Mit dem Cayin A88-T schlägt hier ein Röhrenverstärker auf, dessen „Fehlerbeschreibung» eher nach Reparatur als nach Tuning (Customize) klingt. Ok, dann mal den Verstärker aus der Transportverpackung geholt und beim ersten Anblick erst mal „Hä?» gemacht.
Letales im Cayin A88-T
Bodenplatte abgeschraubt und man brauchte gar nicht zweimal hinzuschauen. Dieser Second-Hand Cayin A88-T stand kurz vor der letzten Ölung. Drei von vier Kathodenwiderstände hatten schon einmal bessere Zeiten gesehen. Der Vierte hat sich schlichtweg bereits selber eingeäschert. Die Schirmgitterwiderstände wurden, vom wem auch immer, durch Hochlastwiderstände (7W Vitrohm-Zementbunker) ersetzt. Und hier zeugten drei Widerstände davon, dass es wohl ziemlich heiss hergangen sein muss! Da ist wohl mal gewaltig was schief gelaufen…
Erstmal testen, was da an Leerlaufspannung anliegt. Der, im Netz kursierende, Schaltplan ist da nicht unbedingt aufschlussreich – zudem differiert „mein» physisch vor mir liegender A88-T mit der „gezeichneten Realität». Also Spannung. Ergebnis: etwas über 500V! Es folgte eine genaue Sichtkontrolle. Soweit nichts neues mehr. Lediglich der 450V Siebelko warf Fragezeichen auf. Beim malen von Fragezeichen den Elko befühlt und siehe da: Der 450V-Elko hatte sich eine leichte Wölbung zugelegt und war auf dem besten Wege, endgültig zu sterben. Und wenn alle Röhren gesteckt sind und richtig arbeiten dürfen? Ach, ich sag’s besser nicht… Beim weiteren „befühlen» von Bauteilen „entlöteten» sich einige Bauteile auch noch selber… Auweia!
Übrigens: Dieser Cayin A88-T ist ein Verstärker aus der Pre-RoHS Zeit und zudem noch ein Direktimport! Das Lötzinn hat zwar eher „Dachdeckerqualität», man kann’s aber leicht verlöten. Und noch ein „Übrigens»: Cayin ist ein Label der Zhuhai Spark Electronic Equipment Co. LTD. Spark-Röhrenverstärker waren hierzulande mal ein Top-Seller und beileibe kein Bling-Bling Plunder (fast schon legendär: der „Spark 530«). Neben der eigenen Produktlinie ist das Unternehmen auch als OEM-Hersteller „rührig» (!). Kommen wir kurz zu den alten „offiziellen» technischen Angaben des A88-T: Die Leistungsangaben von etwa 45W RMS sind stimmig (auch wenn da RMS steht) und auch der Frequenzgang von 18Hz bis 35kHz ist korrekt. Sieht nicht toll aus – aber ehrlich! Nicht jeder hat die Traute mit ehrlichen Daten zu arbeiten. Für diesen Frequenzbereich sind übrigens die Koppelkapazitäten verantwortlich… Genau das gleiche habe ich vor kurzem schon einmal… Und noch ein „Hä?«.
Achtung: Den A88-T gibt es so nicht mehr und ist nicht direkt vergleichbar mit dem Nachfolgemodell A88-T MK2!
Ultralinear- oder Triodenmodus?
Der Cayin A88-T ist ein Gegentakter in Ultralineartechnik. Über ein Relais lässt sich die Arbeitsweise in Triodenmodus ändern, was die Ausgangsleistung knapp halbiert. Damit das Schirmgitter während des umschaltens nicht für Bruchteile von einer Sekunde in der Luft hängt, ist dieses Gitter permanent über einen 47kΩ-Widerstand mit der Anode verbunden. Nette Idee. Kann man machen…
Meine ganz persönliche Anmerkung dazu: Dieses Umschaltgedöns verleitet dazu, während des Betriebes die „Eigenschaft» der Endröhren brutal zu ändern. Während des Betriebes! Womöglich auch noch, wenn die Endröhren richtig Leistung abgeben müssen. Das sollte man besser nicht machen. Und wenn die Endröhren plötzlich „anders» arbeiten, ändert man zwangsläufig nahezu die komplette Eigenschaft des Verstärkers als Gesamteinheit. Also, entweder ich will Ultralinear (bzw. Pentodenmodus) oder Triodenmodus. Beides zusammmen unter einem Hut zu bringen, ist mit mehr Kompromisse behaftet, als nötig wäre. In Absprache mit dem Kunden bleibt es zukünftig permanent bei der Ultralineartechnik. Punkt.
Schaltungstechnisch? Vorne eine SRPP mit 6SL7 (ECC83-Derivat), dann die Phasenumkehrstufe (Long Tailed Pair) mit 6SN7 (ECC82-Derivat) und dann kommen schon die Endröhren vom Typus 6550 bzw. KT88. Und zum dritten Mal entfleucht mir ein „Hä?«. Übrigens, an der SRPP habe ich nichts, aber auch wirklich nichts, auszusetzen. Bis eben auf die Tatsache, dass ich SRPP hier nicht unbedingt für die beste Wahl halte. Ok, Friede!
Reparatur? Customize? Upgrade?
Ein bisschen von allem! Der leicht aufgeblähte Siebelko wird durch einen 500V-Typ ersetzt. Ersetzt wurde auch der Siebelko zur Siebung der negativen Vorspannung. Dieser war kapazitätsmäßig etwas mager ausgestattet. Im Gegenzug wurden die vier einzelnen Stütz-Kapazitäten, die die negative Vorspannung zu den Endröhren untereinander „entkoppeln» sollen, erheblich vermindert. Eine Änderung der Ruhestromeinstellung macht sich nun wesentlich schneller bemerkbar, als mit den ursprünglichen Kondensatorwerten. Ein zu hoher Ruhestromwert konnte so einfach nicht schnell genug heruntergeregelt werden.
A propos Ruhestrom: Genau die gleiche „Technik» der negativen Vorspannungsgewinnung habe ich vor kurzem ebenfalls schon einmal gesehen. Und zum Vierten: „Hä?«. Also, das „deaktivieren» wir mal. Jahrzehntelang geht’s ohne dem ganz gut bis prima, warum nun also das? Es war so nämlich gar nicht möglich, die dicken 6550 bzw. KT88 wirklich auf Null Milliampere Ruhestrom zu regeln – obwohl die Schaltung der Ruhestromreglung dies hätte eigentlich möglich machen müssen! Später zeigte sich auch noch, dass mit der Ur-Schaltung nicht jede 6550 oder KT88 zusammen arbeiten will bzw. kann. Der Regelbereich musste erweitert werden.
Die Beschaltung der 6550- bzw. KT88-Endröhren war „typisch» und ich werde noch nicht einmal mehr den Kopf darüber schütteln. Irgendwann stumpft man ab. Also Änderung der Beschaltung. Das zieht zwangsläufig eine Änderung der Koppelkapazitäten nach sich. Damit weiten wir auch den Frequenzbereich erheblich auf. Zumindest schaltungstechnisch sind 10Hz untere Grenzfrequenz kein Problem mehr.
Kathoden- und Schirmgitterwiderstände werden durch leistungsmäßig „richtige» Drahtwiderstände ersetzt. Da auf permanenten Ultralinearbetrieb „umgerüstet» wird, entfällt auch der 47kΩ-Widerstand. Dann noch der obligatorische Griff in die Trickkiste der Verstärkertechnik – Fertig.
Betrachtet man sich hochauflösende Bilder vom Innenleben des Nachfolgemodell des A88-T, dann könnte man tatsächlich von einem „upgrade» auf MK2 sprechen. Könnte. Wenn ich nicht ganz Farbenblind bin, findet sich im MK2 genau das gleiche „Feature», den man in fast allen KT88- bzw. 6550-Verstärkern dieser Leistungsklasse findet.
Kurz zum Netzanschluss: Auch wenn auf der Rückseite „220V Input» (± 10%) steht, kommt der Cayin A88-T mit dem 230V-Netz ganz gut zurecht und liegt noch innerhalb des Toleranzbereiches. Den hat übrigens jeder Trafo.
Röhren
Die ursprüngliche Röhrenbestückung sollte ersetzt werden, besonders was die 6SN7GT betrifft. „Mein» A-Achtundachtziger traf bereits mit einer Röhrenbestückung (Vorstufen) von Tung-Sol ein. Als Endröhren hatte ich nun die Qual der Wahl und entscheide mich (nicht nur) aus klanglichen Gründe für alte KT88 von Sovtek. Mit diesen Sovteks stellt sich ein schöner, runder, kraftvoller, Klang ein. Ich weiss schon, warum ich diese Röhren in derartiger Schaltungsumgebung bevorzuge…
Übrigens: Die Ruheströme dürfen hier auf maximal 45mA eingestellt werden. Mehr braucht nicht, tut auch nicht gut. Alternativ zu „richtigen» KT88 dürfen auch KT90 eingesetzt werden. Nachtrag September 2015: Das mit den KT90 lässt man besser.
Shades of Hä?
Das „Hä?« resultiert übrigens daher, dass ein anderer Röhrenverstärker, mit einem anderen Namen, auffällig Ähnlichkeiten mit dem Cayin A88-T aufwies und die ich so nur von Cayin kenne. Würde ich wetten, ich würde wetten…
Update 20.01.2015:
Ein anderer Cayin A88-T kam wegen „Kanalaussetzer» auf die Werkbank. Im grossen und ganzen war alles in Ordnung, bis eben auf „typische Kleinigkeiten». Ein abschliesendes Testhören enttäuschte. Keine oder kaum Tiefen. Und nicht (zuverlässig) reproduzierbare Aussetzer im rechten Kanal.
Nochmals Sichtkontrolle durchgeführt. Point to Point.
Nanu? Was ist denn das?
Da hat sich wohl scheinbar jemand verlötet und einen zusätzlichen Gitterwiderstand falsch eingebaut, der dann gemeinerweise dafür sorgt, dass eine 6SL7 (die eh als zickig gilt) aus dem Tritt kommen kann und SRPP an sich hinfällig werden lässt (ich weiss nicht, wie man es nennen soll… vielleicht so: „Shunt Regulated Kathodyn»). Mit Entfernen des Widerstands weiss die 6SL7 nun auch wieder, was eine SRPP ist und wie man in SRPP arbeitet – der Aussetzer ist verschwunden.
Und? …
Klang?
Oh ja! Viel. Laut. Und mit Bums.