Aaaalso, der Yaqin MC-10 ist eine konstruktionstechnische Meisterleitung. Nicht so sehr wegen der Röhrenschaltung (die ist, an und für sich, in Ordnung) sondern wegen der „Verpackung». Also das, was wie ein Chassis aussieht. Das ist, nun, sagen wir es mal so, doch sehr speziell. Deswegen landet ein Verstärker aber nicht hier.
Röhrenverstärker mit Wattebäuschchen-Effekt?
Das, was einige Kunden mit „hochauflösenden» Lautsprechern bemängeln, ist der „Wattebäuschchen-Effekt». „Von einem Push-Pull Röhrenverstärker (nichts anderes ist der MC-10 ja) darf man doch ruhig etwas mehr ’Wums‘ erwarten. Und auch die Stereoabbildung könnte besser sein.» (Zitat Ende).
Update September 2014: Dieser Verstärker tritt auch als deutsche Variante EL34 plus RC oder seltener MC-13S (beide mit Zappelzeiger, früher mal VU-Meter genannt) in Erscheinung. Bis auf das „VU-Meter» sind die Unterschiede marginal – auch sollte man sich nicht von den 6V-Gleichspannungsbeheizten (!) 12AT7 (ECC81) Vorstufenröhren täuschen lassen. Die standardmäßig mitgelieferten Röhren sind zwar mit 12AT7 bestempelt – ob aber drin steckt, was drauf steht? … Auch die früher standardmäßig mitgelieferten blauen Röhren sind alles, aber kaum „echte» EL34 oder 6CA7.
„Meisterleistung» beim MC-10
Ähnlichkeiten mit einer „hinteren Schrankwand» hat das „Chassis» des Yaquin MC-10. Da fragt man sich wirklich, wie dieses dünne Blech überhaupt die schweren Trafos tragen kann. Die Auflösung: Das Chassis trägt überhaupt nichts. Der Trick ist, das alles auf der stabilen Bodenplatte montiert und das schöne Blech nur drüberhergestülpt ist. Deshalb darf man dann, wenn man an die „Eingeweiden» will, gefühlte zwanzigtausend Schrauben (die das Ganze dann stabil wirken lässt) lösen.
Derjenige, der das entworfen hat, muss zu den jungen, wilden, Ingenieuren gehören, die nach dem Studium grundsätzlich erst einmal alles anders machen wollen. Bei (fast vollständig) demontierten Chassis mal eben Röhren einstecken (von wegen Testlauf und so)? Hat sich was…
Aber OK. Lassen wir das.
Ein Yaqin MC-10 traf hier mit einem veritablen Schaden ein (das sind eben die Gefahren eines Imports). Hinteres Terminalblech derart beschädigt, dass ich mich im Nachhinein wunderte, dass das Ding nicht komplett zusammengebrochen ist. Die Achsen von Poti und Kanalwahlschalter waren auch nicht mehr exakt in der Horizontalen und so musste auch ein Werkzeug benutzt werden, was man in einer Elektronik-Werkstatt wohl so nicht vermutet.
Die MC-10 Röhrenschaltung (besonders die Vorstufe) an sich ist sattsam bekannt und stellt quasi die „elektronische Rampensau» dieser Verstärkerschmiede dar (ist ja nicht weiter schlimm). Die verwendeten Bauteile: Metallschichtwiderstände und wieder die X2-Koppelkondensatoren. Als Röhrenbestückung finden sich 6N1 (P) die zu einer „abgewandelten» SRPP und einer Phasenumkehrstufe zusammengestöpselt werden. Exakt die gleiche Elektronik wird übrigens auch bei den 12AT7-Röhren verwendet. Dann die beiden, in Gegentakt verkuppelten, EL34. Nichts besonderes also. Ach ja: Auch wenn es so aussieht als das hier Ringkerntrafos verbaut wurden – dem ist nicht so. Ganz normales, viereckiges, Eisen in typischer Qualität (und das ist so schlecht nicht).
MC-10 Customize
Moment! Bevor irgend etwas „customized» wird, mutiert die Elektronikwerkstatt in diesem Fall zur „Schlosserhalle».
Um eine Sehnenscheidenentzündung am Handgelenk vorzubeugen, nehme ich den Akkuschrauber und lasse ihn die vielen Schrauben lösen. Dann vorsichtig das „Blechkondom» entfernen und nun das hintere Terminalblech ausbauen und mit dem „Spezialwerkzeug» bearbeiten. Neue Befestigungslöcher bohren und Gewinde schneiden, Terminalblech wieder einbauen und den Lötkolben anheizen. Zwischendurch die Achsen von Poti und Kanalwahlschalter wieder in die Horizontale gebracht.
So. Jetzt darf „customized» werden.
Wie üblich, werden zunächst einmal die X2-Folienkondensatoren durch audiotaugliche MKP’s ersetzt, die auch ins vorgegebene Rastermaß passen. Und das ist etwas schwieriger, da selbst die ab Werk verwendeten X2-Kondensatoren „fliegend» verbaut wurden.
Das Netzteil wird für die stabile Leistungsvorgabe umgerüstet und zugleich kapazitätsmäßig abgespeckt und mit anderen Elkowerten bestückt. Der freigewordene Platz reicht dann für einen Folienkondensator, der die dicken Elko-Kapazitäten unterstützen soll. Der Vorstufenbereich bekommt hingegen als Ausgleich ein paar zusätzliche Elkokapazitäten spendiert.
SRPP-Falle
Die herstellertypische SRPP-Vorstufe ist ab Werk auf „Effizienz», sprich Verstärkung, ausgelegt. Anders, als man von SRPP gewohnt ist, erzeugt diese Verstärkerstufe dann auch einen hohen Klirrgrad. Mit einer straffen Über-alles-Gegenkopplung treibt man beim MC-10 dann den Teufel mit dem Beelzebub aus. Tja, und dann hat man eben eine „lahme» SRPP. Eine Über-alles-Gegenkopplung leidet zudem ja immer daran, dass sie „zu spät» kommt. Daher wären lokale Gegenkopplungen, d.h. an der jeweiligen Verstärkerstufe, eigentlich besser geeignet – kann man hier aber so nicht sinnvoll machen.
Damit ist Yaqin voll in die SRPP-Falle getappt.
Der „sensible Bereich» liegt hier also in der Vorstufe. Die zuvor genannten „Schwierigkeiten» kann man ganz elegant so umschiffen, indem man die SRPP umdimensioniert und man damit auch die Verstärkung zurücknimmt. Dann benötigt man auch keine so straffe Gegenkopplung und die SRPP kann ihre Qualitäten voll ausspielen: hohe, pentodenähnliche, Verstärkung bei gleichzeitig geringen Verzerrungen und Klirranteilen. Das klingt dann sehr steril, fast schon wie ein Transistor. Ein kleiner zusätzlicher Trick sorgt dann für eine „Unsauberkeit», „Röhriges». So etwas sollte eigentlich Pflicht sein…
Der Rest der Schaltung ist stimmig und wie aus dem Lehrbuch. Lediglich die bekannten fünf Watt Hochlastwiderstände an den Kathoden der EL34 werden durch zwei Watt Drahtwiderstände ersetzt. Die Schirmgitter der EL34 spendieren wir zusätzliche Schutzwiderstände, um Schwingneigungen zu unterbinden. Die 10Ω-Kathodenwiderstände werden übrigens nicht mit einem Elko gebrückt! Das macht nämlich wirklich keinen Sinn (irgendwo im WWW gefunden).
Last, but not least bekommen noch die Lautsprecherausgänge ein Boucherot-Glied und… Tja, das wars eigentlich.
Da ein Testbetrieb unter derartigen Bedingungen kaum möglich ist, bleibt nur eine sorgsame Kontrolle, ob alles richtig verlötet wurde und sich nicht irgendwo ein Kurzschluss versteckt hat (abgekniffene Anschlussdrähte entwickeln manchmal ein „seltsames Eigenleben» und finden sich gerne da wieder, wo es nach dem Einschalten garantiert knallt…).
Nun die ganzen „Innereien» wieder fein säuberlich anordnen und das ganze wieder vorsichtig und „gaaanz laaangsaaam» wieder zusammenschrauben (Akkuschrauber), neue Russen-Röhren eingesteckt, BIAS für die vier EL34 auf 35mA eingestellt. Messen, Testen: Voila! Saubere 30 Watt Sinus (was, grob über den Daumen gepeilt, etwa 40 Watt RMS entsprechen sollte).
Nun den MC-10 mit musikalischer Kost füttern. Ergebnis: das Wattebäuschchen ist verschwunden und eine gute Stereobühne breitet sich aus. Das von „Nazionale di Santa Cecilia» Orchester unter Leitung von Antonio Pappano eingespielte klassische Stück „Also Sprach Zarathustra» zeigt es eindrucksvoll: Das Orchesterbild baut der „neue» Yaquin MC-10 stabil auf, geht mit den filigranen Violinenspiel sorgsam um und lässt sich auch nicht von den Bläsern oder gar der Kesselpauke beeindrucken. Ach ja, die Kesselpauke: sie „paukt» nun und „plöppt» nicht mehr.
Update 23.02.2015
Ich nehme diese Art von Verstärker nur noch an, wenn dem MC-10 (oder wie der auch immer heisst) mit einer Grossverbraucher-Packung Heftpflaster beigelegt wird. Das Blech (besonders der alten Modelle) schneidet nämlich gut und aufgrund der konstruktionstechnischen Meisterleistung ist ein Aderlass unabdingbar.
Noch’n update
Sollten die Vorstufenröhren mit 6N1P bestempelt sein, dann handelt es sich tatsächlich um 6N1P-Röhren und „dürfen» (Nein! Sie sollen, müssen…) weiterhin Elektronen emittieren. Nicht tauschen! Fehlt allerdings das P ist das kleine Röhrchen alles, bloss keine 6N1P.
Update 15.02.2016
Falls es nicht so ’rübergekommen sein sollte: Der MC-10 ist prinzipiell ein guter EL34-Gegentakter. Es lohnt sich durchaus, ihn zu hegen und zu pflegen und ihn damit am „Leben» zu halten.
Letztes update 2018
In diversen Foren nennt sich ein User (lautmalerisch) wie eine (alte) amerikanische Suchmaschine. Bewusster Herr klagte und klagt über Brummen, nach dem Customize. Er vergisst zu erwähnen, dass er bei mir kein Brummen gehört hat, das aus Kulanz die Vorstufenröhren getauscht wurden und dass er (gute) aktive Lautsprecher mit Schutzleiteranschluss fährt. Und das führt dann zu der berühmten Brummschleife.
Also ich muss schon sagen, der Verstärker macht ganz schön Dampf… Und die Rückwand haben Sie auch ganz gut wieder hinbekommen. Danke!
Es scheint eine Art Wettbewerb um das kürzeste „Feedback» zu herrschen. Dieses hier schoss den Vogel ab:
Tut.