Pentoden- / Tetrodenmodus
Den Pentoden- bzw. Tetrodenmodus trifft man weit häufiger an, als man glauben mag. Wer einen echten 50- bis 80-Watter mit nur zwei KT88 bzw. 6550 benötigt, kommt um diese Betriebsart fast nicht drumherum.
Hier ist Ultralinear wirklich nicht das Mittel der Wahl – es sei denn, man schaltet mehrere (schwächere) Endröhren parallel, um die gewünschte Leistung zu erhalten. Im mittleren Leistungsbereich, also bis etwa 40 Watt ist die Ultralineartechnik ideal. So etwas kann man mit EL34 oder KT66 schnell und unkompliziert bewerkstelligen.
Bei „Hochfrequenzröhren» (z.B. 6146, alle FU- und GU-Röhrentypen) muss das Schirmgitter auf festes Spannungspotential liegen (Tetrodenmodus) und darf nicht mit NF moduliert sein.
KT88 & 6550 Essentials
Weil es immer wieder zu Missverständnissen kommt (an denen auch die Hersteller nicht ganz unschuldig sind):
Eine 6550 ist keine KT88
Genausowenig wie eine KT88 keine 6550 ist.
Je nach Arbeitsbedingung und gewünschter Leistung ist der Gitterwiderstand (g1) nach Datenblattangabe zu wählen. In nahezu 90% aller Gegentaktverstärker (egal ob industriell gefertigt oder nur als Schaltplan online gestellt) ist dieser falsch. Ich habe bisher nur einen Röhrenverstärker gesehen, wo dieser Widerstandswert werksmäßig richtig dimensioniert wurde!
Die Schirmgitterspannung für KT88 bzw. 6550 muss im Pentodenmodus (richtiger wäre ja Tetrodenmodus) und bei einer Versorgungsspannung von 500V bis 550V zwischen 300V (Minimum) und 400V (Maximum) liegen. Und das sehr stabil. Liegt die Schirmgitterspannung bei 6550 deutlich über den Maximalwert von 400V, dann darf der Verstärker nur für ein paar Sekunden volle Leistung abgeben – am besten gar nicht.
Bei KT88 (KT90, KT100…) darf es etwas mehr sein. Man kann die Gefahr einer Selbstzerstörung „etwas» umgehen, indem man die Ruheströme nicht allzuhoch „dreht». Bei etwa 40mA liegt man ziemlich auf der sicheren Seite. Gut ist das aber trotzdem nicht!
Diese Schirmgitterspannung erfordert am besten ein „eigenes Netzteil», zumindest aber einen Abgriff über einen belastbaren Serienwiderstand und zusätzlicher Siebung. Die Siebung kann moderat ausfallen, da hier keine Ströme fliessen, die einen 100µF-Elko rechtfertigen.
Viele Hersteller umgehen diese „Problematik» (Ha!), indem sie einfach die Versorgungsspannung so niedrig wählen, dass diese nahezu gefahrlos auch am Schirmgitter angeschlossen werden kann (in der Regel 420V bis 450V). Viel mehr wie überangestrengte 45 Watt sind dann aber nicht drin. Mit Hilfe von RMS-Schätzungen kann man daraus aber 50 Watt zaubern.
In Ultralineartechnik verhält es sich etwas anders. Die Schirmgitterspannung wird vom NF-Signal moduliert und man kommt zwangsläufig auf höhere Spannungswerte.
In Ultralinear reichen etwa 2W Drahtwiderstände (100Ω bis 220Ω). Der Ruhestrom ist hier etwas geringer einzustellen. Viele Schaltbilder (gilt auch für EL34 & Co.) weisen keinen derartigen Widerstand auf. Von den Verstärkern ganz zu schweigen. Aus „unerklärlichen» Gründen durchgebrannte Kathodenwiderstände zeugen dann davon, dass hier etwas ins Schwingen geraten ist.
Die 6550 ist für Ultralinear und bei einer Schirmgitterspannung von über 350V nicht mehr geeignet (dafür ist sie auch nie entwickelt worden!). Theoretisch käme aber eine KT88 damit gut zurecht. Theoretisch! Leider versteckt sich in vielen neueren KT88 nur eine „simple» 6550. Und es wäre wirklich hilfreich, wenn man den Datenblättern trauen könnte (manche „Datenblätter» sind so plump von anderen [russischen] Datenblättern kopiert, dass das eigentlich jedem auffallen sollte). Zum Vergleich nehme man das (alte) Datenblatt von Genalex und vergleiche die Angaben!
Viele trauen der 6550 recht wenig zu. Dabei ist das eine Tetrode, die früher vorzugsweise in Bass-Gitarrenverstärker eingesetzt wurde. Da die 6550 recht anspruchslos ist, konnte mit wenig Aufwand viel Leistung, vor allem mit dem nötigen „Punch», erzeugt werden. Ausserdem war und ist sie sehr robust.
Eine KT88 wird man in solchen Verstärkern nicht finden. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, mit der 6550: Es braucht eigentlich nur eine Trafoanzapfung bei etwa 350 Volt, eine einfache Einweggleichrichtung und in diesem Fall einen „dicken» Kondensator (etwa 100µF für alle vier Endröhren). Fertig ist die stabile Schirmgitterspannung. Mit einer Anodenspannung von etwa 600 Volt und Ruheströme von ca. 45mA „zaubert» man daraus einen Gegentakter, der es locker auf etwa 60 HiFi-Watt bringt.
Das Problem in diesem Fall scheint nur die „hohe» Anodenspannung zu sein (Liebhaber von 845- oder 805-Eintakter würde diese Spannung eher im „Niedervoltbereich» ansiedeln…). Fakt ist jedoch, dass man bei derartigen Gegentaktern, noch dazu für den HiFi-Bereich, etwas mehr investieren muss. Und das macht man heute – so ganz ohne „Bling-Bling-Mehrwert» – eben nicht mehr. Mit „Bling-Bling» ginge es durchaus, wie neuere Schaltbilder beweisen: Zur Stabilisierung der Schirmgitterspannung setzt man dort auf eine „Zenerdiode in Röhrentechnik».
Mal „eben so» einen (mehr oder minder) preiswerten Asia-Verstärker von Ultralinear auf Pentodenmodus „umzufrickeln», funktioniert nur in den seltensten Fällen: Die Belastung, die die Schirmgitter erzeugen, reicht oftmals aus, sämtliche sekundären Spannungen erheblich einbrechen zu lassen.
Auch ist meist die negative Vorspannung (für BIAS) für den Pentodenmodus zu niedrig, so dass man diese Hilfsspannung „verdoppeln» muss.
A propos Asia-Verstärker: Ich suche z.B. immer noch zuverlässige Angaben zur chinesischen KT88-98 und solange ich die nicht habe, erkläre ich diese Röhre als 6550-Derivat. Wer den Design- und Hypeaufschlag so mancher KT88 nicht bezahlen will (zurecht), liegt bei KT90 oder KT100 richtiger. Paradoxerweise benehmen sich diese Röhrentypen fast wie „richtige» KT88-Röhren, wobei man sich bei der KT90 nicht ganz einig ist, was das nun wieder für eine Röhre ist. Aber sie funktioniert.