Dieser betagte „Music Angel» Single-Ended (mit 845) ist bei der lötenden Bastlerzunft wahrlich kein Unbekannter. Vor längerer Zeit haben sich daran schon Andere ausgetobt, um etwas Brauchbares daraus zu machen. Nicht wenige betrachten diesen „Music Angel» bestenfalls als Anschauungsobjekt: „Wie man es nicht machen sollte».
Die Schaltung an sich ist fast schon wie vorgewarnt – allerdings mit ein paar zusätzlichen Features. Trick 17, damit auch alles in das Gehäuse passt, mit Selbstüberlistung. Und – fast wie erwartet – gibt es nicht den einen „Music Angel» 845-Röhrenverstärker. Er mutierte offenbar wie ein Grippevirus. Sowohl konstruktionstechnisch (also Aufbau) als auch schaltungsmäßig gibt es Unterschiede. Was man hat, kann man nur herausfinden, wenn die Schaltung herausgezeichnet wird. Wobei es, nach meinen derzeitigen Kenntnisstand, nur eine Version gibt, die man mit Ach und Krach abnicken kann.
Scheinbar hat man sich bei „Music Angel» (wer auch immer wirklich dahinter steckte) bezüglich Röhrenverstärker verhoben. Die Macher sind scheinbar (!) nicht mehr da. Futschikato. Bis auf die oft modifizierten „Hinterlassenschaften»…
Zunächst zu den, vielfach verlinkten, Modifikationen des „Lampizators»
Die Verstärkerschaltung geht so in Ordnung, Kann man machen. Die Schaltungsvariation der „Röhrenklinik» kann man, scheinbar, auch durchwinken. Nur die Art, wie die Spannung der Vorstufen generiert wird, lässt zunächst Protest aufkommen. Wie gesagt, kann man alles machen.
Es hat den Anschein, dass der Schwachpunkt des 845-„Music Angel» bei der Vorstufe liegt. In meinem Röhrenverstärker finde ich übrigens nicht diese wirklich chaotische Schaltung, die „Lampizator» herausgezeichnet hat. Dafür jede Menge anderes „kurioses Zeuchs», die es teilweise auch in deren Verstärkern gegeben haben muss…
Original-Schaltung
Vorne eine SRPP mit ursprünglich 6N9 – in diesem Fall die chinesische Variante der (amerikanischen) 6SL7. Diese Doppeltriode muss man zu nehmen wissen, sonst macht sie leicht Unfug. Wirklich, dicke Kumpels werden wir nicht, die 6SL7 (nebst Derivate) und ich. Wenn ich so etwas verwenden muss, dann nur hochselektierte Gläser aus Mütterchen Russland. Oder eben NOS-Ware. Die Leute von Shuguang können vielleicht eine 845 oder 300B herstellen. Eine vernünftige 6SL7 (6N9) oder 6SN7 (6N8) bekommen die aber einfach nicht gebacken.
Dann folgen die parallel geschaltete Triodensysteme der 6SN7 bzw. 6N8 in Standard-Kathodenbasisschaltung. Das gesamte zweistufige Konzept erhält aber nur eine Drei Minus. Hätte man auch anders machen können. Aber nunja…
Unspektakulär ist dagegen, wie die 845 an der 6N8 angeflanschte wurde. Wenn man mal von den alten (!) Roederstein-MKT’s absieht… Typischerweise ist die 845 mit Gleichspannung beheizt und mit „regelbaren Symmetrierwiderständen» an der Rückseite. Und dann habe ich etwas gesucht. Nämlich den Kathodenwiderstand der Endröhren mit dessen Hilfe man den Ruhestrom für die 845 ermitteln kann. Also, wo „isser» denn? Wenn ich schon ein Problem bekomme…
Kurz und gut: Es war gar nicht so einfach möglich, den Ruhestrom zu ermitteln. Auch für mich nicht. Den betreffende Widerstand hat „Music Angel» nämlich bescheuerterweise an den Symmetrierreglern versteckt und war deshalb auch nur sehr schwer zugänglich.
Dafür waren die Ruhestromregler leicht erreich- und verstellbar. Soll Otto-Normalo etwa in der Anodenzuleitung ein Amperemeter einschleifen, um den Anodenstrom aufzunehmen? Ehrlich jetzt, das machen selbst die abgebrühtesten Bastler nicht mehr. Zumindest nicht in diesem Spannungsbereich.
Die Verkabelung ist übrigens für Farbenblinde. Die vielen schwarzen Käbelchen sind für alles da. Man muss also ein Käbelchen schon genau verfolgen, um herauszufinden, wozu es da ist.
Netzteil
Und da ich den „Music Angel» nun auf der Werbank habe, tue ich natürlich das, was ich am liebsten zuerst tue: Ich werfe ein strenges Auge auf das Netzteil. Der Original-Schaltplan lässt schon einiges erahnen… Und hier lernt man auch schnell das „China-Paradoxon» kennen: Einerseits wird geklotzt (naja), andererseits wird man zum Sparbrötchen (ohja). Das „Geklotze» muss ja schliesslich auch gegenfinanziert werden…
Also Netzteil. Einschaltverzögerung, Hochspannungerzeugung und ein paar andere Dinge sitzen auf Platine. Den Original-Schaltplan kann man jetzt komplett vergessen. Als ungefähre Orientierungshilfe geht’s noch durch. Jeder Kanal hat hier nämlich seinen eigenen Netztrafo. Man hat also prinzipiell Monos in ein (viel zu) kleines Gehäuse gepackt. Auch nicht schlecht.
Die 845 arbeitet hier mit knapp 1000 Volt. Also 1kV. Für die Abkürzung „kV» habe ich eine sehr gute und selbsterklärende Umschreibung aller üblichen Warnungen gefunden. Ist also nicht auf mein Mist gewachsen: kV ist Killer-Volt. Klar?
Knapp 1000 Volt heisst im „Music Angel»: 900V. Wer denkt, dass ihn diese 100V Differenz rettet, soll das von mir aus weiter denken. Charon wartet schon, um ihn über den Styx zu schippern. Wirklich, ab etwa 600 Volt muss man umdenken. Je höher die Spannung, desto schneller und mehr umdenken. Das kann kein Simulationsprogramm. Auch die herkömmliche Verdrahtungstechnik in Röhrenverstärkern kann man (fast) vergessen.
Die 900V sind für Shuguang-845’er aber erst einmal richtig. Keinesfalls darüber hinaus. Und – nebenbei – weder die Elrog- noch NOS-, oder die Kron-Röhren passen hier hinein. Vergessen Sie’s.
Alle Betriebsspannungen (wirklich, alle) werden mittels eines einfachen Spannungsverdopplers erzeugt. In meinem „Music Angel» hat dafür jede Röhre ihren eigenen Spannungsabgriff am Netztrafo. Via Spannungsverdoppler wird die jeweilige Versorgungsspannung erzeugt. Ist doch gut, oder?
Denkste. Die Spannungsverdoppler erfüllen alle gerade einmal Minimalanforderungen. Das reicht für eine Glühbirne, aber nicht für einen Röhrenverstärker. Bis auf den „Killer-Volt» Bereich hat man auf eine nachgeschaltete Siebkette „verzichtet». Die vielen kleinen Folienkondensatoren in „meinem» „Music Angel» Röhrenverstärker nützen da gar nichts.
Jetzt macht die Art der Spannungsversorgung aus der Schaltung der „Röhrenklinik» Sinn. Ob sie sinnig ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt.