Mo(o)re less Power: MFA D-75A

American way of Hi-Tech

Vor einiger Zeit wunderte sich mein Bekannter, der nach längerem USA-Aufenthalt wieder zurückbeordert wurde, wie die Amerikaner es überhaupt geschafft haben, zum Mond zu fliegen. Auf den D-75A bezogen frage ich mich, wie Mr Moore und Mr Frankland es geschafft haben, aus dieser „Kiste» 75 Watt pro Kanal heraus zu kitzeln. Warum man an mehreren Stellen einen bestimmten Widerstandswert selber „zusammenschusterte», kann ich mir nur mit „Improvisation» oder Abbauen von Überbeständen erklären. Ähnliches gilt auch für das Vorstufennetzteil in diesem Verstärker.

75 Watt – das geht (ganz sauber) nur, wenn Versorgungsspannung und Ruhestrom im richtigen „Verhältnis» stehen. Dazu sollten die Endröhren noch im Pentodenmodus bzw. Tetrodenmodus arbeiten. Allein die Versogungsspannung ist aber noch im „moderaten» Rahmen (500V) und von Pentodenmodus ist auch nichts zu sehen. Die Endröhren „dürfen» hier in Ultralineartechnik arbeiten. Das passt also irgendwie nicht – andere, ähnlich aufgebaute Verstärker, schaffen „nur» 50, vielleicht 55 Watt.

Auch der wahnsinnig hohe Spannungshub der Phasenumkehr zusammen mit dem exorbitant hohem Ruhestrom für die 6550A bringt keine 75 Watt. Zumindest nicht nach den (in Europa) gültigen und anerkannten Messmethoden.

d75a-schaltplanÜberhaupt Ruhestrom – der beläuft sich auf siebzig (70) Milliampere (einige Angaben reden von „nur» 65mA, das macht den Braten aber auch nicht fett). Das schafft auch eine 6550A – lt. Datenblatt – nicht. Zumindest nicht lange. Da ich kein „Tubekiller» bin, probiere ich das gar nicht erst aus. Allein wegen der Versorgungsspannung scheidet eine 6550 (A, B, Akte-X, was auch immer) von vorneherein aus. Da kommt jetzt eine „richtige» KT88 vom Klassenfeind der USA hinein. Fertig. KT88 gesteckt, eingeschaltet, etwas gewartet – gerundete 70mA Ruhestrom. Unter diesen Bedingungen ist das selbst für KT88 heikel.

Wozu hat man denn die Ruhestrom-Regler? Einfach den Ruhestrom herunterdrehen und gut ist? Ha! Können vor Lachen. Das Einzigste, was mit den Reglern möglich war, war einen noch höheren Ruhestrom einzustellen. Das kann man zB. machen, um die Endröhren, kaum noch zu einer Elektronen-Emission fähig, richtig „auszulutschen». Oder man steht auf weissglühende Anodenbleche und schaut faszinierend beim wegbeamen des Schirmgitters zu.

Ernsthaft: Es war gar nicht möglich, den Ruhestrom auf niedrigere Werte (herunter) zu drehen. Ich wollte es ja nicht glauben. Ich hatte zuvor geschrieben, dass der Phasenumkehr-Kathodenwiderstand (in meinem D-75A sind es sechs (6) parallel geschaltete Widerstände) nicht gegen Masse, sondern an eine negative Spannung angeschlossen wurde. Das war damals auch schwer angesagt. Diese negative Spannung wird aber auch für die Ruhestromeinstellung der Endröhren genutzt! Die 6FQ7-Phasenumkehr belastet nach Aufheizung diesen Stromkreis ganz ordentlich. Die eh schon knapp ausreichende Höhe der negativen Vorspannung (im Leerlauf -80V) sackt auf knappe -50V ab und treibt damit den Ruhestrom der Endröhren in die Höhe und lässt diese am Limit schuften.

OK, ich ahne, was man da erreichen wollte und das mag auch funktioniert haben. Mit neuen, hoch selektierten, Röhren. Sobald aber die Phasenumkehr-Röhre und Endröhren ein paar Arbeitsstunden auf dem Buckel haben, fängt das an, in die Hose zu gehen – die Endröhren altern im Zeitraffer.

Und überhaupt: Schon Daniel Düsentrieb wusste, dass man nie nicht einen Stromkreis für unterschiedliche Zwecke verwendet. Never. Niemals. Böse.

Schon „damals» war der Umschalter „Trioden- / Pentodenmodus» bekannt. Bei einigen Verstärkermodellen von MFA wird mit dem Schalter aber nicht nur die Betriebsweise der Endröhren geändert, sondern auch die notwendige Gegenkopplung. So weit, so richtig. Nachteilig ist und war: Die „dicken» Monoblöcken waren als Röhrenendstufen ausgelegt – das Umschalten verführte zum schalten unter „full power». Und mit „full power» dürfte so die eine oder andere Röhre zum Mond geschossen worden sein. Ob MFA in der Anleitung geschrieben hat, dass man zuvor den Standby-Schalter zu betätigen hat, weiss ich nicht.

Zurück zu „meinem» Verstärker-Modell. Das, was Mr. Moore und Mr. Frankland wollten, war ein „kontrollierter» Class-A Push-Pull (wegen Klang) Verstärker in Class-AB1 Schaltungstechnik (wegen Leistung). Äh… Oder so ähnlich. Das… kann man akzeptieren… muss man aber nicht.

Der letale Gitterableitwiderstand ist fast schon harmlos. Ja, wenn die 6550 in Push-Pull Class-A (ohne Ruhestromeinstellung) gefahren werden, ist der Gitterableitwiderstand mit 150 Kiloohm (hundertfuffzich) gut gewählt. Dann sind 75W aber noch nicht einmal RMS, sondern PMPO.

Wir haben aber eine negative Vorspannung. Da kann man drumherum reden wie man will.

Einen Gang herunter schalten…

d75a-innen-neuZunächst werden alle Bypass-Kondensatoren entfernt. Nur die dicke Siebkapazität für die Versorgungsspannung der Endröhren, bekommt einen „dicken» MKP beiseite gestellt. Die stark sedierend wirkenden Keramikkondensatoren an den Anoden der 6550 müssen das Raumschiff verlassen. Die „merkwürdigen» Styroflexe an der Phasenumkehr machen auch den „Flieger» (ist so nicht im Schaltplan zu finden). Die SRPP wird etwas angepasst, um hinterher mit der Gegenkopplung besser „spielen» zu können. Die Werte der Gitterableitwiderstände werden herabgesetzt, was höhere Kapazitäten für die Koppelkondensatoren nach sich zieht.

Der Gleichrichter (vier einzelne Mikey-Mouse Dioden) für die Spannungsversorgung der Endröhren (also da, wo wirklich Leistung „gezogen» wird) wird durch einen „stärkeren» Brückengleichrichter ersetzt. Das Widerstandkonglomerat (mit insgesamt 18W Belastbarkeit) der Phasenumkehr wird leistungsmäßig abgespeckt und ganz simpel auf Masse gelegt. Damit das Anzeigeinstrument für den Ruhestrom jetzt noch „richtig» funktioniert, muss noch ein Trimmer eingebaut werden, mit dem sich der Zeiger in die richtige Position bringen lässt.

Der NF-Eingang wird durch einen „Hochpegel-Eingang» ergänzt, damit die Eingangsröhren mit den heute üblichen Pegeln besser zurecht kommen.

Fertig?

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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