Mit einem schwächelndem Stereokanal schlug dieser Simply-845 Röhrenverstärker hier auf. Den galt es wieder fit zu machen. Und, wenn man bei diesem Simply-845 noch etwas findet, was ihn „besser» werden lässt, so sei man dem nicht abgeneigt. Nun gut. Aber, warum man diesen Single-Ended nun ausgerechnet „Simply» genannt hat, ist nicht nachzuvollziehen.
Das nämlich täuscht gewaltig. Mit der simplen „Leichtigkeit des Seins» hat dieses extrem unhandliche (!) Schwergewicht nämlich überhaupt nichts zu tun. Und das ist beileibe kein Jux. Die rund 35Kg sind nicht das Problem an sich. Es ist die Gewichtsverteilung (!) die in Tateinheit mit der Unhandlichkeit zu gesundheitlichen Problemen führen können. Die falsche Technik beim Anheben dieser Kiste und – Zack, Ratzfatz – ist von Bänderriss am Handgelenk, Bandscheibenvorfall und intime Bekanntschaft mit der schiessenden Hexe alles drin. Also „mal eben» den Simply-845 von hier nach dort zu stellen – vergessen Sie’s. Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.
Die Historie dieses Verstärkers: Mittlerweile über 10 Jahre alt und zudem Second-Hand. Stereo, Single-Ended in Class-A. Also „mit ohne» Ruhestromreglung, oder – im High-End Jargon – mit „Self-BIAS». Und das mit den 845-Röhren. In gewissen Kreisen gilt der Simply-845 als „Rarität», weil er nicht nicht mehr im Unison-Programm ist. In einem alten „Verkaufsprospekt» findet sich übrigens auch kein Hinweis, dass eine gewisse, gesunde Muskelmasse zwar nicht erforderlich aber wünschenswert wäre… Lassen wir das.
Simply-845 intern
Dieser Röhrenverstärker ist nahezu baugleich mit dem Vorgängermodell Smart845 aus gleichem Hause. Der größte Unterschied: Die Smart845-Verstärker waren Monoblöcke (und waren garantiert auch solche „Monster»). Also Schaltplan organisiert und studiert. Bezogen auf den Smart845 finden sich ein paar Details, die man durchaus skeptisch betrachten darf. Simply-Exaggerated…
Rechnen wir kurz zurück… Erscheinungsjahr war dann wohl um 2007/2008, also zu der Zeit, als man hierzulande noch brav der SRPP huldigte, während man da drüben – im fernen Fernost – besonders im Fall 845 bzw. 211 schon längst wieder auf Pentoden und/oder Zwischenübertrager setzte… Und es war die Zeit, als man anfing die enormen Vorteile eines schlanken Netzteils – also ohne Kapazitätsbombast – zu erkennen…
Update: Ich habe den Verstärker jünger gemacht, als er ist. Der Verstärker ist ein typisches „Produkt» der 1990’er-Jahre. 😉
Also, eine genaue Inspektion ist sowieso fällig. Einmal wegen dem Alter des Verstärkers und einmal wegen der Betriebsart. Schwächelnde oder gar tote Bauteile sind bei Class-A Verstärker so ungewöhnlich ja auch nicht.
Dann wollen wir mal die fette Lady auf die Werkbank wuchten. Und das meine ich genauso: Wuchten, asten, hieven… Ob ich nicht vorher mal in die Muckibude gehe? Hatte ich erwähnt, dass das, so vom Gewicht her, kritisch ist? Das Gewicht hat natürlich seinen Grund – geht nicht anders. Das ist auch keine Schau. Weil wegen Netzteil.
Also das Simply-845 Netzteil
Die eigentliche Verstärkerschaltung ist so langweilig, dass sie eigentlich keiner Erwähnung bedarf. Aber das Netzteil verdient mal eine Würdigung. Sie wissen schon: „Die im Lichte sieht man…»
Aus drei 260V-Teilspannungen, die gleichgerichtet und penibel gesäubert werden, setzt man hier im Simply-845 und im Smart845-Modell die Hochspannung für die Endröhren zusammen, wobei die entstehenden Teilspannungen einmal für die beiden SRPP-Vorstufen und ein anderer Teil für die extern anzuschliessende Phono-Vorstufe verwendet wird. Also nicht die übliche, einfache, Nullacht-Fuffzehn Spannungsverdopplung, wie man es sehr oft vorfindet.
Die Betriebsspannung des extern anzuschliessenden Phono-Vorverstärkers beträgt klinisch reine gerundete 360 Volt. Die Versorgungsspannung für die beiden SRPP-Vorstufen das Doppelte (!) der „Phono-Spannung» und die Hochspannung der 845 ist dann, nach Adam Riese, eben das Dreifache der „Phono-Spannung».
Pro & Contra
Vorteil dieser Netzteil-Variante: Man bekommt die einzelnen Teilspannungen mit „normalen» Bauteilen „sauber». Auch die verwendete Drossel (im 845-Stromkreis) ist eine „normale», handelsübliche Drossel. Nachteil: Der Netztrafo muss schon etwas liefern können… Also, jede Menge Kupferwickel, Eisen und damit auch jede Menge Kilogramm. Übertrager und das stabile und sehr grosszügige Gehäuse (mit Lüftungsschlitze) machen den Braten dann so richtig fett.
Das ist wirklich pfiffig. Und aufwändig. Billig ist das aber nicht. Vor allem die drei seriell geschalteten Siebkapazitäten, die auch den Treibstoff für die 845 bilden sowie die daraus entnommenen antiseptischen Teilspannung, sind heute kein billiger Spass mehr. Diese wirklich gigantischen Kapazitäten sehen aber nur auf den ersten Blick so riesig aus. Am Ende „wirken» sie nur zu einem Drittel. Und selbst das ist schon „gut dabei».
Mit Bauchgrummeln kann man das aber noch durchgehen lassen – weil wegen Stereoversion und die für einen Trioden-Eintakter beachtliche Leistung. Mehr Bauchgrummeln machte aber die Art, wie diese dicken Kapazitäten verschaltet wurden: Anstatt Widerstände für die Spannungsteilung, damit jede Kapazität auch ja die „richtige» Spannung sieht, in Sperrrichtung geschaltete Dioden. Ohoh…
Die Bodenplatte war noch nicht ganz entfernt, als die stark aufgeblähten Siebkondensatorenfür die Heizung der 845 sichtbar wurden… Das hätte wirklich nicht mehr lange gedauert… Ehrlich? So schlimm habe ich das selten gesehen und vor allem noch nie bei allen daran beteiligten Elkos gleichzeitig…
Da ist es doch anzuraten, auch mal ein Auge auf die Siebkondensatoren im Netzteil zu werfen. Vor allem die 1.000µF-Elkos (!) im Hochspannungskreis. Nicht auszudenken, was passiert, wenn nur einer davon schon unter Blähungen leidet…
Zum ersten Mal musste ich mit Einweg-Handschuhe arbeiten, weil einige Zuleitungskabel mit pastöser Farbe „behandelt» wurden. Vielleicht war die Farbe mal fest. Jetzt auf jedenfall ist sie pastös. Wirklich, eine nette Sauerei…