Der Yaqin MC100B ist ein waschechter KT88-Röhrenverstärker. Hier dürfen – nein, müssen – echte KT88 eingesetzt werden. Richtig gut wird er aber erst dann, wenn man zuvor die eingebaute Bremse löst… Und das ist leichter als gedacht, wenn man sich mit den Yaqin-typischen Eigenarten auskennt.
35 Kilo + KT88 + PushPull = Yaqin MC100B
Leider ist der Yaqin MC100B – mit welchem Label auch immer – hier in Deutschland nicht mehr erhältlich. Schade eigentlich, denn wer Leistung benötigt, war mit dem Yaqin MC100B ganz gut bedient. Wenn Sie Interesse an so eine Rakete haben, müssen Sie den nun selbst importieren (bei der Zustellung gibts einen fluchenden Paketzusteller obendrauf – nicht wegen des Gewichts, sondern weil das Ding extrem unhandlich verpackt ist. Sackkarre ist Pflicht!).
Achten Sie aber – um Himmels Willen – auf das CE-Zeichen und das er für „unsere» Netzspannung von 230V~ geeignet ist!
Damals, es war irgendwann im Jahr 2008, begegnete ich auch zum ersten Mal diese Yaqin-typischen X2-Kondensatoren, die mich im weiteren Verlauf noch „verfolgen» sollten. Auch war die Bauteilqualität der ersten Modelle alles andere als berauschend.
Lebensgefährlich…
…waren zB. die nicht isolierten, seriell beschalteten, Siebelkos (!), die zwischen den Trafos aus dem Chassis herauslugten. An zwei Elkos lag an der Metallkappe die Hälfte der Versorgungsspannung an. Bei den späteren MC100B-Modellen war die Bauteilqualität gut und auch die Elkos waren vollisoliert. Wenn alle Hersteller so schnell reagieren würden…
Zwar nicht lebensgefährlich, aber nicht Nachahmenswert war seinerzeit auch der „kuriose» Schutzleiteranschluss…
Röhrentechnik
Der Yaqin MC100B an sich ist in Monoblock-Technik aufgebaut. Will heissen: Bis auf die gemeinsame Masseverbindung und das Netzkabel arbeitet jeder Verstärkerkanal vollständig autark, also mit komplett getrennten Netzteilen!
Damals bemängelten einige Besitzer aber einen eher „undefinierten Klang» und einer viel zu engen Stereobühne. Das schob man seinerzeit auf falsche Ruhestromwerte oder auf verbrauchte bzw. ungeeignete Röhren. Als selbst mit richtigen Ruheströmen und teuren Röhren der Klang sich partout nicht zum Guten wenden wollte, bekam ich einen Yaqin MC100B auf den Tisch: „Mach mal…»
Ein Hörtest bestätigte dann auch: Da ist eine Turbomaschine mit eingebautem Tempomat! Wenn Sie schon mal in einem LKW-Führerhaus (ohne Auflieger bzw. Anhänger) gesessen haben, dann kennen Sie das: Der Fahrer gibt Gas und man spürt die durchschnittlichen 500 Pferdestärken, die der Motor da leistet. Und dann plötzlich, just dann, wenn es so richtig lustig wird – Interrupt. Aus. Mehr wie 80 Km/h geht nicht. Die Maschine will, sie darf aber nicht…
Bei einem geplanten Customize muss man sich des weiteren klar darüber sein, wie man diesen Röhrenverstärker betreiben möchte: als Röhren-Vollverstärker oder als reine Röhren-Endstufe (hierbei wird lediglich die „Herstellertypische» SRPP-Verstärkerstufe umgangen). Auch bei der Möglichkeit der Betriebsart (Trioden- / Pentodenmodus) muss man sich einig werden. Beides geht nicht (und ist auch nicht sinnvoll).
MC100B-Customize
Die Schaltungstopologie ist, wie Eingangs erwähnt, auf KT88 ausgelegt. In der Eingangsstufe werkelt eine SRPP die angepasst werden sollte. Die standardmäßig eingesetzte Röhre ECC83 bzw. 12AX7. Damals war das noch eine „echte» 12AX7, heute die „komische» 12AX7-B.
Dann folgt eine Phasenumkehrstufe (Long Tailed Pair) und zum Schluss (Aufgepasst!) ein Impedanzwandler um die KT88 niederohmig anzusteuern. Diese beiden Röhrenstufen sind mit 6SN7GT bzw. mit 6N8P-Röhren bestückt. Das niederohmige Ansteuern der KT88 bietet handfeste klangliche Vorteile.
Bei beiden 6SN7GT sollten sehr gute Exemplare zum Einsatz kommen – vorzugsweise aus dem NOS-Military-Discount. Mittlerweile ist das ein teures Vergnügen, da man ja vier Röhren benötigt. Die russischen 6H8P sind aber durchaus ein adäquater Ersatz.
Das Netzteil ist hinreichend gut, allerdings nicht unbedingt standfest. Und genau hier ist ein Punkt, wo ein Teil dieser ominöse Bremse eingebaut wurde. Diese ist wohl wahrscheinlich deshalb notwendig, damit man die China-KT88 (die ja eher kompatibel mit einer 6550 ist) nicht überfordert.
Also, dann lösen wir mal die Bremse.
Damit der MC100B wirklich die „Rakete macht» muss das Netzteil etwas umgebaut werden. Umbauen heisst, dass einige Bauteile durch „stärkere» Bauteile ersetzt werden sollten. Zusätzlich bekommen die „monströsen» Elko-Siebkapazitäten noch je einen grösseren MKP beiseite gestellt.
Damit steht das Netzteil nun „bombenfest» und lässt sich auch nicht durch wattstarke Bassimpulse, die die Elkos sonst – ratzfatz – „leersaugen», beeindrucken.
Der Yaqin MC100B war für mich ja der erste Verstärker, wo ich die „tollen» X2-Koppelkondensatoren kennen gelernt habe. Diese Koppelkondensatoren, zusammen mit der Verdrahtungsweise sind inzwischen ein Markenzeichen. Egal welches Emblem der Verstärker trägt – genau daran erkennt man die Herkunft.
Also Koppelkondensatoren…
Neu dimensionierte, audiotaugliche, MKP-Kondensatoren, die vor allem ins Rastermaß (!) passen, sind einzulöten.
Phasenumkehr und Treiberstufe erfahren eine Arbeitspunktanpassung und lösen damit den zweiten Teil der Bremse. Zusätzlich können hier die Siebkapazitäten nahezu verdoppelt werden. Selbst das Subcontra-C (16Hz) sollte diese Verstärkerstufen nicht ins Wanken bringen.
Die „Zementbunker» (Hochlastwiderstände) an den Kathoden der KT88 werden durch gute Drahtwiderstände aus der Zwei-Watt Klasse ersetzt. Draht und 2W bitteschön. Jedes Watt mehr ist nicht nötig und der 10 Ohm-Widerstand braucht auch nicht mit einem Elko gebrückt zu werden.
Im Havariefall sollen ja gerade diese Widerstände zuverlässig abrauchen. Was Hochlastwiderstände oder Metallwiderstände anrichten können, zeigt eindrucksvoll das nebenstehende Bild. Auch die Serienwiderstände im Netzteil werden durch gute Drahtwiderstände ersetzt und auch komplett neu dimensioniert (Wert, Belastung).
Ein Augenmerk ist auf die Belastung des Schirmgitters der KT88 zu legen. Die standardmäßig eingebauten Schirmgitter-Widerstände sind etwas knapp bemessen. Persönlich wäre es mir ja lieber, man würde die KT88 in Tetrodenmodus „laufen lassen» – das geht, zieht aber grössere Umbaumaßnahmen nach sich (Ruhestromregelung).
Zum Schluss wird noch die Gegenkopplung auf die gewünschte Betriebsart angepasst. Hier muss man wirklich sorgsam zu Werke gehen, damit der „gewaltige Charme» einer (echten) KT88 Geltung verschafft wird.
Und da sind wir schon bei den Röhren: Ein Wechsel zu guten KT88 (JJ, EH, NOS-Genalex, Original Tesla’s) ist lohnend. Gibt man den Röhren nach dem Einschalten etwas Zeit, um auf Betriebstemperatur zu kommen, dann baut sich auch genau die Stereobühne auf, die man von Monoblöcken erwarten darf – auch wenn sie, wie im Falle des Yaqin MC100B, in einem Chassis stecken.
Achtung!
Bitte echte KT88 einsetzen. Keinesfalls 6550. Die Betriebsspannung beträgt etwa 500 Volt (die auch zunächst am Schirmgitter anliegen). Die 6550 darf maximal 350V am „Schirmgitter» sehen – dazu kommt noch die Modulation durch die Ultralinear-Schaltung.
Es taugt auch nicht jede KT88.
Ein Augenmerk sollte man auf die negative Vorspannung (BIAS) legen! Damit kommt ebenfalls nicht jede Röhre klar! Da muss ggf. etwas „nachgeholfen werden!
Yaqin MC100B: Mit dem prallen Genuss draller Packer
Nach dem MC100B-Customize merkt man den Turbo, der bereits bei etwa 20 Watt zündet! Leider auch die Nachbarn, die sich dann über den Krach beschweren. Straffe, sehr tief hinabreichende, punktgenaue Bässe und – trotz Tetrode – keine überschäumenden Höhen. Alles ist da, wo es zu sein hat. Als maximale Ausgangsleistung stehen dann übrigens erfrischende, äusserst kraftvolle, 55 Watt (Sinus) bereit.
Fazit: Wer etwas „Kräftiges» benötigt, der sollte einmal mit dem Yaqin MC100B und entsprechendem Customize liebäugeln. Vor allem weil dieser Verstärker bis heute ohne Klimbim (elektronischer Schnickschnack) auskommt.
Bezüglich KT88: Der gute Jac hat da etwas Interessantes auf die Beine gestellt: Echte und falsche KT88.
Wahnsinn! Klang, Dynamik, Detailreichtum, Stereobühne – perfekt… Übrigens, jetzt darf ich Ihnen das ja sagen: Ich bin Musiker…
Update Dezember 2017
Der „Bericht» ist dahingehend geändert worden, dass mit der Umstellung auf das neue Layout, nur noch die Essenz übrig blieb. Das „Tuning» ist doch etwas umfangreicher, als es jetzt den Eindruck macht.
Die Bauteilqualität hat sich – so scheint es – erheblich gebessert. Neuere Geräte weisen zB. keine 5W-Zementbunker Kathodenwiderstände auf. So die „neuere» Erkenntnis.
Ab und an bekomme ich nochmal so eine Gebraucht-Rakete auf den Tisch gestellt, wobei jedesmal die sehr „ambitionierten» Tuningsmaßnahmen bewundert werden konnten. Es nützt nichts, nur andere Koppelkondensatoren „hinein zu dröseln» (die russischen PIO’s sind sowas von falsch…), man sollte sich auch die Betriebsbedingungen der KT88 – besonders in Ultralineartechnik – zu Gemüte führen.
Zum Schluss nochmals der Hinweis, dass eine 6550 keine KT88 ist! Da kann auf dem 6550-Glas das Vatikan-Logo stehen. Auch eine KT90, KT100, KT120 oder KT150 gehört hier nicht hinein. Ich weiss nicht, wer immer auf solche Ideen kommt…