Tuning? Antituning!

Fehler im System?

Alles, was man als Antituning machen konnte, ist getan. Nach allen Regeln der Kunst sollte nun die Ruhestromeinstellung der mitgelieferten KT88 (Marke Schickimicki) erfolgen. Tja, hat sich was. Diese Röhren kamen noch nicht einmal in die Nähe von 40mA (Herstellerangabe). Nanu?

Man könnte sich jetzt einen Wolf suchen, um einen nicht-existenten Fehler zu finden. Oder man kürzt ab und nimmt andere KT88 (Marke Malocher: Statt Goldkettchen, Schwielen an den Händen), um das zu verifizieren.

Long short Story: Die mitgelieferten Endröhren benötigten eine BIAS-Spannung, die positiver sein sollte, als es mit der Original-Beschaltung (nach Schaltplan) möglich gewesen wäre. Daher also der erweiterte Regelbereich. Sieh‘ mal einer guck… (Hätte man auch einfacher haben können). Daraus liesse sich schlussfolgern, dass diese Schickimicki-Röhren alles sind, bloss nicht ganz echt.

schickimicki-roehren

Theorie vs. Praxis

Als ob das nicht genug ist, stellte sich jetzt auch noch heraus, dass sich ein Regler (im anderen Kanal) nicht so verhielt, wie die anderen Drei. Auch mit „Malocher-KT88« kam man an dieser Stelle nicht über 30mA hinaus. Was’n das?

Regler ausgelötet und siehe da: Statt, wie in den Schaltplänen vorgesehenen Regler-Wert (20kΩ), fanden sich durchweg halbierte Werte. Das zum Thema Theorie (Schaltplan) und Praxis. Was bleibt übrig? Klar, Regler nach Schaltplanvorgabe ersetzen…

theorie-vs-praxis

Und jetzt funktionierte es auch – Oh, welch‘ Wunder – auch mit den Schickimicki-Röhren. So leidlich. Wenn sich ein maximaler Ruhestrom von sehr bemühten 35mA pro Röhre einstellt, dann ist das für derartige Endröhren eben leidlich. Leidlich ist dann natürlich auch das Klangbild. Das hat nix, aber auch gar nix, mit HiFi zu tun. Sounden trifft’s eher.

Okay, gut möglich, dass die Schickimicki-Dinger schon so weit runtergefahren sind, dass sie einfach nicht mehr können. Die vier Malocher-Typen kamen dagegen problemlos auf 40mA. Nach einigem hin und her wird auf 45mA eingestellt.

anti-04a

Das wär’s prinzipiell gewesen… Deckel drauf und Tschüss. Und nein, wir denken da nicht weiter darüber nach. Doch, das sollte man. Ein wenig.

Grundlagen zum Antituning

Mache ich ganz kurz & knackig. Versprochen.

Also eigentlich sind 45mA unter diesen Betriebsbedingungen (etwa 430V Anodespannung) für KT88 eine doch eher eiskalte Einstellung. Man müsste auf vielleicht 55mA erhöhen. Das würde dieser Netztrafo noch schaffen. Es wird aber bangig eng, wenn vom Verstärker richtig Leistung abgerufen wird.

Die Entscheidung für 45mA Ruhestrom ist also ein Kompromiss und dem Netztrafo geschuldet, denn die Betriebsspannung bricht umso stärker ein, je höher man das BIAS stellt. Das wiederum bedeutet, dass man gar nicht den optimalen Arbeitspunkt für eine KT88 einstellen kann, weil sich sofort die Betriebsspannung und damit die Anodenspannung ändert. Und das wiederum zeigt sich an den Leistungsdaten.

Selbst die gigantischte Kondensatorbatterie kann das nicht ausgleichen. Kondensatoren sind Spannungs-Speicher, die einen kurzen Spannungseinbruch bei erhöhtem Strombedarf überbrücken sollen. Genauso schnell müssen sie sich aber wieder aufgeladen haben, sonst gibt’s Probleme.

Je mehr Speicher zur Verfügung steht, desto länger dauert die Aufladung. Und es dauert noch viel länger, wenn permanent der Speicherinhalt abgelassen wird. Logisch, oder?

Was Kondensatoren nie nicht sind: Generatoren. Sie können nur das abgeben, was sie gespeichert haben. Generell ist ein „schlankes“ Netzteil sehr von Vorteil, denn da kann das Netzteil – salopp formuliert – die Spannung direkt zum Verstärker leiten und ist nicht mit dem Aufladen von Energiespeichern beschäftigt.

old-but-gold

Zum Schluss ein kleiner Tipp: Es muss nicht immer KT88 sein. Zwischen EL34 (25W) und KT88 (42W) gibt’s noch die 6L6GC (30W). Ein Quartett 6L6GC ist preiswerter und mit etwa 35-40mA Ruhestrom laufen diese hier auch rund. Leistungsmäßig hat man mit gut 40W auch kaum Einbussen zu befürchten…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.