Da sind beispielsweise die zusätzlich angebrachte Kondensatoren zur Siebung der Gleichspannungs-Heizung für die 211. 47000 zusätzliche Mü-Eff. Mit 10V Spannungsfestigkeit. Das Mü-Eff ist gewaltig übertrieben, die Spannungsfestigkeit ausreichend. Aber wieso?
Die Lötstellen sehen aus, als ob da mit Müh‘ und Not ein alterschwacher Lötkolben versucht hat, das Lötzinn richtig auf Temperatur zu bringen. Das ist mehr gepappt als gelötet. Im anderen Mono hatte ich – nachdem der Kleber abgefrimmelt war – den auch hier angebrachten Kondi plötzlich in der Hand. Ganz ohne Lötkolben…
Ein Mini-Bildchen zu P88 – zum Vergleich der Innereien – finde ich dann doch noch. Doch, was man da nur erkennen kann, ist, dass die Abbildung kaum dem entspricht, was hier in natura auf der Werkbank steht. Vor allem fehlen die drei Regler.
Drei Regler müsst Ihr sein
Und genau die machten etwas stutzig. Okay, mal schauen… Einer zur Symmetrierung der Heizspannung für die beiden Vorstufenröhren. Ein anderer, der in der Mitte, hängt „irgendwie» an der EL34 und 211 (Da hatte ich doch schon mal was…). Wobei hier gekennzeichnet wurde, wie der Schlitz an der Reglerachse zu stehen hat…
Und der Dritte im Bunde? Tja, der war einfach nur da und verdingte sich als Lötstützpunkt.
Dabei hatte – ich will wetten – der Regler garantiert ebenfalls Symmetrierfunktion. Und zwar für die 211. Auch wenn diese mit Gleichspannung beheizt werden und es eigentlich nichts zu symmetrieren gibt… Aber man kann damit wunderbar die unvermeidbaren Toleranzen der Widerstände ausgleichen (die im übrigen arg mitgenommen aussehen).
Class-A?
Gegen waschechtes Class-A spricht die Tatsache, dass ein Kathodenwiderstand verbaut wurde, der nicht zu Class-A passt. Eher zu Class-A1 – also mit Ruhestromregler. Der Kathodenwiderstand war zudem, Nanu?-Nana!, etwas „seltsam» verschaltet. Ein kleines Wunder, dass in all‘ der Zeit nichts passiert ist…
Das Class-A1 verwerfe ich auch wieder, weil dazu die Beschaltung am Steuergitter der 211 nicht passte. Übrig bleibt Class-A2. Das passt dann auch besser zur annoncierten Ausgangsleistung von (nur) knappen 25W.
Das war nur der erste Blick. Um klarer zu sehen, muss diese P88-Schaltung herausgezeichnet werden. Das Schaltungskonzept, was ich dahinter vermute, ist „ungewöhnlich». Damit das aber funktioniert, muss eine negative Spannungsquelle zur Verfügung stehen… Mal sehen…
Um zu „mal sehen», wird erst einmal der zusätzliche angeklebte (mittlerweile poröses Silikon) entfernt. Na bitte. Prompt wird eine symmetrische Spannungsversorgung (Plus-Minus Spannung) für die EL34 „sichtbar». Nett.
Das grüne, quaderförmige, Monstrum, was man auf den Bildern erkennen kann, ist übrigens ein 50W-Klopper. Drahtwiderstand. Vier Kiloohm. Er soll einen Ausgangs-Übertrager für die EL34 „simulieren». Da wird also richtig Leistung erzeugt. Das sonst übliche Prinzip der leistungslosen Ansteuerung kann man bei Class-A2 ja vergessen.
Das Schaltbild offenbart einen fast schon typischen Class-A2 Fernost-Röhrenverstärker (Fernost heisst: Alles, ausser China). Derartiges gehört „dort drüben» zum guten Ton und findet man hierzulande nicht allzu oft.
Nun ist es an der Zeit, das Netzteil zu testen. Aus nur einem Grund: Funktioniert das überhaupt noch und wenn ja, was liegt an Spannung an.
Netzteil
Die Hochspannung wird mit vier einzelnen Dioden (völlig richtig) gleichgerichtet und zu der ersten Elkobatterie geführt. Hier finden sich Elkos mit je 2x 100µF in einem Gehäuse. Je Elko sind diese beiden Kapazitäten parallel geschaltet (ergibt dann also 200µF). Um Spanungsfestigkeit zu erhalten, sind je zwei Elkos seriell geschaltet. Dadurch wird die Kapazität wieder halbiert. Ergibt dann in der Summe 100µF / 1000V je Elkobatterie.
Nach der ersten Elkobatterie geht’s zur Drossel und danach kommt eben die zweite Elkobatterie. Ein klasisches CLC-Netzteil.
Aber… Auf einen Schlag rund 1000V auf entladene bzw. „leere» Kondensatoren in dieser Größenordnung? Junge, Junge – Das kann ganz schön ballern. Da geht man zunächst doch besser mit einem regelbaren Trenntrafo heran. So wie da „herumgefuhrwerkt» wurde – ich traue dem Braten nicht. Nicht auszudenken, wenn sich ein Elkopott als faules Ei erweist.
In diesen P88-Modellen hängen die 211 an knapp 1000V. Die 6SL7-Vorstufe an der Teilspannung von über 450V (Leerlauf). Zur Siebung der Vorstufe diente ein 400V-Elko! In einem Monoblock lebte er noch, im anderen Mono kämpfte er mit dem Tod. Die EL34 bekommen die symmetrische Spannung von 225V (Leerlauf wohlgemerkt).
Aber, ich kenne doch meine „Fernost-Brüder». Die ursprünglichen Siebkapazitäten waren mal deutlich geringer. Wetten? 50µF Gesamtsiebkapazität nach dem Gleichrichter, Drossel und nochmals 50µF…
Customize?
Da es sich „nur» um einen Fernost-Verstärker handelt, ich „freie Bahn» habe, die Original-Schaltung mit Sicherheit Schwachpunkte hat (Stichwort 6SL7) – da schöpfe ich doch aus dem „Vollen». Vor allem habe ich Platz. Reichlich. Bei all‘ der Braterei und Pfuscherei – da gibt’s nichts zu „customizen».
Also zunächst „ausweiden». Und dann erklären sich die zusätzlich angebrachte 47000µF-Kondensatoren…
Wirklich, dass war nicht so ohne weiteres erkennbar, weil über dem verblichenen Elko noch ein anderer Kondensator aufgelötet war. Aber die verschmorten Stellen am Gleichrichter waren bei genauer Betrachtung erkennbar. Das hätte doch – verdammt nochmal – mindestens stutzig machen lassen sollen!
Dieser Kondensator hatte garantiert ein derbes Problem mit der Hitzeentwicklung der 211. Ob der Gleichrichter noch zuverlässig funktioniert, wage ich zu bezweifeln… Das muss doch bemerkt worden sein!? Mindestens an dem Gestank. So etwas passiert nicht von Jetzt auf Gleich…
Lassen wir das.
Weiter geht’s irgendwann in der Rubrik „Selbstbau».