Romulus, Remus & Kalypso

Der Ringkern-Übertrager

Der Ringkern-Übertrager ist die grosse unbekannte Nummer. Mein Vertrauen ist, gerade wegen der bisherigen, „kreativen» Aufbauweise, nicht übermäßig gross… Für die erste Testreihe werden neue KT88 auf lediglich 30mA Ruhestrom eingestellt. Die Spannung sackt erwartungsgemäß von 550 Volt auf etwa 500 Volt ab. Als Kathodenwiderstände wurden 10 Ohm / 5 Watt Drahtwiderstände eingesetzt.

1. Test: Die Ringkern-Übertrager wurden lediglich an den Anoden der Endröhren angeschlossen. Da sollte, rein theoretisch, schon „ordentlich» was „herauskommen». Die Kathoden-Kopplung entfällt also zunächst, zumal diese ja – theoretisch – nur als induktive Gegenkopplung dienen sollte. Das Ergebnis fällt in die Rubrik: „Kannste knicken». Das Höchste der Gefühle war etwa knapp die Hälfte der maximalen Ausgangsleistung eines Kalypso-Verstärkers. Schaltungsfehler? Negativ.

2. Test: „Normale» Übertrager, allerdings nicht mit optimalen Daten, produzierten mit der gleichen Schaltungstechnik gut und gerne 30 Watt. Aus dem Stand. Na gut, weil der Übertrager eine „falsche» Spezifikation aufwies, brauchen wir über Klirr und Verzerrungen bei etwa 60% Leistungsabgabe nicht zu reden. Immerhin.

3. Test: Ein Kanal mit Ringkern, der andere Kanal mit dem „normalen» Übertrager angeschlossen. Auch hier wird nur mit der Anodenwicklung gearbeitet, dazu nun eine Über-alles-Gegenkopplung. Das Ergebnis kann nur noch als „Interessant» bezeichnet werden. Während der Kanal mit dem „normalen» Übertrager „erwartungsgemäß» funktionierte, schoss der Ruhestrom einer Röhre im „Ringkern-Kanal» innerhalb weniger Sekunden auf über 80 Milliampere (anstatt 30 Milliampere). Es sollte klar sein, dass ganz schnell ausgeschaltet wurde. Nur „mit ohne Gegenkopplung» zickte diese Verstärkerstufe nicht herum. Ganz klar: diese Stufe ist sowas von instabil und jede Gegenkopplung kehrte sich zur Mitkopplung um.

Meine anfängliche Antipathie zu diesem Übertrager verfestigt sich.

Mit einem Leistungsmessgerät wurde die Leistungsaufnahme (in Watt) des Verstärkers gemessen. Hierzu reicht durchaus ein preiswertes Baumarkt-Messgerät (Schätzeisen). Ohne Eingangssignal zieht dieser Verstärker 185 Watt aus dem Stromnetz. Allein das ist schon beachtlich. Bis zur Verzerrungsgrenze (Ausgangsleistung) der Ringkern-Übertrager aber bereits über 400 Watt. Die Ausgangsleistung dagegen betrug keine fünf Watt! Keine Frage, da stimmt etwas von vorne bis hinten nicht. Es kann sein, dass die Übertrager einen „Schuss» (Windungsschluss) haben, es kann sein, dass diese Wickelpakete gar nicht für 40, 50 Watt „gut» sind und aus der Kalypso-Baureihe stammen. Es kann auch sein, dass die Übertrager, anders als erwartet, beschaltet werden müssen.

Den Tipp mit dem Leistungsmessgerät bekam ich von einem Techniker, der sich mit diesem „Messtrick» langwierige Messorgien erspart – nur um dann evtl. zur Erkenntniss zu gelangen, dass da etwas nicht stimmt. Ein so hoher Leistungsverbrauch zeigt deutlich, dass da Leistung sprichwörtlich verheizt wird.

Die Übertrager wurden nun komplett ausgebaut. Und bei dieser Gelegenheit auch der Ringkern-Netztrafo (hier zeigte sich dann die nächste Überraschung). Ausgebaut wurde aus dem Grund, um das Montageblech evtl. für „richtige» Ausgangsübertrager vorzubereiten (ich habe langsam die Faxen dicke). Die Netztrafo-Überraschung: Stark korrodierte Stecker-Quetschverbindungen. Aus dem KFZ-Bereich. Und das ist genauso „fragwürdig» wie der zuvor eingebaute Netz-Drehschalter Etwas Lebensphilosophie am Rande: Es hat alles seinen Sinn und es passiert alles so, wie es passieren soll…

Nun wird der Übertrager durchgemessen. Was bleibt anders übrig? Mache ich genauso gerne, wie Blechverarbeitung, die nötig wäre, um die neuen Übertrager einbauen zu können. Messen ist dagegen einfacher. Die ersten Ergebnisse warf die Frage auf, ob ich richtig messe. Die nächste Messfolge bezieht sowohl die Anodenwicklung als auch die Kathodenwicklung mit ein. Wenn ich jetzt tatsächlich richtig gemesen habe, dann ist der Ringkern mit vier (!) identischen (!) Primär-Wicklungen (!) hergestellt worden. Für die Anodenwicklung werden zwei Wicklungen seriell geschaltet und dienen dann als „Hauptwicklung». Da die „Hauptwicklung» aber so keine Leistung bringt, vermute ich jetzt mal, dass die Kathodenwicklung nicht nur zur Gegenkopplung dient, sondern auch dazu dient, um Leistung zu „erzeugen».

Dann testen wir mal: Die Kathodenwicklung wird entsprechend seriell in die Hauptwicklung geschaltet und erneut gemessen. Das Ergebnis sieht schon ganz anders aus. Nachtrag 27.9.2015: Es reicht bei weitem nicht – aus elektrischer Sicht (der Ra/a liegt bei nur etwa 1,5kΩ – das ist noch weniger als mein „Vergleichsübertrager»). Das mehrfach verifizierte bestätigt die Vermutung, dass dieser Verstärker mit diesen Übertragern gar nicht anders kann, als nach dem Prinzip der geteilten Lasten zu arbeiten. Andere, herkömmliche Übertrager (mit ganz viel Eisen), die die Leistung von 40 bis 50 Watt sicher umsetzen könnten, passen aus mehreren Gründen nicht.

Bei einer erneuten Überprüfung der Originalbeschaltung anhand von Anfangs hergestellten Photografien stellt sich nun auch heraus, dass die Übertragerbeschaltung des Kalypso-Schaltplanes so auch nicht richtig sein kann. Die Kathodenwicklungen sind nämlich gekreuzt beschaltet. Das hat nun aber nichts mehr mit historischen Vorbildern wie Quad oder McIntosh zu tun. Zumindest nicht in der ursprünglichen Schaltungsvariante des Remus.

Der Verstärker ist nun um eine „Schaltungskrücke» reicher. Zusammenfassend also: gegengekoppelte Paraphase-Phasenumkehr plus gleichzeitig gegengekoppelte Treiberstufe, „gekreuzte» Schirmgitter und gekreuzte Kathodenkopplungen.

Das Geheimnis des Übertragers scheint also gelüftet zu sein. Jetzt bleibt zu klären, ob die Übertrager tatsächlich für 40 oder 50 Watt gut sind oder ob diese nicht aus dem Kalypso-Verstärker stammen und dann hier vielleicht 20, 25 oder 30 Watt produzieren. Die „magere» Ruhestromeinstellung der KT90-Röhren (30mA) fällt mir da ein… Zur Erinnerung: Für eine doppelte hörbare Lautstärke ist die vierfache Verstärkerleistung erforderlich! Nachtrag vom 27.9.2015: Die angepeilten 50 Watt knicken wir.

Dazu müssen aber erst einmal die Anschlüsse des Netztrafos betriebssicher hergerichtet werden.

16. Oktober 2015 Update

Ganz kurz ein Bild von einem Test. Input 1kHz. Rechteck. Ausgangsleistung magere 30W (also nicht voll aufgedreht). Keine Gegenkopplung. Gemessen am Lautsprecherausgang.
Noch Fragen?

testsignal

Nein, das ist kein Transistor.
Kein anderer Röhrie.
Das ist tatsächlich der Remus.
Wider erwarten brummt nichts (trotz des chaotischen Testaufbaus), es rauscht auch nicht, „zirpen» tuts auch nicht. Absolute Stille.

Für Laien: Das Rechtecksignal zeigt kaum Überschwinger, also das, was einen Röhrenverstärker ausmacht. Er ist, so wie er jetzt läuft, absolut Clean. Für meine Begriffe viel zu Clean. Für „Oszi-Virtuosen»: Die leichte, unterschiedliche, Amplitude liegt am Oszi. 😉

Übrigens: Ich bin erstaunt, was diese „Live-Berichterstattung» an Resonanz mit sich bringt. 😉

Kling-Klang? Naja, (fast) wie erwartet. Je nach Betrachtungsweise etwas zu höhenbetont oder etwas zu schwachbrüstig im Bassbereich. Ausserdem neigt er zu leicht zum Übersteuern, was aber an der Vorstufe liegt. Ausserdem fehlt ja noch eine, wie auch immer geartete, Gegenkopplung. Trotzdem merkt man jetzt schon, dass es doch etwas „fixer» zur Sache geht, als bei anderen Röhrenverstärkern sonst so üblich. Mit KT88-Röhren, übrigens. Die KT90 sind ausrangiert worden.

18. Oktober 2015 Update

Test. Test. One. Two. Three. Test. Test. Test.

remus_neu1

remus_neu2

28. Oktober 2015 Update / Domuitio

Nach Korrektur der Gegenkopplung sowohl spannungsmäßig als auch frequenzmäßig, spielt der Remus. Gut. Laut. Und durchaus kraftvoll. Die TESLA ECC83 ist das i-Tüpfelchen und rundet das Klangbild erst so richtig ab. Messtechnisch gibt es auch nix zu meckern.

Remus ist seit einem Tag wieder da, wo er hingehört.
Leider scheint es kleinere Diskrepanzen mit den verwendeten Lautsprechern zu geben. Die scheinen eine Impedanzkorrektur nötig zu haben, denn es zeigen sich die gleichen klanglichen Eigenschaften, wie bei mit zuvor (je nach Betrachtungsweise zuviel Höhen oder zuwenig Tiefen). Die klanglichen Eigenschaften dieses Lautsprechers an Röhrenverstärker sind übrigens nicht ganz unbekannt. Wenn gar nichts mehr hilft, muss der Remus eben entsprechend auf die Lautsprecher angepasst werden.


Update April 2016:

Hatte ich tatsächlich vergessen. Der Besitzer kontaktierte mich Anfang 2016 und teilte mir mit, dass es jetzt gut klingt. Kein Brumm, kein zirpen, kein zischeln. Der Verstärker verstärkt und klingt gut. Das Musik hören macht, so die Aussage, wieder Spass.

Danke. Da hat sich die Mühe ja gelohnt. Nochmal mache ich das aber nicht. 😉

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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