WAD 300B-PSE

Die Realität…

…auf der Werkbank sieht anders aus.

Die ungewöhnliche „Gegenkopplung» wurde komplett entfernt (besser ist das) und die 6AU6 „normal» beschaltet. Parallel zu dem Kathodenwiderstand liegt hier ein Elko, den ich schwer in Verdacht habe, dass er vom Stamm „Tantal» ist. Tantal-Elkos – ein typisches „HighEnd-Bauteil» des ausgehenden 20. Jahrhunderts, den man im 21. Jahrhundert am besten ohne Hemmungen in den Orkus schickt.

Die Beschaltung der ECC82 ist dahingehend geändert worden, dass die Halb-Halb Sache mit der negativen Vorspannung nicht mehr zum Tragen kommt und somit die 300B’s in den Class-A Modus (also „Automatic BIAS») zwingt. Soweit, so richtig. Aber… PSE und pure Class-A Betriebsart (Self-BIAS) sind zwei Dinge, die nicht auf Dauer friedlich zusammenarbeiten werden – können! Da habe ich schon wirklich einige „Unfälle» gesehen.

Dafür sind die Kathodenwiderstände geändert und lassen die 300B bei etwa 65mA ihr musikalisches Tagewerk verrichten.

pse-alt5

Diese Änderungen sind zunächst einmal – ebenso im Groben – richtig. Ob die Korrekturen von der Zeitschrift oder aus eigenem „Bastler-Antrieb» erfolgten, bleibt ungeklärt. Ich tippe mal auf den (einsichtigen) „Bastler» bzw. Vorbesitzer.

Und dann ist da die Sache mit der CV378-Gleichrichterröhre. Warum man überhaupt die „Common Valve» Bezeichnung eingeführt hatte, wissen wohl nur die Briten. Hierzulande gibt es verschiedene Angaben, was das nun für eine Röhre sein soll. Ich persönlich halte mich an das Datenblatt und „verorte» sie als GZ37.

Und sonst?

Wenn man schon direkt beheizte Trioden mit Wechselspannung beheizt, dann gehört an jeder Röhre ein „Hum-Pot». Nicht wie hier, nur an einer Röhre. So wie hier – das kann nur brummen. Die Heizfäden (Glühkathode) der beiden 300B’s gehören auch nicht parallel geschaltet – auch wenn man das immer wieder sieht.

Da die eingesetzte Gleichrichterröhre CV378 als GZ37 klassifiziert wurde, erweist sie sich hier als Fehlbestückung. Auch diese Röhre sieht „frisch» aus (viel zu frisch) und dürfte für den Verkauf einfach eingeflanscht worden sein. So eine Röhre will maximal 4µF Ladekapazität sehen. Im Schaltplan ist eine 5U4G und etwa 25µF Ladekapazität vorgesehen. Die Ladekapazität ist vorhanden. Das wäre also nicht lange gutgegangen. Natürlich hätte man die Sache mit dem Ladekondensator korrigieren können. Da ist aber noch etwas…

Eigentlich sind/waren das „Kinkerlitzchen». Die eigentliche

Todo-List

Ich sollte natürlich nicht nur den Brumm „wegmachen». Da, wo vorne der Netz-Drehschalter sitzt, soll ein Lautstärkepoti ’rein. Der Netzschalter hingegen wird an Stelle des „Hum-Pot» eingebaut. Da auf Gleichspannungheizung umgerüstet werden soll, wird der Hum-Pot also überflüssig und darf gehen. Damit das mit dem Parallel Single-Ended auch richtig funktioniert, muss eine richtige, regelbare negative Vorspannung her (also Class-A1). Die hierfür nötige Spannung ist praktischerweise vorhanden.

Vieles davon erscheint nur als „logistisches» Problem. „Mal eben» auf Gleichspannungsheizung umrüsten, hier was einbauen, dort ein paar Strippen ziehen…

Hat sich was

Da die 300B’s getrennt mit Heizspannung versorgt werden, sollten (mal eben) entsprechende „Gleichrichtereinheiten» montiert werden: Je Triode ein Brückengleichrichter und 10.000µF… Keine grosse Sache. Bei Überprüfung der Spannung stellt sich heraus, dass die Heiz-Wechselspannung deutlich unter der Sollvorgabe von fünf Volt liegt. Im Leerlauf! Werden die 300B’s angeschlossen, dann geht es noch weiter ’runter. Ein deutlicher Hinweis, dass die Trafowicklung auch noch unterdimensioniert ist.

Höchste Zeit, die anderen Sekundärspannungen zu prüfen. Ergebnis: Alle Spannungen liegen zT. deutlich unter den im Schaltplan angegebenen Soll-Vorgaben. Besonders kritisch ist das bei den Heizspannungen.

Abhilfe: Die 300B’s bekommen einen eigenen Heiz-Netztrafo spendiert. Die 5U4G bzw. CV378 wird durch eine GZ34 ersetzt. Diese Gleichrichterröhre genehmigt sich die 5V-Heizspannung gerade einmal mit 2A. Die 5U4G oder die CV378 liegen deutlich darüber! In der Summe sind es nun über 3A, die als Last vom „Haupttrafo» genommen wird. Dadurch pendeln sich die anderen Spannungen auf akzeptable Werte ein. Das war die preiswerteste aber effektivste Lösung.

Mal eben auf Gleichspannung umrüsten. Mal eben… Keine grosse Sache… Ja, ne. Is‘ klar. Daraus ergibt sich dann die…

…erweiterte Todo-List

Der Einbau des zusätzlichen Heiz-Trafos hat den Nebeneffekt, dass die Schaltung komplett neu aufgebaut werden muss. Da die Sache mit der ECC82 sowieso geändert werden soll bzw. muss, kann man sich auch mal der 6AU6 (aka EF94 – eine Universal-Pentode übrigens) widmen. Im nachhinein stellte sich nämlich heraus, dass das Schirmgitter als Anode missbraucht wurde…

Über einen Carbon Composit Widerstand gelangt das NF-Signal zu den ECC82-Kathodenfolgern (Plural ist richtig). Über je einen Koppelkondensator geht es dann zu den 300B’s. Prinzipiell ist das die gleiche Schaltung wie im Original. Nur eben ohne das Gewürge um die „Phantasievorstellungen».

300b-pse-neu

Natürlich geht so etwas nicht ohne einen…

…Wehrmutstropfen

Eine 300B erwies sich als „taube Nuss». Zumindest war sie Schwerhörig. Man konnte ihr nicht beibringen, sich gefälligst in den 60mA-Arbeitspunkt zu bewegen. Sie blieb bei etwa 25mA einfach stehen. Schade.

Vermutlich die Folge der Unterheizung. Dass die anderen drei 300B’s von JJ das überlebt haben, ist reine Glückssache (oder spricht für Qualität). Bevor nun die „Überlebenden» Wohlklang verbeiten dürfen, werden sie prophylaktisch zur Kur geschickt. Heisst in diesem Fall: Ein paar Stunden „gettern». Ein paar Stunden heisst: knapp 48 Stunden. Der Begriff „gettern» ist übrigens in diesem Fall nicht richtig, obwohl das Verfahren identisch ist. Es soll nur eventuell vorhandener „Siff» an der Glühkathode weggebrannt werden.

Das langsame Sichtum einer Röhre ist bei PSE übrigens nicht so leicht herauszuhören. Wenn man das bemerkt, ist es meist zu spät. Zwei Möglichkeiten: Man kann auf Rauchzeichen warten (Kollateralschäden inklusive) oder aber hin und wieder die Ruheströme prüfen (lassen). In diesem Fall sollten die JJ-Röhren etwa 60mA bis max. 65mA pro Röhre ziehen.

6AU6 / EF94

Man sollte diese Miniatur-Pentode nicht unterschätzen. Auch wenn das eine sog. Universal-Pentode ist, leistet sie sehr gute Dienste in NF-Verstärkern. Richtig beschaltet produziert sie dann ein Signal, welches man nicht mehr zu korrigieren braucht und auch mich etwas überrascht hat. Heisst: Das Rechteck ist im gesamten HiFi-Frequenzsprektrum wirklich ohne Fehl‘ und Tadel und wie aus dem Lehrbuch.

Übertrager

Den Trafohersteller trifft übrigens keine Schuld an der Misere mit dem Netztrafo. Das zeigt der Übertrager. Das, was die 6AU6 (EF94) produzierte, findet sich exakt am Lautsprecherausgang wieder. So etwas sehe ich nicht oft, denn meistens versaut der Übertrager das mühsam erworbene saubere Signal… Alle Achtung.

Gegenkopplung?

Braucht es nicht. Wirklich nicht. Diese PSE-Monoblöcke laufen tatsächlich ohne Gegenkopplung und ohne jede klangtechnische Trickserei. Prinzipiell also auch so, wie im Original vorgesehen.

Aber…
Quasi als Übertrager-Lebensversicherung ist ein kleiner Boucherot-Filter angebracht worden. Gerade Single-Ended Übertrager reagieren ja auf eine fehlende Last höchst allergisch!

Watt?

Auch PSE-Verstärker schreien nach lauten Lautsprechern. Hier kann man zwar mit 89db-Lautsprechern bequem hören, viel mehr aber auch nicht. Jedes Dezibel mehr tut gut. Saubere 6W sind mit Triodenfeeling möglich. Maximal kann man diese PSE’s bis etwa 10W aussteuern. Angestrengte 15W braucht es daher nicht (obwohl möglich). Der Gedanke an noch mehr Watt ist pervers und strafbar.

Klang?

Annehmbar.
Ich muss das so sagen, weil ich dem Eigentümer noch nicht das Vergnügen gönne.

Ernsthaft. Ich wage zu behaupten, dass das viel Ähnlichkeit mit einer „richtigen» 300B-Schaltung hat – nur eben mit mehr Watt und spürbar „aufgeweckter». Da bin ich wirklich positiv überrascht worden.

Die häufig gestellte Frage „Lohnt sich das denn? Also finanziell?» will ich mal typisch Nordeutsch beantworten: Jo.
Vor allem deshalb, weil der frisch gebackene PSE-Besitzer da einen wahren Schnapp gemacht hat.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.