbst 0,5’er Übertragerbleche hier Daten, die sich sehen lassen können. Unerheblich, ob Eintakter oder Gegentakter.
Normalerweise wird der Übertragerkern mit Kupferlackdraht eines bestimmten Durchmessers bewickelt. Wie dick dieser Draht letztendlich sein muss, damit der Übertrager die ihm gewünschte Eigenschaft erhält, ist Sache des Herstellers. Auch die Sache mit der Lagenisolation obliegt ihm. Solche Eigenschaften gesondert hevorzuheben hat eine gegen Null tendierende Bedeutung (für mich als Verbraucher).
Alles Werbung – oder was?
Das Brimborium um das Blech- oder Eisenmaterial ist deshalb umso grösser, je weniger reelle Leistungsdaten genannt werden.
Bei der Berechnung eines Übertragers geht man von einem idealen Übertrager aus. Den ideale Übertrager gibt es ebensowenig wie den idealen Verstärker. Es hat sich dann ein Messverfahren herauskristallisiert, mit dem man ein Übertrager hinreichend genau ausmessen kann.
Dieses Messverfahren ist quasi Standard. Übertrager sind wie Kondensatoren (oder auch Röhren) Bauteile, die nur unter bestimmten Bedingungen das gewünschte Ergebnis liefern.
Ändert sich etwas an den Bedingungen, ändern sich die Eigenschaften. Und so ist es ein Einfaches, die technischen Daten eines Übertragers dorthin zu bekommen, wohin ich sie haben will.
Auch bei den Frequenzangaben wird oftmals heftigst „geflunckert» und sind deshalb mit allergrösster Vorsicht zu geniessen. Eine untere Grenzfrequenz von deutlich unter 10Hz ist mit Sicherheit – selbst bei einem M102B- oder gar PM114-Kern – nicht als reell zu bezeichnen.
So mancher Hersteller lobt(e) die Symmetriereigenschaft seiner Übertrager. „Gruselig» wurde es, als die Messanordnung dargestellt wurde. Das hat tatsächlich mal einer gemacht. Die propagierte Messanordnung mit einem Oszilloskop, Signalgenerator, 08/15-Poti ist nämlich nicht geeignet, um tatsächliche exakte Symmetriereigenschaften nachzuweisen.
Der Preis ist heiss
Mal wieder. Will man Qualität, ist der Preis ein fast todsicheres Argument. Nichts ist Rohstoffintensiver als ein Netztrafo oder Übertrager. Die Preise für Stahl, Aluminium oder Silizium sind exorbitant gestiegen.
Von Kupfer erst gar nicht zu reden. Dazu kommt die leidige RoHS-Verordnung. Manche Wickelbetriebe wehren Kleinstabnehmer durch horrende Preise ab. Unter 400 EUR Bestellwert läuft gar nichts. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht verständlich.
Dazu kommt, dass seriöse Betriebe die Netztrafos und Übertrager nach VDE-Vorgaben testen. Beachten Sie, dass Netztrafos und Übertrager ein sicherheitsrelevantes Bauteil darstellen. Die gängigen Sicherheitsvorschriften nach VDE0550/EN60742 müssen eingehalten werden. Aber die VDE-Zertifizierung kostet ja nur unnötig Geld…
Noch ein Kostenpunkt: Die Tränkung des Übertragers oder Netztrafos. Eine Tränkung schützt nicht nur vor Korrision (was die Eigenschaft des Übertragers ändern kann), es festigt auch das Eisenpaket. Das Ergebnis ist ein extrem brummarmer Trafo und verbessertes Übertragerverhalten. Nur – eine gute Tränkung kostet! Und das nicht zu knapp.
Eine Vakuumtränkung ist sogar noch teuerer (der Vakuumofen selbst kostet ein kleines Vermögen). Das vergiessen von Trafos ist eine extrem billige Alternative zudem man nicht mehr nachvollziehen kann, wie der Trafo oder Übertrager tatsächlich aussieht bzw. gewickelt wurde.
Mich beschleicht immer ein ungutes Gefühl, wenn ich auf einen vergossenen Trafo oder Übertrager stosse.
Ist in der Vergussmasse wirklich ein M102-Übertrager oder doch nur ein M85-Kern? Ich habe mir angewöhnt, dass jemand, der vergiesst (oder pottet) etwas zu verbergen hat. Ausserdem: Wie will ein Trafo seine zwangsläufig entstehende Wärme sicher abführen?
Achtung, ganz grober Fehler:
So mancher mag die Reste des Tränkharzes nicht und schleift dieses dann unbarmherig ab. Leider stellt er dabei an den Blechen einen magnetischen Kurzschluss her. Das führt zu Wirbelstromverlusten und Netztrafo sowie Übertrager sind unbrauchbar geworden.
Fazit:
Es empfiehlt sich also, in gute Röhren ohne Voodoo-Aufschlag zu investieren und an Wunder-Kondensatoren und Kabelmaterial zu sparen. Das gesparte Geld dann in den Ausgangsübertrager zu stecken. Das Ergebnis wird überzeugender sein.
Hinweis: Der ursprüngliche Artikel stammt aus Dezember 2011!
Update September 2019:
Der Artikel ist leicht gekürzt worden, da (nicht mehr) relevant. Fehler wurden korrigiert und die Textformatierung sollte die Lesbarkeit erhöhen.