Beim zweiten Röhren-Vollverstärker von Magnat verhält es sich diesmal so, wie mit der schwäbischen Automarke und der genau darauf spezialisierten Tuning-Firma aus Bottrop. Soviel vorab. Ähem… Das muss abgeschwächt werden: Eine „Spezialisierung» auf den Magnat RV2 ist nicht…
Röhrenverstärker die im mittleren Leistungsbereich agieren, sind relativ selten geworden. Meistens ist spätestens ab 40 Watt (echte Vierzigwatter, wohlgemerkte) der Bart ab. „Schwierige» Lautsprecher haben es da nicht leicht, den passenden Röhren-Partner mit 50, 60 oder gar 80 Watt zu finden. Schon gar nicht als kompakte Stereokiste. Mit dem Magnat RV2 könnte es, u.a., jedoch klappen.
Magnat RV2: Bestandsaufnahme
Die zweimal 50 Watt, die dieser Verstärker leisten soll, sind schon hübsch verpackt. Auch das Innere hält, was die „Verpackung» verspricht. A propos Verpackung: Beim Versand werden die gesteckten Röhren nicht nur quasi in Schaumstoff verpackt. Vorbildlich. Das will man öfters sehen.
Scharfe Kanten gibt es ebensowenig, wie eine kreuz- und querverkabelung. Und dann erst die Platine (besser, das Platinenlayout) – so etwas habe ich schon lange nicht mehr gesehen… Wie geil ist das denn? Alle Spannungsabgriffe des Netztrafos sind zudem mit einer Schmelzsicherung abgesichert. Wirklich! Alle. Beeindrucken sollte das aber nicht… Punktabzug gibts aber bei der Konstruktion, die Endröhren ebenfalls auf Platine zu flanschen.
Update 1.11.2014: Was’n das? Ich habe hier einen Magnat RV2 auf dem Tisch „liegen» dessen Innenleben Fragen aufwirft: Über den Endröhren sind kleine Zusatzplatinchen geschraubt. Darauf befinden sich vier seriell geschaltete Zener-Dioden, dicke Widerstände und ein fetter NPN-Hochspannungstransistor. Sollte Magnat etwa…? Ja! Magnat hat. Aus dem Ultralinear-RV2 ist ein Pentodenmodus-RV2 geworden. Anstatt dicke Schirmgitter-Widerstände sorgt diese Halbleiterschaltung für stabile Spannngsverhältnisse an den 6550-Schirmgittern. Ultralinear vs. Pentoden- bzw. Tetrodenmodus… Da ist allerdings ein hörbarer Unterschied. Beide Betriebsarten haben Vor- und Nachteile – Was man bevorzugt, ist Geschmackssache (speziell hier essentiell). Die Zusatzbezeichnung dieses RV2 nenne ich mal BD, also RV2-BD. Ich habe mit heutigem Datum mal nachgefragt, ob noch ’ne dritte Variante existiert… 😉
Update 11.2.2022: Es gibt tatsächlich eine dritte Magnat RV2-Variante. Auf der Hauptplatine findet sich eine abgespeckte Schaltungsversion der Zusatzplatine. Betriebsspannung wandert durch einen 5W-Widerstand, danach 4 seriell geschaltete Zenerdioden, etwas Siebung und fertig ist die Schirmgitterspannung. Pentodenmodus also.
Klang?
Irgendwo zwischen Transistor und Röhre mit eindeutiger Tendenz zu Transistor. Röhrentypische Ausreisser? Fehlanzeige. Wer’s mag… Im Bassbereich übt sich der RV2 in vornehmer Zurückhaltung: Die wuchtige Bass-Drum und die Bassläufe auf „White Lines» von Grandmaster Flash wollen nicht so recht überzeugen. Auch nicht von Platte – das Teil hat ja einen eingebauten Phono-Pre – und den nicht zu nutzen wäre ein Frevel.
Röhrensaft & -Kraft? Hm… Nein, eher nicht. Die fünfzig möglichen Tetrodenwatt (6550 oder KT88 sind ja Tetroden) habe ich wirklich schon mal wuchtiger gehört. Ich muss dazu anmerken, dass dieser Magnat RV2 hier mit Winged-C 6550 eintrudelte. Ein weiterer Magnat-Verstärker wies die werksseitige Original-Röhrenbestückung auf.
Beim RV2-BD verhält es sich etwas anders! Aufgrund der geänderten Röhrenbeschaltung bei den 6550 erscheint der obere Frequenzbereich zu überbetont (was akustisch gesehen die Tiefen benachteiligt). Man könnte schon fast „Tetrodensound in Reinstkultur» dazu sagen.
Innereien
Ok, schauen wir mal etwas genauer hin.
Magnat lieferte den RV2 mit Electro Harmonix Röhren aus. Die standardmäßig eingesetzten EH-6550 sind dabei klanglich irgendwo bei KT88 und alten, reinrassigen, 6550 angesiedelt. Die 6550 wurde in früherer Vergangenheit vorzugsweise in Bass-Gitarrenverstärker eingesetzt, weil sie mit relativ geringem Aufwand für den nötigen „Punch» sorgen konnte. Ausserdem war sie, konstruktionstechnisch gesehen, äusserst robust.
So, dann schauen wir mal noch etwas genauer hin und fangen mal vorne an:
Eingangsseitig arbeitet eine 12AX7 (ECC83) „Möchtegern-SRPP» auf einen 12AU7 (ECC82) Phasensplitter (Phasenumkehr). Dann kommen schon die Endröhren. Die ganze Schaltung ist quasi eine „etwas verunglückte» de-facto Standardschaltung und somit wirklich nix besonderes.
Beheizt wird der komplette Vorstufenbereich mit 12,6 Volt Gleichspannung. Der Minuspol der Heizspannung ist dabei (Achtung!) auf Schaltungsmasse gelegt. „Mal eben» das „Hochlegen» der Heizspannung (eigentlich elementar für SRPP), damit das Uf/k keinesfalls überschritten wird, geht so also komplett in die Hose.
Dann stellt sich die Frage, warum man für diesen Schaltungsbereich eine ECC83 (12AX7) genommen hat. Keine Frage, eine ECC83 kann, als SRPP beschaltet, eine enorme Verstärkung liefern. Modelt man die SRPP so um wie hier, verkommt die SRPP zu einer simplen Röhrengrundschaltung bei der ein Röhrensystem den ohmschen Arbeitswiderstand ersetzt. Eine straffe, frequenzabhängige Gegenkopplung eliminiert mögliche röhrentypische Ausreisser, sprich Oberwellen, und bringt damit den Frequenzgang auf „Null-Linie». Kann man alles machen. Muss man aber nicht.
Der nächste Punkt ist mittlerweile ein „Klassiker» (findet man in ganz vielen Schaltbildern – bleibt aber trotzdem „mutig») und es geht im RV2 nur deshalb gut, weil a) sehr gute Endröhren (6550) eingesetzt werden und b) die Röhren in Ultralinearmodus arbeiten dürfen (Update 1.11.2014 Exakt die gleiche Beschaltung findet sich auch im RV2-BD, was dann gehörig schief gehen kann, wenn die 6550 richtig gefordert werden). Vermutlich (!) ist die Ruhestromeinstellung werksmäßig dann noch so gewählt, dass sich die annoncierten 50 Watt eher auf RMS beziehen (steht leider nirgendwo dabei). Dann passt das. Aber – der Verstärker kann mehr! Viel mehr. Dann muss man allerdings zulassen, dass Röhren ein „Eigenleben» entwickeln können. Also wirklich, wer mit Röhre hört, will „Röhrensound» und keine „frigide» Transistortechnik.
Noch was Schickes: Mit relativ einfachen Mitteln und den richtigen Widerstandswerten können die Röhren auch im Pentodenmodus arbeiten. Wo wir gerade bei „schick» sind: Es ist ebenfalls vorgesehen, die gesamte Schaltungsmasse vom Schutzleiter zu entkoppeln. Und das alles ohne Schaltungsverhau – Die Möglichkeiten sind default-mäßig auf Platine vorgesehen! Bei dem RV2-BD fehlt das alles.
Kommen wir zu den zwei Stellen pro Kanal, bei denen das Signal durch einen Kondensator gejagt wird: Eingangsseitig ist ein fetter 2,2µF-Kondensator verbaut (HolladieWaldfee!). Zusammen mit dem Gitterwiderstand der 12AX7 wird hier eine untere Grenzfrequenz von weniger als 1Hz (!) erzielt. Die Koppelkapazitäten von der Phasenumkehr zu den Endröhren verursachen dagegen, im Zusammenhang mit dem Gitterwiderstand der Endröhren, eine untere Grenzfrequenz von weit oberhalb 10Hz.
Hm…
So, und jetzt wären wir bei den Schmelzsicherung. Besonders im Bereich der negativen Vorspannung. Sollte es der Schmelzsicherung (auch noch 500mA) hier einfallen, mal eben durchzubrennen (Langeweile, Materialalterung oder aus welchen Gründen auch immer), kann dies zu Kollateralschäden an den Endröhren führen (besonders dann, wenn der Kathodenwiderstand leistungsmäßig überdimensioniert wurde). Das ist so ziemlich das Schlimmste, was passieren kann. Ein abgerauchter Kathodenwiderstand ist dagegen Kinderkram.
Früher hat man dieses „worst case» zu umgehen versucht, indem man das Poti zur BIAS-Einstellung mit einem Widerstand brückte. Eine fehlende oder zu hohe bzw. viel zu niedrige negative Vorspannung war damit quasi ausgeschlossen. Die in ihrer Wirkung negierte Sicherungsfunktion wird also, genau wie die die Sicherungen in den Heizkreisen, „deaktiviert».
Bevor man aber das deaktiviert (Drahtbrücke legen), will die Platine herausgenommen werden. Einfach Steckverbinder abziehen und Schauben (Schrauben, keine Schräubchen) lösen und dann… Denkste. Irgendjemand hat sich einfallen lassen, die Steckverbinder zu verkleben…