Kanalaussetzer
Den wahren Grund für einen Kanalausetzer zu finden, ist nicht so einfach. Manchmal versteckt sich der Fehler da, wo man ihn nicht vermutet und sich woanders manifestiert. Die Gene von Sherlock Holmes, etwas Geduld und Kältespray sind gefragt.
Wie in jedem guten Krimi ist oft nicht der sehr verdächtig agierende Butler oder Gärtner auch der Täter: Ich tippte auf mindestens einen Carbon Composit Widerstand. Die können sich ja, konstruktionstechnisch, als erstklassige Wackelkontakte erweisen. Aufgrund des Fehlerbildes könnte das gut passen. Zu gut…
Da war…
…der ungewöhnliche Alps-Lautstärkeregler. Der erweist sich als 41-stufiges Rast-Poti aus der mysteriösen RH-Serie. Mysteriös deshalb, weil man a) das Poti nicht kaufen kann (außer beim „Ali») und b) weil man selbst bei Alps dieses RH-Serie nicht zu kennen scheint.
Wie auch immer: Das Poti pfeift auf Gleichlauf. Eigentlich sollte man dieses Poti sofort in den Ruhestand schicken… Ich versuche es erst einmal mit den üblichen Reinigungsduschen.
Zum Poti an sich: Das ist ein Poti mit Loudness-Anzapfung. Im CS600 ist der Abgriff „entfernt» worden. Da man bei Alps diese Poti-Serie auch nicht zu kennen scheint, diese Regler aber schon seit langer Zeit am Markt herumgeistern, vermute ich mal eine billige Rast-Mechanik im lizensierten blauen Alps-Gewand.
Die Reinigung zeigte Erfolg. Das Poti funktioniert nun wieder so, wie es sollte.
Zwei Lötstellen…
…waren für einen Spannungsüberschlag geradezu prädestiniert – also von Plus nach Minus. Als „Ausgleich» wurde eine Verbindung geortet, die quasi vom Spannungsüberschlag „lebte». Kann man auch schnöde als Wackelkontakt bezeichnen…
Widerstände, die die beste Zeit hinter sich haben sowie die bereits schwächelnden „Kathoden-Elkos» bei den Endröhren, wurden sofort ersetzt.
Und schliesslich die
Folien-Kondensatoren
Die Folien-Kondensatoren sind im CS600-Modell wohl nicht einheitlich. Da wurden mal diese oder jene Typen eingesetzt. In meinem Gerät fand sich umwickeltes Etwas, vermutlich MKT-Kondensatoren. Das sind Kondensatoren, die unter bestimmten Voraussetzungen am Klang „drehen» und den Röhrenverstärker zu dem machen, was er ist. Klanglich, meine ich.
Ersetzen Sie mal in einem Gitarrenverstärker ihres Freundes alle MKT-Kondensatoren durch MKP-Typen. Bevor der Verstärker abgeholt wird, flüchten Sie besser und beantragen in einem Land, das nicht nach Deutschland ausliefert, Asyl. Die Freundschaft können Sie übrigens als gekündigt betrachten…
So wie MKT am Klang „dreht», so allergisch kann das Material auf zuviel Wärme oder einer zu hohen Spannung reagieren. Nicht alle MKT’s sind so, aber einige… Da die Koppelkondensatoren nicht identifiziert werden konnten und die Messwerte nicht logisch waren, wurden diese eben ersetzt.
Das sollte es gewesen sein.
Auf dem „Prüfstand» lief der Verstärker dann eine zeitlang und heizte so vor sich hin. Nach etwa einer halben Stunde zeigte das Oszilloskop auf einem Kanal plötzlich fast eine Nulllinie und damit den Kanalaussetzer. Also doch die Carbon Composits, die hier allesamt zwar warm werden, aber nicht heiss. Das ist übrigens korrekt – das muss so. Anstatt nun wahllos die Kohlepress-Widerstände zu ersetzen, wird das Kältespray in Anspruch genommen.
Die „alte» deutsche Bezeichnung Kohlepress-Widerstand beschreibt treffend die Konstruktion. Im HiFi-Jargon heissen sie eben Carbon Composit. Kränkeln diese Widerstände, dann hat man einen thermischen Wackelkontakt.
Ergebnis
Ein Kondensator im „langen Schwanz» der Phasenumkehr hatte ein großes Problem mit der entstehenden Wärme. War der Verstärker gut temperiert und damit auch das Chassis (weil wegen Strahlungswärme und so…), wurde der Kondensator schlagartig für Gleichspannung leitend. Etwas, was kein Kondensator tun darf. Damit setzte er die Funktion der kompletten Verstärkerstufe ausser Kraft.
Der Leben CS600 macht nicht nur einen auf Retro, das Fehlerbild ist genauso Retro.
Damalige Kondensatoren (üblich war MKT, bzw. MKT-ähnlich. MKP gab es noch nicht!) hatten alle mehr oder weniger Probleme mit dem Isolationswiderstand des Dielektrikums. Während MKP-Kondensatoren auch bei hoher thermischer Belastung weitgehend stabil bleiben, nimmt der Isolationswiderstand bei MKT (bei Polystrol bzw. Styroflex ist das noch ausgeprägter) mit zunehmender Wärme ab. Die Folge: Es entsteht ein Fast-Kurzschluss.
Das vertrackte an der Sache ist: Im kalten Zustand verhält sich der Kondensator völlig normal. An diesem Fehlerbild sind damals die Azubis verzweifelt. Würde so ein Kondensator im Netzteil für Unruhe sorgen, käme man dem sehr schnell auf die Schliche. Aber hier und an dieser Stelle…?
Wie war das noch mit dem Butler oder Gärtner?
Kondensator ersetzt und wieder stundenlang brutzeln lassen.
Läuft.
Und nun, auf ein ehrliches Wort.
Bass-Booster
Röhrenverstärker klingen, wenn richtig gemacht, gut. Man darf sich bloss nicht das Oszilloskopbild anschauen. Noch nie (!) habe ich einen HiFi-Verstärker gehabt, wo diese Aussage treffender nicht sein kann. HiFi, nicht Gitarrenverstärker!
Das Rechteck weist deutliche Überschwinger auf. Ein Hinweis, dass man sich um die Höhen keine Gedanken zu machen braucht. Das ist Tetrodentypisch. Mit Pentoden (EL34) sieht es etwas besser aus.
Schaltet man den Booster hinzu, wird das Rechteck zu einem Dreieck. Gut, das ist überstrieben… Die Waagerechten ändern ihren Kurs um etwa 30°.
Ich verspreche, dass ich demnächst bessere Bilder vom Oskar mache.
Meine Meinung
Das mit dem Bass-Booster hätte man wesentlich eleganter lösen können. Wenn man schon bei den altehrwürdigen Namen hereinschaut, dann hätte man auch beim „ollen» Williamson vorbeischauen können. Bei dessem Lösungsansatz bleibt das Rechteck ein Rechteck, trotz „bässerer» Nachzündung… So wie hier würzt man nicht mit einer Prise, da schüttet man mit einem Muldenkipper Salz in die Suppe.
Das war es
Es wurde übrigens kein Bauteil (ausser den Röhren) heiss. Warm, ja. Heiss bzw. brandheiss, aber nicht. So überholt: Auf die nächsten 10 Jahre.
Kundenmeinung:
Tooop!