Schirmgitter
Besonders was bei dieser Röhrenendstufe am Schirmgitter der EL34 passiert, wäre (wieder einmal) ein Thema für sich. Denn nur damit erklären sich die annoncierten 50W / Kanal Ausgangsleistung in Ultralinear (was es ganz streng genommen gar nicht ist und auch nicht sein kann). Eine Leistung übrigens, die man eher bei Gitarrenverstärker (namentlich Marshall) vermuten würde. Dann aber werden diese Pentoden im gleichnamigen Modus betrieben. Nix mit Ultralinear.
Ultralinear heisst ja, dass auf der Betriebsspannung dieser Endstufe noch das aufmodulierte NF-Signal dazu kommt. Je nach Höhe der Betriebsspannung kommt man schnell in die Verbotszone (450V). Bei einer Leerlaufspannung von rund 470V wird die Betriebsspannung vielleicht auf etwa 420V absacken, wenn die Röhren auf Soll ausgefahren werden. Das Soll hiess bei dieser Röhrenendstufe: Rund 60mA pro Röhre Ruhestrom (bei etwa 50mA Anodenstrom).
Ganz grob überschlägig würde das bedeuten, dass die Schirmgitter mit etwa 4W belastet werden (maximal 8W). Eine verflucht heisse Einstellung. Sehr heiss. Das hat mit highfidelen Class-AB nichts mehr zu tun, eher Class-B.
Kurz und gut: Es wird das Gas vom Schirmgitter weggenommen. Wird zwar Leistung kosten – aber was soll’s. Dafür halten die EL34 dann auch garantiert länger. Die Zeit, wo man selbst für „HiFi» Röhren geknüppelt hat, sind schon lange vorbei. Da gab’s ja „früher» so ein paar Kandidaten.
Ruhestromregelung
Diese wird in dieser Röhrenendstufe derart umgestaltet, dass jede Endröhre separat einen einstellbaren Regler bekommt. Vorher war es ja so, dass ein Regler die Höhe der negativen Vorspannung „bestimmte», der zweite Regler für die gleichmässige Verteilung auf das Röhrenpaar zuständig war.
Wo fängt nun ein Otto-Normalnutzer, der gerade einmal über ein Multimeter verfügt, an zu drehen, um den Ruhestrom einstellen zu können? Von einer Anodenstrom-Messorgie (mit Signalgenerator und Oszilloskop) nicht zu reden.
Nebenbei: In meinem „Schatzkistchen» habe ich noch die alte Bauform für diese Regler gefunden. Die gibt es nämlich so auch nicht mehr… Pro Röhre wird der Ruhestrom nun auf rund 35mA eingestellt. Maximal möglich wären 50mA.
Standby-Schalter
Ein typisches Merkmal bei Gitarrenverstärkern, der dazu dient, den Verstärker kurzzeitig „den Saft abzudrehen» – unter Beibehaltung der Betriebsbereitschaft. Die Röhren bleiben dabei aufgeheizt und – ganz wichtig – die Betriebsspannung bleibt normalerweise bis zu den Siebelkos in voller Höhe stehen. Die Betonung liegt hierbei auf Kurzzeitig, heisst: Für ’ne Pinkelpause, zehn Bierchen exen, Zigarette qualmen, neue Saite aufziehen…
Nur dafür war das mal angedacht. Dann kamen die Marketingstrategen und erfanden das Ammenmärchen, dass der Standby-Schalter das Leben der Röhren verlängern würde. Bullshit. Normale Röhren sind nicht dafür geeignet, längere Zeit ohne Elektronenfluss nur beheizt zu werden. Ohne Elektronenfluss kommt es auf kurz oder lang zu einer versifften Kathode (Kathodenvergiftung) – die Röhre(n) werden unbrauchbar.
In dieser Röhrenendstufe schaltete der Standby-Schalter die komplette Betriebsspannung weg, mit der Folge, dass beim Wiedereinschalten nicht nur hohe Einschaltströme flossen (daher wohl auch die zweifelhafte 4A-Sekundärsicherung), sondern es auch zu einer kurzzeitigen Instabilität kommen konnte, da die Röhren ja bereits aufgeheizt waren und sofort eine Last bildeten, die (teilentladenen) Kavenzmänner aber erst einmal wieder auf Sollstärke geladen werden mussten (ein Entladewiderstand gab’s nicht).
In Gitarrenverstärkern findet man aber keine Kapazitäten von auch nur annährend 100µF, deshalb mag das komplette Ausschalten der Betriebsspannung ja noch angehen, aber eben nicht hier. Der Schalter bleibt nur noch zur Deko.
Der Rest…
… ist täglich gelebte Praxis: Vorstufe testen, wenn OK, dann Endröhren einflanschen und dann Schritt für Schritt auf gewünschten Ruhestrom abgleichen. Zum Schluss nach allen Regeln der Kunst durchmessen.
Bei 2V Input sind nunmehr rund maximal 40W (100%) an 8Ω möglich, wobei bei etwa 30W (70%) das schöne Sinus nicht mehr so schön aussieht bzw. nicht mehr zu erkennen ist („Clipping»).
Klang? Nun gut. So eine Endstufe verführt dazu, auch mal so richtig die Sau ’raus zu lassen. Ich habe mit einen Zitat aus Star Trek begonnen und werde mit einem Zitat enden: Es war schon prächtiges „Wummern und Schreien» (Star Trek, „Beyond»). Wummern diesmal: Alex Harvey’s „Faith Healer», wobei das natürlich kein Wummern sein sollte, sondern ein Membrangefährlicher, knochentrockener Bass. Das „Leiser!»-Schreien übernehmen die Nachbarn oder der Lebenspartner. Oder beide.
Natürlich geht’s auch „ruhiger», aber ab und an darf’s auch mal sehr laut und wild werden. Wirklich, schon lange nicht mehr so einen standfesten Gegentakter gehört, der es auch noch fertigbringt, Feinheiten nicht ganz zu verschlucken. Kurz und gut: Ich habe von meiner „staatlich geprüften» Klangtesterin (und von den Nachbarn) ’ne Freigabe bekommen.
Hinweis: Statt der E34L von JJ, darf’s auch die 6CA7 von JJ werden, die am Schirmgitter max. 500V verträgt.
Update 29.02.2014: Kunde meinte (Zitat)
vielen Dank noch mal für das sachkundige Restaurieren meiner ollen Welter ES 50, oder viele mehr ES 30, wie Sie in Ihrem wunderbaren Artikel über die Renovierung der Endstufe auf Ihrem Blog schreiben. Die Klangbeschreibung ist dort leider etwas unzureichend, denn so einen Drive und Groove habe ich von einer Welter noch nicht erlebt – und ich hatte sie fast alle, von der WT 500 […] über die ACCP 60 […] bis zur SEP mit EL 84, oder habe sie noch. Was Sie der Endstufe anerzogen haben, war wohl vom lieben Herrn Welter grundsätzlich angelegt, leider unter dem doch etwas Haudraufigen versteckt. Sie haben das offen gelegt, betriebssicher verarbeitet und nun spielt das Teil wie der Teufel und lässt Stevie Ray Vaughn nicht nur krachen, sondern auch croonern und brillieren.[…]