In der damaligen Sowjetunion kam die 6P45S (etwa 1969) als Nachfolger der 6P42S auf dem Markt, die sich später als Derivat zur EL519 entpuppte (wegen Anodenverlustleistung). Das „Wolga-Glas» ist jedoch noch „etwas» kräftiger, was sich auch an den Datenblättern „ablesen» lässt, wenn man des Kyrillischen mächtig ist. Eine glaubhafte Übersetzung scheint es übrigens nicht zu geben. Die Datenblätter mit lateinischem Zeichensatz waren erst Anfang / Mitte der 1990’er Jahre verfügbar und bezogen sich immer auf die 6P45S – auch wenn dort EL509 bzw. 6KG6 genannt wurde.
Nur nebenbei: Die Angabe der Anodenverlustleistung von 35W darf man bei der 6P45S getrost als „Mindestangabe» verstehen. Da scheinen auch rund 10W mehr drin zu sein…
Mit derartigen Datenblättern muss man vorsichtig umgehen, denn sie bilden nur eine Essenz des Original-Datenblattes. Lediglich die für Audio-Zwecke relevanten Daten sind aufgeführt. Geht es nach diesen Datenblättern, dürften diese Röhren nicht mehr in einer „HZA-Stufe» funktionieren, da die Angabe der hohen Impulsströme (über 1A) entweder bewusst nicht aufgeführt wurden oder tatsächlich nicht mehr vorhanden sind. Das betrifft besonders die Winged-C EL509-2! Zu dieser Röhre – ebenfalls eine verkappte 6P45S, nur mit Oktalsockel – gibt es übrigens gar kein Datenblatt.
Besonders hinsichtlich der Schirmgitterspannung für Eintakter in Class-A1 sind die Angaben „irreführend». Auch eine 6P45S verträgt da keine 200V…
Der „grosse» Unterschied zu den westlichen Gläsern: Die 6P45S benötigt eine „stärkere» Heizspannung. Statt 6,3V/2A zieht sich das „Wolga-Glas» die Heizspannung mit 2,5A ’rein. Was die Heizspannung betrifft, so ist sie zwar toleranter als die westlichen Pendants – man sollte jedoch bei sturen 6,3V bleiben. Allein nur der Gedanke an eine Gleichspannungsbeheizung sollte man sich übrigens verkneifen. Das mögen derartige Röhren überhaupt nicht.
Konstruktionstechnisch war auch der Aufbau der 6P45 „hochwertiger», als bei den westlichen Pendants. Anders als die EL509 / 519 ist sie keine Pentode, sondern eine „Beam Power Tetrode». Allein diese Konstruktion hat eine höhere Leistung zur Folge. So ähnlich wie bei der EL34 (Pentode) und 6L6GC (Tetrode). Und da wäre noch die Gitterkonstruktion: Eine engmaschiges, vergoldetes Metallgeflecht in einer Rahmenkonstruktion. Diese Konstruktion war dann für die wirklich sehr gute Qualität „verantwortlich».
Diese Rahmenkonstruktion geht übrigens auf eine amerikanische Entwicklung zurück die später von Western Electric „optimiert» wurde und erstmals mit der Triode WE416A Verwendung fand.
Und die 6P42S?
Wer mit der 6P42S einen Verstärker oder gar Sender betreiben wollte, so Aleksandr, sollte dies nur unter strengster Beobachtung tun. So erzählt man sich, dass die 6P42 solange ihren „Dienst» verrichtete, bis das Gerät in Flammen stand. Auch war die Zuverlässigkeit (besonders im Hochspannungsbereich) dieser Röhre nicht sonderlich gut. Daher also der „spezielle» Ruf, der die 6P42S vorauseilt. „Aber…», meinte Aleksandr noch. Da ist es wieder, dieses „Aber…». Dazu gleich mehr.
Die 1990’er
Röhrenverstärker mit EL509 bzw. EL519 oder gar Plasma-Hochtöner wurden populär. Die noch verbliebene Restbestand schmolz sehr schnell dahin. Wenn sich Funkamateure und HiFi-Bastler um Röhren balgen, ist eine dritte Gruppe nicht weit: Die Spekulanten, die die Preise munter nach oben treiben… So auch in diesem Fall.
Während die 6P45S (meist mit stilisiertem S-Logo und aufgehübschter Verpackung) stark nachgefragt war (und deshalb auch im Preis stieg), wollte man mit der 6P42S (in ganz „billiger» Papp-Verpackung) – die „zufällig» genauso aussah wie 6P45S – nichts zu tun haben. Sehr zur Freude der Bastler, die um dieses „Aber…» wussten.
Es kam wie es kommen musste: Auch der Restbestand an 6P45S wurde knapp. Die Preise schnellten in die Höhe. Die 6P42S jedoch, die hierzulande am Markt waren, entwickelten sich zum Ladenhüter. Erst vor kurzem (zum jetzigen Zeitpunkt, vor etwa drei Jahren) war so mancher Händler froh, den Bestand en Gros mit ordentlich Rabatt abstossen zu können…
Svetlana auf die sehr Schnelle
Svetlana, an sich, war so etwas wie das sowjetische Pendant zu Western Electric oder General Electric. Die (zivile) Röhren-Produktion war nur ein kleiner Teil des Portfolios. In der damaligen Sowjetunion gab es – mit Svetlana als „Muttergesellschaft» mehrere Fabrikationsstätten die auch jeweils ihr eigenes Signet verwendeten. Die wohl bekannteste Aussenstelle war das Ulyanovsk-Röhrenwerk, bekannt geworden durch die 6C33S.
Echtes Winged-C Glas aus St. Petersburg (denn nur dort wurden diese Röhren gefertigt) erkennt man am eingätzten Code. Ab dem 1990’er Jahren wurde auch für diese Röhre das Siebdruckverfahren verwendet, wobei dann bei diesen Röhren die Herkunft zweifelhaft war. Nicht immer, wo das Winged-C Logo abgebildet war, war auch wirklich Svetlana aus St. Petersburg drin…
Spätestens Ende der 1980’er Jahre war das Unternehmen Svetlana in Schieflage geraten. Ein amerikanisches Unternehmen nahm sich u.a. dieser Werke an (man nannte das „Joint Venture»…). Nicht aber das Werk in St. Petersburg! In der Folgezeit kam es zu… Nunja… einigen Ungereimtheiten welche schlussendlich vor einem amerikanischen Gericht landete. Es ging – kurz gesagt – nur um Namensrechte: Wer darf „Svetlana» verwenden?
So vermarktete das amerikanische Unternehmen zunächt den Namen „Svetlana» für ihre eigenen Zwecke, obwohl diese Röhren mit „Svetlana St. Petersburg» nichts zu tun hatten. Erkennbar sind diese Röhren am stilisiertem, anfangs meist goldfarbenen, S. Viele „Svetlana-Röhren» wurden aber da schon in Sarratov (Markenname: Sovtek) gefertigt.
Ein letztes Mal macht Svetlana St. Petersburg mit der EL509-2 von sich reden. Das war es dann auch schon. Aus St. Petersburg kommt nun alles, bloss keine Röhren mehr für Audiozwecke.