„Mein 300B-Jaqulinchen Verstärker brummt! Können Sie mal…? Und wenn Sie schon dabei sind, kann man noch etwas am Klang drehen?» So ähnlich wurde (und wird) dieser MS-300B Single-Ended „angekündigt». Es ist schon erstaunlich, wieviele Röhrenverstärker dieses Herstellers mit „Jaqulinchen» bezeichnet werden… Also, wenn ein Röhrenverstärker „plötzlich» brummt, dann ist was faul. Oberfaul sogar.
Typisch! Bevor man nämlich ans Innenleben kommt, muss man Schraubendreher werden und gefühlte einhundert Schrauben lösen. Erst dann kann man sich an die elektrischen Innereien ergötzen. Auch in dem MS-300B geht es, von oben betrachtet, sehr solide zu – sowohl mechanisch als auch elektrisch. Widerstände? Poti? Trafo? Übertrager? Bei dem Yaqin MS-300B gibts eigentlich nix zu meckern. Eigentlich.
MS-300B: Single-Ended für Sadisten!
Das Innenleben. Ohje! Man musste nicht zweimal hinsehen, um den „Fehler» (der zu einem Brumm führte) zu entdecken: Da liegt ein Elko im sterben und hat vermutlich schon einen Teil seines Innenlebens ausgekotzt (leider kein Einzelfall). Der defekte Elko ist Bestandteil der Siebkette (genauer Ladekondensator) für die Röhrengleichrichter. Hier sind zweimal 10µF seriell geschaltet und ergeben somit etwa 5µF Ladekapazität. Im Schaltplan des MS-300B fehlen die erforderlichen Spannungsteiler (Symmetrierwiderstände). In der Praxis sind diese aber sehr wohl vorhanden – nämlich auf der Unterseite der Platine. Bedingt durch Wärmestau (die Röhren heizen ordentlich ein und auch im Innenraum wird es mächtig warm) sehen die Widerstände nicht nur ungesund aus, sie sind es auch.
Rund um die Gleichrichterröhre
Da die eingesetzte 5Z3P-A durch den defekten Kondensator sowieso etwas gelitten hat, wird hier auf 5U4G (ohne B-Präfix) umgerüstet. Diese „verträgt» zwar wesentlich mehr Ladekapazität – trotzdem wird hier im Reparaturfall ein wesentlich geringerer Wert eingesetzt. Und zwar als Folienkondensator.
Das hat sich einfach bewährt. Also 5U4G. Und zwar die Winged-C Black Plated Version. Die gibts nur noch als NOS und ist auch bei Musikern nicht ohne Grund eine heiss begehrte Gleichrichterröhre. Leider nicht (mehr) ganz billig…
Nachtrag 12.08.2014: Nicht mehr ganz billig? Die 5U4G Black Plated Version ist fast nicht mehr zu bekommen. Fast…
White-Kathodenfolger
Angetrieben wird die 300B von einem – im grossen und ganzen – ordentlich dimensionierten White-Kathodenfolger. Das ist ungewöhnlich und sieht man wirklich selten!
Vorteil bei dieser Treiberstufe (sieht einer SRPP-Stufe sehr ähnlich): Die 300B wird relativ „niederohmig» angesteuert. Leider (Achtung!) ist hier bei einigen Geräten ein „Knallbonbon» eingebaut. Nur soviel: Spannungsteiler werden völlig überbewertet…
Rund um die 300B
Wie üblich wird auch im Yaqin MS-300B die Triode mit gesiebter Gleichspannung beheizt. In diesem Fall ist das aber, für eine wirklich saubere Heizspannung, einfach zu wenig.
Der Kathodenwiderstand ist zwar ein 50W Aluminium housed Widerstand aber der Widerstandswert passt eher zur 2A3. In dem MS-300B hängen diese Widerstände zudem lustig in der Luft herum und müssen zusehen, wie sie das Gemütchen gekühlt bekommen, wenn die Trioden-Ladies glühen. Ohne Kühlungsmaßnahmen verträgt so ein Widerstand keine 20 Watt! Und schon gar nicht dauerhaft. Kein Wunder, dass es hier extrem warm wird. Dann noch eine Quizfrage am Rande: Warum sind diese Widerstände mit je 440µF Elkokapazität (!) gebrückt?
Das. Ist. Sadismus.
Jetzt mal ehrlich: So quält man eine 300B (vor allem unter diesen Betriebsbedingungen) mit absolut grenzwertigem Ruhestrom und quetscht aus der 300B das allerletzte Watt heraus. Das ist wirklich purer Sadismus. Wenn man diesen Fetisch weiter frönen will – bitteschön, nichts dagegen. Ich will aber kein Gemecker hören, weil man in kurzen Abständen und bis zum Dispoanschlag neue Trioden besorgen muss. Einzig mögliche Abhilfe: Man setzt „Super-300B’s» ein, z.B. die KR-300B. Die stecken diesen brutalen Ruhestrom locker weg.
Wer aus monetären Gründen keine KR-300B einsetzen möchte, dem bleibt nichts anderes übrig, als den Kathodenwiderstand auszubauen und einen neu dimensionierten 50 Watt Aluminium housed einzubauen – idealerweise natürlich ans Chassisblech montiert. Durch diese Maßnahme wird dieser Widerstand gekühlt und verkraftet dann auch wirklich 50 Watt. Mit einer gesunden Elko-Kapazität (Audio-Elko, natürlich) wird dieser Widerstand dann gebrückt.
Damit stellt sich bei „normalen» 300B-Röhren dann ein Ruhestrom ein, der sich zwischen 60mA und 75mA bewegt (je nach Hersteller) und damit im übrigen ganz locker und lässig zum „audiophilen» Musikgenuss bittet. Auch für die Lebendauer der Gleichrichterröhre ist dieser verringerte Ruhestrom sehr zuträglich. Immerhin werden somit, round about, etwa 60mA eingespart – was bei Röhrenverstärker dieser Art ja auch kein Kleckerkram ist.
MS-300B Diätplan
Das Netzteil wird gründlich abgespeckt. In dem Yaqin MS-300B wirken die eingesetzten 400µF (in Worten: Vierhundert Mikrofarad) wie Valium. Und genauso klingt es auch. Spritzigkeit? Dynamik? Vergessen Sie’s. Es hilft also alles nichts: Der Kapazitätsballast wird komplett neu zusammengestellt.
Thats it. Brumm weg. Knackiger Klang und ein Ruhestrom, bei dem die 300B, ohne Stresspusteln zu bekommen, gut arbeiten kann. So ist das richtig. Auch aus klanglicher Sicht.
Na gut, leistungsmäßig mussten „Einbußen» in Kauf genommen werden, aber wer wird sich bitteschön wegen der 3 Watt streiten (die man so eh nicht hört)? Statt der angegebenen (gerundeten) 10 Watt bleiben nun angestrengte 7 Watt übrig. An „richtigen» Lautsprechern (also, alles ab 96dB aufwärts) kommt auch damit richtig Leben in die Bude.
Anmerkung:
Der Einsatz von Full-Music oder Sophia 300B ist erst nach einem Customize möglich!
Den MusicHall schnell abgestöpselt, Verstärker angeschlossen. Den üblichen Stapel CD´s zum schnellen Durchhören bereitgelegt und los gings. Erste Reaktion: „Ach Du Sch…, was ist das denn für ein Verstärker?» Das Ding ist einfach nicht wieder zu erkennen. Als erstes ist uns aufgefallen, das der räumliche Aufbau drastisch an Qualität zugelegt hat. Man ortet die Lautsprecher praktisch nicht mehr (im Gegensatz zu dem kleinen MusicHall-Transistor). Der (neue) MS-300B baut eine wunderbare Bühne auf, Stimmen und Instrumente werden wunderbar platziert. Das Bastanis-System reagiert wirklich sehr empfindlich auf Verstärker und meine Befürchtung, das auch dieser die Höhen überbetont, wurde total Ad Acta gelegt.
[…]Es passt wie die Faust aufs Auge. Die geringere Leistung in Watt ist nebensächlich, auch hohe und sehr hohe Pegel gehen ab wie die Feuerwehr. Wir sind nach diesen ersten Eindrücken hochzufrieden, mehr kann man dazu nicht sagen.
Update 08.2014:
Es gibt tatsächlich MS-300B Verstärker, wo diese Symmetrierwiderstände an den Ladeelkos fehlen. Einen ersten Hinweis darauf gibt scheinbar wohl der Platinenaufdruck: Fehlt der Widerstandsaufdruck, dürften sich an der Unterseite der Platine auch keine Symmetrierwiderstände befinden. Weiteres Indiz: Die Gleichrichterröhre wird schneller gehimmelt, als das sich die Elkos aufblähen können.
Wer diesen Verstärker selber pimpen will, sollte es tunlichst vermeiden, die Befestigungsmutter des Motorpotis mit brachialer Gewalt festzudrehen. Das überlebt das Poti nicht und ist danach nur noch ein regelbarer Wackelkontakt. Fest reicht. Bei einem MS-300B Exemplar durfte ich zudem Fehler ausbügeln, die Yaqin nicht zu verantworten hatte.
Auch braucht das Chassis nicht komplett zerlegt zu werden, um die Kopfhörerbuchse aus- und wieder einbauen zu können. Das geht völlig schmerzfrei auch so. Und, wenn man es doch nicht lassen kann, dann bitte wieder vernünftig zusammenschrauben. Allgemein: Man kann den Herstellern ja alles vorwerfen, aber eine derart mangelhafte und fehlerträchtige Verschraubungen (welches beim letzten Verstärker auch zu einer veritablen Masseproblem führte) ist mir bisher noch nicht untergekommen. Bei Schrauben und Muttern gilt der Lehrsatz: Achtung! Nach fest kommt kaputt.
Hinweis: Der ursprüngliche Artikel stammt aus 2011!