Music Angel Vorverstärker

Vorverstärker Marantz-Style

Aus der „Look a like» Marantz-Schaltung lässt sich prima ein „ziemlich echter» Marantz-Clone herstellen. Warum nicht? Der Marantz-Schaltplan

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Die Musik spielt sich bei den ersten beiden Röhrenstufen ab, wobei das Solo vom ersten Koppelkondensator (10nF, 0,01µF) dargeboten wird. Die dritte Stufe arbeitet „nur» als Impedanzwandler.

Wenn man sich schon für einen Clone entscheidet, dann gilt ein Gesetz: Man ändert nicht einfach so „auf’m blauen Buff» die Bauteilwerte oder gar die Röhrentype, so wie es einem gefällt oder das Bastleretat erlaubt. Besonders die Koppelkondensatoren. Die Marantz-Entwickler werden sich bei der Dimensionierung wohl schon etwas dabei gedacht haben. Ein Aspekt ist dabei die untere Grenzfrequenz.

Der erste 10nF-Koppelkondi begrenzt die untere Frequenz auf knapp 16Hz (-3dB). Das reicht zwar locker, ist dem Hardcore-HaiEnder aber nicht genug und setzt einen 100nF-Kondensator ein. Damit wird eine untere Grenzfrequenz von unter 2Hz erzeugt. Das bringt jetzt genau was? Auf Schallplatte werden nur selten Frequenzen unter 40Hz eingeritzt und fast alle digitalen Signallieferanten kappen gnadenlos alles unter 20Hz.

Eine -3dB Angabe heisst ja nicht, dass da gar nichts mehr durchkommt, sondern „nur» dass sich die „Signalstärke» um etwa die Hälfte abgeschwächt hat. Gerade im Tiefton-Keller ist das ja (generell) gewollt. Hätte Marantz den Vorverstärker mit den heute üblichen Produkt-Eigenschaften beworben, hätte es heissen müssen: ca. 15Hz bis 50kHz (-3dB).

Die Gegenkopplung arbeitet dagegen noch „breitbandiger». Eventuelle Phasenverschiebungen werden somit in Bereiche verlagert, die uninteressant sind. Kurz & gut: Die seinerzeit angegebene Frequenzabweichung von nur ±0,5dB bei 20Hz-20kHz ist so nur mit diesen Kapazitätswerten zu erreichen und keineswegs schlecht. Was sind bitteschön 0,5dB-Abweichung von der idealen Linie? Ein unhörbares Nichts.

Frisch, weniger fromm, aber fröhlich & frei

Das Ziel war es nun, dem Vorverstärker-Original von Marantz so nahe zu kommen, wie es eben das Platinenlayout erlaubt. Also „rupfen» und sich, an die Original-Bauteilwerte dieses Vorverstärkers (Marantz) haltend, neu bestücken.

Es müssen auch die Serienwiderstände im Netzteil deutlich geändert werden. Die Versorgungsspannung – wie im Original – sollte so gut wie möglich eingehalten werden.

Das „Umrüsten» auf ECC83 (RFT) ist sowieso ausgemachte Sache. Bis auf die Heizungsanschlüsse sind die Röhrensysteme kompatibel. Zur Anpassung der Heizung müssen die Anschlüsse nur umgelötet werden. Die Heiz-Gleichspanung wird noch auf Schwingungen geprüft, weil nach dem „Spannungsregler» eine fette 6800µF-Kapazität hing (ein gern gemachter Fehler). Das Ergebnis war alles, nur keine Gleichspannung, eher eine „hochfrequent» (irgendwas im mittleren einstelligen kHz-Bereich) versaubeutelte Spannung.

Die Korrektur: Die 6800µF-Kapazität wird durch 10µF ersetzt, dem noch eine Keramikscheibe parallel geschaltet wurde. Sieht nicht nach „Hai-End» aus, wirkt aber: Jetzt kann man von Gleichspannung reden. Mit dem Trimmpoti wird schlussendlich die Heizspannung noch auf 6,3V abgeglichen.

Der neue Lautstärkeregler kommt jetzt nach „vorne» – mitsamt neuer Verlängerungsachse und neuer Achsenkupplung. Anders aber als beim Vorbild, wird die Eingangsbeschaltung leicht abgeändert. Ein Stereopoti mit 500kΩ (wie im Original) zu organisieren kann man sich sparen. Erstens kommt es zu Fehlanpassung der Signallieferanten, Zweitens wollen wir die hochohmige Geschichte der 1960’er-Jahre nicht wiederholen und Drittens gibt’s sowas schlichtweg nicht mehr. Auch bekommt die erste Röhrenstufe einen Gridstopper verpasst.

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Die letzte grosse Änderung geschieht bei der letzten Röhrenstufe: Der Impedanzwandler wird nun durch eine ECC82 gebildet. Dafür ist sie doch besser geeignet, als eine – wie bei Marantz – ECC83.

Das war’s im Prinzip.
Hinweis: Wer sich für ausfühliche Schaltungsunterlagen zu Marantz interessiert, findet hier reichlich Futter.

Das Ergebnis

Für ein Vorverstärkerkonzept aus der „Steinzeit» klingt es doch recht modern und lässt nichts vermissen. Vom Klang zu reden verkneife ich mir, weil ich keine neutral-klingende Halbleiterendstufe zur Verfügung habe, um eine vernüftige Klangbeurteilung abgeben zu können.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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